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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 1 (Oktoberheft 1927)
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Michel, Wilhelm: Unschuld des Lebens
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Popp, Joseph: Böcklin zum Gedächtnis: (geb. 16. Oktober 1827)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0021

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sen und Wägen, das BekrachLen, daö Wollen, die Besinnnng. Es isl schön, ja
beneidenswerk, wenn uns die Seelenregung mit elemenLarer KrafL dahinLrägL,
ohne gegenrhyLhmische UnLerbrechung. Aber wo irgend sich in uns die Besin-
nung meldeL, da muß sie zugelassen werden. Es wäre die schlimmsle
aller Fälschungen, wenn wir diese mächLigsie unsrer RealiLäLen miL GewalL
anslöschLen oder uns um sie herumzulügen suchLen. Keine WerLschäHung des
„llnbewußLen" kann auch nur die geringste BergewalLigung des BewußLen
enLschuldigen. Es muß miL voller KrafL in die Arena LreLen und sich rücksichLs-
los gelLend machen. Auch das Geistige muß, wie das Seelische, zu vollkom-
mener AusarbeiLung gelangen. Ilnd nur Einer bleibL schließlich, der fernge-
halLen, ja erschlagen werden muß, wo und wie er gefunden wird: der SpöLker,
der nichL mik in den Kampfraum will, der Spielverderber, der nichL mikmachL,
der faul an der Türe lehnL und für den ganzen Lebensvorgang nur einen ge-
langweilken oder hämischen Blick haL.

Nein, er soll nichk erschlagen werden. Sondern er soll vom Spiel so ergrisfcn
werden, daß es ihn miL hineinzieht und daß er sich der Spielregel freiwillig
fügL. Er soll als Zaungaß verschwinden und als Mikschaffender wieder auf-
LreLen. Er soll König sein im Spiel, Führer in der Arbeik, nur nichL Friedens-
störer, LoLe Last, faule Drohne. Denn er allein ist es, der die llnschuld des
Lebens brichL und das Herz des Lebens mutlos machL, solange er bloß als Zu-
schauer dabeisteht miL dem LöLenden Blick des llnbeLeiligLen. Auf ihn gehL
alle Lebensfeigheik der Menschen zurück, alles Sich-Sparen, alle See-
lenverfälschungen; auch jener Mangel an BerLrauen, ohne den kein echtes
Leben möglich ist.

Denn solange wir nichk eine kühne, ja vermessene ZuversichL haben, daß bei
völliger Entspannung das llrwahre frei wird; solange wir glauben, daß nur
das in Ordnung ist, was wir selber „gemachL" oder besingerL haben, so lange ist
an ein echtes und unschuldiges Leben nicht zu denken.

Böcklm zum Gedächknlö

(Geb. 16. OkLober 1827)

VonIos. Popp

undertjähriger Geburtstag — wie weiL zurückweisend für menschliches
^^Leben! llnd dennoch ist es uns, als müßke mancher diesen Tag miLfeiern,
so lebensvoll stehL er vor unsrer Seele. Arnold Böcklin war dercn einer. Man
empfand den Hingang des ^üjährigcn wie eine GewalLtaL der Naknr; so fällL
der Blih eine Eiche, erst nach wiederholten Streichen. Am stärksten spricht
dies Wesen aus dem Selbstbildnis der 57er, geschaffen im Hochgefühl der
reifen Mannheit: die wölbige Brust spannig im seidencn Wams, die Linke
spreizk sich auf der lässigen Hüfte, die RechLe mit cinem Glas dunkelglühenden
Weines, erhobenen HaupLes dem Leben entgegengehalten, zum ProsiL oder
PereaL, wie sie es nehmen wollen — einer vom „Fähnlein der sicben Aufrechten".
Böcklin haL sich allezeit nur auf sich und seine Kunst gestellt. iWenig sagke er
von sich und ihr aus — was Schick und Floerke darüber erzählen, ist mehr
crlauschk als mitgeteilt. NichL einmal Nümen gab er seinen Bildern: „Wenn
ichs sagen könnte, würde ich es nichL malen." So sehr wollte er nur bildender

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