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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Bier, Justus: Betrachtungen über die neueste Malerei
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Egidy, Emmy von: Deutschland in drei Städtebildern, [1]: wie es sich für einen Auslandsdeutschen darstellt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0428

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die trüben und die klaren Menschenantlitze, die an uns vorüberziehen, zeigen
nnd — mehr noch deulen.

Ein Wort muß noch über Scholz gesagt werden, den wir mit Bedacht bislang
anßerhalb unserer Betrachtung licßen. Ein Maler von außerordentlichen Qua-
litäten, vermag er sich doch bei solchem Können nicht zu beruhigen; nnd aus
der gleichen Skepsis der Kunst gegenüber, die ihn in seinen Anfängen zwang,
Tendenzblätter als wesentliche Ausgabc der Kunst zu bejahen, verbirgt er die
emailhaste Schönheit seiner Malerei hinter öldruckartigen Lasuren oder ver-
härtek sie durch cinen ungeschlissenen Grund. Die Furcht vor einem behaglicheu
Spezialitäkenmalen wirkt hier mit, einem Verbürgerlichen und Verspießern der
Malerei, die sich, weniger versteckt, bei Menje im bewußten Verharren bei
groben, rohen Darstellungsim'LLeln äußert. Auch Räderscheidts Bilder, etwa
das seltsame, puppcnhaste Sclbjtbildnis, oder Plobergers extravagantes
Selbstbildnis inmitten eines Kisienßillebens erklärt sich aus einer ähnlichen innc-
ren Beuuruhigung überZweck und Sinn derKunst, die sich hinter artistischen
Seltsamkeiten zu verbergen sucht. Dieses seelische Stadium scheint uns mehr
charakteristisch als eine Nuchwirkung des Expressionismus denn als Kennzeichen
der neucn Malerei. Es ist auch bei Dix, Lei Grosz, selbst bei Großberg mid
Schrimps zeitweise vorhanden gewcsen. Abcr gerade in seiner Überwindung, in
diescm Umschlag vom Gesühl der Heimatlosigkeik der Kunst in unserer Zeit und
der Flucht'in Wsionen und Gesichte, die doch ohne zwingende Krast sür eine
im Realen fußende Gesamthcit blieben, zur Erkenntnis der ewigen und großen
Ausgabe der Kunst als Deuterin des Mcnschen und seiner Welk liegt dic we-
seutlichc Wandlung vom Expressionismus zur „neueii Sachlichkeit" hinüber,
die uicht einsach als modischer cklmschlag verstanden werden kann, vielmehr
als Äußerung der neuen Verpslichtnng des Menschen zur Ordnung und Be-
wältigung der Welt, in die er sich gcstellt sieht.

Deutschland m drei StädLebildern

Wie es sich sür eiucn Auslandsdeutschen darstellt
Von Emmy vou Egidy

I

B e r l i n

Dugegeben, daß Berlin jich als Hauptstadt des neuen Reiches durchgesetzt hat,
höherem Maße jogar, als es in den Zahren von 1870—1918 je gekonnt;
zugegeben auch der Satz: „Wer Bcrlin hat, hat Deutschland" — so ist damit
noch inimer nicht gesagt: „Berlin i st Deutschland." So weit eiu Wstand be-
steht zwischen „Haben" (Besitz) uud „Sein" (Totalität der lebendigen Funk
tioncn), so weit ist auch der Abstand zwischen der Bedeutung Berlins und der
Gesamkheit des Deutschen Reiches.

Wenu auch alles, was sich in dcr Össentlichkeit durchsctzen will: wirtschaft-
liche, wie gcistige Werte, von der Mode bis zum Orchesterdirigentcn, vom Back-
pulver bis zur letzten Flugzeugverbesserung uach Berlin muß: auf dem Markt,
der Berlin ist, für sich zu kämpsen, und sich einprägt, wer Berlin habe, habc
Deutschland so ist doch sast alles, was sich durchsetzen will, überall in

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