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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1924)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Wesen der Zeitschrift: zugleich ein Wort über den Kunstwart
DOI Artikel:
Häfker, Hermann: Zum Verständnis des Gilgamesch-Epos
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0022

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Strebungen, denen dcr gedient wird, die Ziele selber sind vom Heute geboren,
ins Morgen errichtet, im Äbermorgen vergangen. Liebe aber, die scheinbar
mit ihren Lrägern stirbt, ist unvergänglich als Erweckerin seelischer Kraft,
die über ihre Träger hinaus die Welt erfüllt und gestaltet. Vielleicht! Ware
es so, so wäre auch der Einrichtung, die das „Zeitliche" schon im Vamen
Lrägt, der Zeitschrift, ihr kleiner Anteil an überzeitlicher Wirkung beschieden
und gesichert. Wolfgang Schumann

Zum Verständnis des Gilgamesch-Epos *

Das Gilgamesch-Epos steht am Eingang der Weltliteratur, groß und
scheinbar unvermittelt, wie die Pyramiden als stofsliches Bauwerk, und in
seinen Baublöcken vielleicht aus derselben Zeit, als erste geschlossene Kunst«
dichtung etwa aus 2000 v. Chr. stammend. Es ist das am meisten über alle
nur archäologischen und fachwissenschaftlichen Interessen hinausragende Er«
gebnis der Keilschrift-Forschung, insbesondere der Ausgrabungen.

Es ist einer Äer kiefsten Eindrücke der Weltliteratur, daß gerade hier an
ihren Anfang sogleich mit sicherer tzand die größte Problemstellung gerückt
ist, die die Menschheit beschäftigt hat, und die sie so lange weiterbeschäftigen
wird, wie Phantasie und Dichtung das tzaupt- oder auch nur noch ein Ae-
benmittel ihrer Erkenntnis und ihrer Denksprache bilden werden: die Frage
nach dem Sinne von Leben und Tod. Aber nicht nur gestellt ist die Frage,
sondern auch endgültig gestaltet. Gewiß ist diese Gestaltung nicht ein Werk
des Dichters, sondern die Schöpfung eines Bolkes, dessen Namen, Sitz und
Zeit wir noch nicht nennen können, und sie ist nicht ursprünglich das Werk
des Dichters, sondern des Gelehrten im Magiergewande. Das Gilgamesch-
Epos wäre nicht denkbar ohne den ersten großen wissenschaftlichen Durch-
bruch des menschlichen Geistes, und es ist der wohl erste künstlerische Meder-
schlag jenes ersten Entdeckerrausches.

Die erste rein wissenschaftliche Entdeckung des Menschengeschlechts ist der
Himmel: der gestirnte tzimmel mit seinen nur dem beobachtenden und sinnen«
den Forschergeist zugänglichen, dann aber durch ihre Einfachheit und eherne
Gesetzmäßigkeit überwältigenden Erscheinungen. Gerade aus dem unendli--
chen tzeere verworren flimmernder Sterne heben sich ewig unveränderliche
Bilder ab, gerade durch sie hindurch ziehen einige wenige Gestirne ihre lang--
samen, majestätischen Bahnen, im ewig unveränderlichen Gleichschritt die
Zeit bändigend; gerade an diesem, den Begriffen von Raum und Zeit schein«
bar entrückten Gebäude sondern sich Reiche und Grenzen ab, die von mensch-
lichem Wandel unabhängig sind. Schräg gestellt zum größten Kreise der
taglichen Sternenbewegung, der den ganzen Raum in ein oberes und ein
unteres Reich teilt, ragt die gemeinsame Kreisbahn der sieben „Planeteu"
(einschließlich Mo'ttd und Sonne) bald triumphierend gewaltig bis fast zur
Zenithöhe, bald niedrig hinschleichend über unseren Horizont. Die Ent«
deckung des regelmäßigen Mondlaufs durch diesen durch die zwölf „Tier-
kreis^-Bilder gekennzeichneten Kreis gehört unmeßbar alten Zeiten an. Die
Entdeckung der gleichen Sonnenbahn scheint 5000 Iahre v. Chr. schon be-
endet; und mit dieser Entdeckung beginnt ein so unvergleichlicher Aufschwung

* Das Folgende ist ein gekürzter Teil des Nachworts zu unserer Ausgabe des
„Gilgamesch" in der Kunstwart-Bücherei (gehestet 1 M.» gebunden 1.50 M.),
welche tzermann Häfker besorgt hat. Wir bringen in diesem Heft auch Prvben
daraus. K-L

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