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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

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Heft 2 (Novemberheft 1924)
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Schumann, Wolfgang: Wilhelm Steinhausen
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Hoffmann, Paul Theodor: Der heutige Weg zu Gott
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0094

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grerfend — anstatt daß die Bilder selber ergreifen, erschüttert den Be--
trachter dann Erinnerung, Ahnung oder Selbsthinzugesonnenes, und dann
stehts freilich nicht gut mit dem Werk. Denn ein Kunstwerk ist stark, wenn
es ist, nicht wenn es an etwas erinnert.

Ich begnüge mich, diesen Sachverhalt in Lrinnerung zu bringen, ohne
noch allzu breit auf Steinhausens Schaffen einzugehen. Mir scheint es
. deutlich, daß er neben Werken, die sind, solche geschaffen hat, die mehr
an etwas „erinnern". Daß er nicht jeden Augenblick, nicht zu jedem Werk
die artistischen Mittel zur Verfügung hatte, sein inneres Anliegen rein-
genau darzubringen, umzusetzen in malerisches oder zeichnerisches Ge-
bilde. Es scheint nach dem Buch „Aus meinem Leben", daß er selbst,
zweifelvoll wie er war, dies irgendwie gewußt habe. Freilich betont er
fein und unzweideutig mehr als einmal, es komme doch nicht allein
darauf an, sondern auch die Art, Bedeutung und Tiefe der Anliegen eines
Menschen seien wichtig, ja sie seien besonders wichtig; und damit sprach
er in einer anders-gerichtet-einseitigen Zeit eine eigentlich doch unent-
behrliche Wahrheit aus. Aber eben auch die andere Wahrheit ist wahr,
und er scheint gefühlt zu haben, daß er ihr schöpferisch nicht durchgehends
gerecht wurde.

Wir nun halten uns tunlich an diejenigen seiner Werke, deren innerstes
Anliegen ganz Gebilde zeichnerischer oder malerischer Qualität geworden ist.
Und welche Fülle tut sich uns da auf! Sch.

Der heutige Weg zu Gott

ott, erhaben über Raum und Zeit, ist schlechterdings unvorstellbar —
und doch ist es notwendig, daß die Menschen, um überhaupt mit dem
Göttlichen in Verbindung zu treten, Gott sich vorzustellen versuchen.

Die Gottesvorstellung ist eine menschliche Notwendigkeit. Warum?

Wir sind Wesen, die nirgends absolut, sondern immer in der tzülle der
Erscheinungen existieren. Anser Denken ist an Vorstellungen ge-
bunden. Ein vorstellungsloses Denken gibt es nicht; denn mit der aus den
Empfindung^n erwachsenen Vorstellung hebt unser Denken an. Ls
ordnet die Merkmale der Vorstellungen zu Begriffen, und es vermag
schließlich zum Musterbild des Begrisfes, zur Idee vorzudringen; ein
handgreifliches Beispiel: Meine Empfindungsorgane Auge, Nase, Last-
gefühl vermitteln mir die Vorstellung von Farbe, Duft, feuchter Kühle der
Nose. Aus den Merkmalen dieser Vorstellungen entwickelt sich der Begriff
„Rose"; dann weiß ich, ganz bestimmt zusammen auftretende Vorstellungen
von Farbigkeit, von Dornen am SLengel, von frischen, in bestimmter Art
geäderten Blättern, von einem besonderen Leuchten, Duften usw. sind
nötig, damit ich den vor mir erscheinenden Gegenstand „Rose" zu nennen
habe. Darüber hinaus aber kann ich mir das Musterbild einer Rose, einer
vollendet schönen Rose denken, die in der Wirklichkeit nicht angetrosfen
wird. Das wäre die Idee der Rose. Deutlicher wird diese Tatsache noch
beim Begriff „Mensch". Aber die Unvollkommenheit des Menschen, wie
er begrifflich uns überall entgegentritt, hinaus ahne ich einen höheren
Menschen, der das Muster reinen Menschentums verkörpert; die Idee des
wahren, schönen und guten Menschen.

Freilich, eigentlich erfahren kann ich die „Ideen" von den Dingen
nicht, ich kann sie nur intuitiv erahnen; denn das Vollkommene ist uns
 
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