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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Heilbrunn, Ernst: Der Mann mit den Masken, Johan Bojer
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0440

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konntc, daß die Unendlichkeir nnd nngeheure Fruchtbarkeir der ITeueu Welk
nichL durchweg solch frommcn Eifer und frommes Werk erzeugke. Wie er-
quickend, amcrikanifche WelL so nakurhafk zu erlebeu! Vielleichk ifk Bojer
dies Werk deshalb so sehr gelungen, weil HeimaL uud Frcmde, Schweifen
und Bindung hier einen Liebesbund fchließen.

Bojers SLil ist ganz eigen und groß. JnnigkeiL uud (elegifcher loie maliziöser)
Humor, MusikaliLäL und phanLastifches Schweifen, Mchstik und Lakonik
fchufen hier ein starkes und echkes Gewächs, das man Zeile für Zeile mik
dem Ohre liest und genießL, ja das man — höchstes Lob — häufig lauk lesen
nnd vor sich hinsummen möchke. Es wird sich GelegenheiL finden, auf Bojers
Skil zurückzukommen.

(Die ÜberseHungen der oben besprocheuen Romane Bojers sind bei der C. H.
Beckfchen Verlagsbuchhandlung in Mnncheu erfchienen.)

Lose BläLLer

2Lus Johan ZZojers „Der große Hunger"

^Hein Skurm kann so hausen wie der Mordwest, wenn er in laugen Winter-
'-^abeudeii zwifchen den Bergen nn'L Gifchk nnd GeLöse einseHk. Er peikfchk
den Fjord zu fchäumenden Wogen — längs des Strandes fchlagen die BooLe
Purzelbäume, ganz bis zu den graueu FifcherhüLLen HLnauf, und alke solide
Scheunenbrücken reißen sich los und fliegen durchs Dorf wie Bögel. „Barm-
herziger Himmel!" sagen die Mägde, die zum Melken in den Kuhstall müssen,
und sie legen sich nieder und kriechen auf allen vieren über den Hof, mit eincr
Lakerne, die verlöfcht, und einem Milcheimer, der davonfliegk. Und „Gokt
erbarme dich unser!" sagen die alken Frauen am Ofen, und ihre Gedanken
weilen im tlkordcn, wo die Lofokfifcher heuke nachk vielleichk draußen sind.
An einem stillen AprilLag aber gleiLet der Fjord sanft und blank an Buchken
und Landzungen vorbei. Und zur Ebbezeit legt er ein ganzes Königreich von
seltsamen Inseln bloß, Dünen und Skeine mit Tang. Die Knaben waken in
blanken PfüHen, wo Flunderu, nichk größer als Fünförestücke, wie Pfeile
davonfchießen. llnd ein Geruch von Salzwasser und warmem feuchken Ebbc-
straud füllk die Lufk, so daß der Austernfifcher, der draußen auf einem großeu
Stem wippk, deu Schnabel zum Himmel hebk und der Sonne mitken ins Ge-
sichk pfeifk: Klipp, klipp — der Frühling ist da.

2ln einem lolchen Tage verließen zwei Iungen im AlLer von dreizehn, vier-
zehn Iahren eiligeu Schritkes eine der Fifcherhükten und gingen auf den Strand
zu. Nie haben Iungen es eiliger, als wcnn sie ekwas UnerlaubLcs Lun. Was
sollte heuke vor sich gehen? Dcr blondc und blasse Per Tröen fchob euergifch
eine Schubkarre vor sich her, und der andere, Martin Bruvold, ein dunkler,
sommersprossiger Burfche, Lrug einen Eimer am Arm. Sie sprachen leise imd
geheimnisvoll mikcinander und blickLen gespannk übers Meer.

Per Tröen war natürlich der Anführer. Das war er immer, man gab ihm
auch die Schuld für den IHaldbrand im vorigen Iahr. IeHL war ihm einge-
fallen, daß Knaben ebenso gut wie Erwachsene Hochseeangeln auslegen kön-
nen, und er hatke eim'ge Kameraden für das Uukernehmen gewonnen. Schlepp-

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