mcht im mindesten, daß es geschehen werde, als häLLe die Ranke Augen
und sähe die lebendige, freundliche Hand. Adrian stand dorL so lange, aber
nun ruhigcn AngesrchLs, daß ich müde wurde, zuzusehen.
„Bist du ein GärLner?" sragte ich ihn spätcr, leidlich verkrauk mit ihm.
„Warum ein GärLner?" anLworteke er, und als ich forkfuhr: „Ich sah dich
in den Bohnen", erröteke er. Er habe sie selbst gezogen, die prallen glänzenden
Samcn in die Löcher gesteckk, die er mit dem F'"ger in das BeeL gemachk hakke.
Gar bald häLLen sie die Erde aufgehoben, so sehr, daß manche von ihnen frei
lagen mik gespanntem Keim. „WahrhafLig", fügte er hinzu, „sie haben eine
lebendige Seele, sehen und lieben vielleichk." Ich wußke damals fchon, daß
Michaela ihn liebke, aber er Lat, als gehe ihn das nichks an. Eincs Tages
nun, da sie in der Schaukel saß, ganz skill, als schliefe sie, hörke ich Adriarr
mich rufen und kleLLerte über den Zaun zu ihm. „Sieh doch, sieh!" sagke er
erregt. Es war gegen Abend, und die Bohnen blühken damals eben. Adrian
saß bei ihnen auf einem Schemel (er haLLe wohl den ganzen Tag so gesesscn),
und um seinen Finger ringelte sich fcst eine Bohnenranke wie eine Schlangc.
Dies schien mir wunderbar genug, unr es Michaela zu zeigen, als ich ihr
GesrchL schon am Zaune sah. Sobald ich sie anredeke, wandte sie sich zornig
ab und verließ den GarLen, während Adrian lächelnd und behuLsam die Nanke
von seinem Finger löste. Nachks siieg Michaela über den Zaun nnd schniLL
die Bohnen alle kurz über dem Boden ab, zerriß die Blätker nnd streuke dic
lachsfarbeneu Blüken weik umher, daß alles verdorre.
Nachher sah ich Adrian lange nicht, hörke nur, daß aus ihm nichLs werde,
und enksann mich des WorLes: Sie haben wahrhafkig eine lebendige Scele,
und eines späteren: Es wäre schöner, einmal im Tode ganz spurlos hinübcr-
zugchen, LandschafL zu werden, Wolke, Baum, was sich auch bald im Kriege
erfüllte, dem er furchksam enkgegcnging. Ich sah ihn zuleHL, aufschreiend bei
jedem Schlag, der die Erde ringsumher Lraf, an einem Baum sich halken.
Tribüne
Hans Friedrich Bluncks Märchendichkung
Von Heinrich Ehl
^ ) e „Historie" von der schönen Lau nennt Eduard Mörike eine seiner anmutigsten
''^-^Dichtungen, in der ein uralter, echt dolkstümlicher Märchenstoff, durch Jahr-
hunderte von den Alten den jungen Geschlechtern überliesert, zu einer vollendeten,
künstlerisch bewußt geformten Erzählung umgeschaffen wird. Die Bezeichnung des
so entstandenen poetischen Werkes und der vorauügegangene SchaffenSprozeß scheinen
anzudeuten, daß Mörike sich zweier Tatsachen bewußt war, die Wesen nnd Mög-
lichkeit der Märchenerzählung nicht anders als jeder dichterischcn Form bestimmen:
die ursächliche Derwandtschaft des Märchenhaften und des Historischen — und die
ebenso widerspruchsvoll scheinende wie literarhistorisch und psychologisch nachweisbare
und begründete Dorhandenheit der bewußten und absichtsvollen Formulierung eines
als gegeben hingenommenen Stosses, die allein imstande ist, auü klberlieserung daü
Märchen als Kunstform wieder zu erschaffen und schöpserisch neu zu gestalten.
Aus der Phantasie des sormgestaltenden Dichterü und auü der zeugenden Berührung
25L
und sähe die lebendige, freundliche Hand. Adrian stand dorL so lange, aber
nun ruhigcn AngesrchLs, daß ich müde wurde, zuzusehen.
„Bist du ein GärLner?" sragte ich ihn spätcr, leidlich verkrauk mit ihm.
„Warum ein GärLner?" anLworteke er, und als ich forkfuhr: „Ich sah dich
in den Bohnen", erröteke er. Er habe sie selbst gezogen, die prallen glänzenden
Samcn in die Löcher gesteckk, die er mit dem F'"ger in das BeeL gemachk hakke.
Gar bald häLLen sie die Erde aufgehoben, so sehr, daß manche von ihnen frei
lagen mik gespanntem Keim. „WahrhafLig", fügte er hinzu, „sie haben eine
lebendige Seele, sehen und lieben vielleichk." Ich wußke damals fchon, daß
Michaela ihn liebke, aber er Lat, als gehe ihn das nichks an. Eincs Tages
nun, da sie in der Schaukel saß, ganz skill, als schliefe sie, hörke ich Adriarr
mich rufen und kleLLerte über den Zaun zu ihm. „Sieh doch, sieh!" sagke er
erregt. Es war gegen Abend, und die Bohnen blühken damals eben. Adrian
saß bei ihnen auf einem Schemel (er haLLe wohl den ganzen Tag so gesesscn),
und um seinen Finger ringelte sich fcst eine Bohnenranke wie eine Schlangc.
Dies schien mir wunderbar genug, unr es Michaela zu zeigen, als ich ihr
GesrchL schon am Zaune sah. Sobald ich sie anredeke, wandte sie sich zornig
ab und verließ den GarLen, während Adrian lächelnd und behuLsam die Nanke
von seinem Finger löste. Nachks siieg Michaela über den Zaun nnd schniLL
die Bohnen alle kurz über dem Boden ab, zerriß die Blätker nnd streuke dic
lachsfarbeneu Blüken weik umher, daß alles verdorre.
Nachher sah ich Adrian lange nicht, hörke nur, daß aus ihm nichLs werde,
und enksann mich des WorLes: Sie haben wahrhafkig eine lebendige Scele,
und eines späteren: Es wäre schöner, einmal im Tode ganz spurlos hinübcr-
zugchen, LandschafL zu werden, Wolke, Baum, was sich auch bald im Kriege
erfüllte, dem er furchksam enkgegcnging. Ich sah ihn zuleHL, aufschreiend bei
jedem Schlag, der die Erde ringsumher Lraf, an einem Baum sich halken.
Tribüne
Hans Friedrich Bluncks Märchendichkung
Von Heinrich Ehl
^ ) e „Historie" von der schönen Lau nennt Eduard Mörike eine seiner anmutigsten
''^-^Dichtungen, in der ein uralter, echt dolkstümlicher Märchenstoff, durch Jahr-
hunderte von den Alten den jungen Geschlechtern überliesert, zu einer vollendeten,
künstlerisch bewußt geformten Erzählung umgeschaffen wird. Die Bezeichnung des
so entstandenen poetischen Werkes und der vorauügegangene SchaffenSprozeß scheinen
anzudeuten, daß Mörike sich zweier Tatsachen bewußt war, die Wesen nnd Mög-
lichkeit der Märchenerzählung nicht anders als jeder dichterischcn Form bestimmen:
die ursächliche Derwandtschaft des Märchenhaften und des Historischen — und die
ebenso widerspruchsvoll scheinende wie literarhistorisch und psychologisch nachweisbare
und begründete Dorhandenheit der bewußten und absichtsvollen Formulierung eines
als gegeben hingenommenen Stosses, die allein imstande ist, auü klberlieserung daü
Märchen als Kunstform wieder zu erschaffen und schöpserisch neu zu gestalten.
Aus der Phantasie des sormgestaltenden Dichterü und auü der zeugenden Berührung
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