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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Michel, Wilhelm: Erfolg und Sturz
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Eberlein, Kurt Karl: Peer Gynt: zu Henrik Ibsens 100. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0415

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Die Tragödie mit ihrem immer widerstreitenden Dialog wird so zur „Sprache
einer Welt, wo . . . der Gott und der Mensch, damit der Welklauf keine
Lücke hat und das Gedächtnis der Himmlischen nicht ausgeht, in der allver-
gessendeu Form der Untreue sich mitkeilt, denu göttliche Untreue ist am besteu
;u bchalteu."

Hier erscheiut iu höherem und endgültigerem Wort, was unsre Aussührungcn
das Zusammeurauschen eines Meuscheu und einer Zeit und was sie die
Untreue der Zeit, die Tücke des Ruhms genannk haben. Hölderlin dars dies mit
dem dunkel crregendeu Namen „göttliche klntreue" uennen, da für ihn der
Gott mit der „Zeit" und mit dem Element überhaupt zusammensällt; wäh
rend für ims Zeit und Elemenk samt ihrer Zärtlichkeit und Untreuc, samt dem
Wahn und der Besinnung des Menschen zu der großen Ordnuug des obereu
Geistes gehören, der keine Untreuc kennt, sondern überall, auch im tiessten
Zrren, zur Wahrheik wirkt.

Peer Gynt

Zu Henrik Zbsens ioa. Geburtskag
Von Kurt Karl Eberlein

enu uns heute bei so mauchem Mangel etwas sehlt, so ist es die gcistigc

'^-^^Gcstalt des Dichters, der als die Stimme des Geistes, wie der Nation,
gleichsam als der Vertreter uuseres Kunstgewissens, als der Chorsührer
unseres Lebens gelten dürfte. Während jedes Zahrhundert, jede Epoche diese
Berusung erlebte, will es hcute uuser Schicksal, daß das Stimmgewirr der
Kronpräteudenken zwar cine Dichterakadenüe, nicht aber eiueu übcrrageudeu
Dichter zeigt, der sich selbst zu dem reinen Znstrument seines Volkes, seines
Geistes uud seiuer Zeik gestalkek hätte. Das deuksche Viclerlei der Staaten
und Stämmc, das ein einziges einiges Reich uicht mehr odcr uoch uicht bilden
darf, osscubart sich auch im geistigeu Reiche in den Vcrtretern der Dichtuug,
deuen dic einende Krafk des Vor-bildes uud des Vor-lebens fehlt. Darum
weudet sich der suchende Blick so geru zurück zu deu Dichtergejtaltcn srühercr
Epochen, die aus der Enge eiues heimatlichen Bodens echt und hoch cmpor
drangen und als Wahrzcichen des Natioualgeistes den Menschenaltern Früchte
uud Schatten, Erhebung uud Wcishcit spendeken. Diese Dichter kounteu wcit
über dic Grenzen ihrer Nakion hinauswirken, konntcn wechsclseitig auderen
Völkeru Erlebnis wcrden nnd völkereinigend europäische Reiche der Kunst
schasseu. Za, >ic kountcn ün 2luslaude heimisch werden nnd von der Fremdc
aus aus das Mukkerland zurückwirken. Dies alles haben wir erlebt und
haben gerade hcute Draug und Pslicht, cines Dichters zu gedeukeu, der, vor
huuderk Zahren geboren, fast eiu Menschenalter bei nns in Deutschland lebtc
iind iu dieser Wahlhcimat eiuc große geistige Bcwegung und Gesolgschaft
bcwirktc. Diescr Mann, der schließlich als der Vertreker des ueueu uordischen
Geistes köuiglich waltetc und sür uuscr Europa langc Zeit Borkämpser nud
Führer war, sei hicr ins Heutige uoch einnial beschworen, um gedenkcnd wic
dankend dies Lebenswerk wieder in seiuem ganzeu Werte zu begreifen imd vor
allem eine seiuer Dichtungen in ihrer bleibenden symbolischen Bedeutnng
liebevoll auszudeuten.
 
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