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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

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Heft 6 (Märzheft 1925)
DOI Artikel:
Das Geschenk des Lebens
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Schumann, Wolfgang: Zwischen Gestern und Morgen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0291

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„Ausgezeichnet! Den Nagel auf den Kopf getroffen hast du!" antworte
ich sogleich und mit Freude. „Völlig recht hast du! Mit deinen Lehrern
müssen wir reden! And zwar bald und gehörig! Sonst — bei Gott! —
wirst auch du ohne Sinn in der Hasengasse verderben!"

Zwischen Gestern und Morgen

Von Wolsgang Schumann

II

in Buch von „heute", ganz und gar, Buch der Aberwindung nicht des
L^^Gestern allein, sondern alles Gestern, des ewig-Gestrigen, über«

winderisch Zug für Zug, und hinausgreifend ins Morgen: Albert
Trentinis Roman „Die Geburt des Lebens" (Stiepel, Reichenberg
1924). Nicht widerfahren einem passiven Iüngling hier Zufälle, nicht
werden sentenziöse Gespräche über ihn ausgegossen, dieser Alexander
Trentinis hat die Welt fühlbar erobert und wertet sie, ringt leiden-
schaftlich um endgültige Stellung zu ihr- mitten drin im Strom durchlebter
Ereignisse handelt er. Seinem eingeborenen Charakter ist das Leben
nicht halb und halb lebenswerter Gegenstand der Betrachtung oder der
Diskussion, sondern durchaus die furchtbarste Charakterprobe. Cr betritt
die Bühne als Verneiner dieser Welt von heute; er tut Glücksmöglichkeit um
Glücksmöglichkeit, Lntfaltungsmöglichkeit um Entfaltungsmöglichkeit, Be»
ziehung um Beziehung von sich ab; er sagt der Wissenschaft, der Kunst als
ungenügend dem höchsten Willen ab; er entreißt sich der Religion seiner
Iugend, die ihn nicht halten kann,- er reißt Freundschaft, Liebe und Trieb
aus seinem Wesen bis zu den letzten blutenden Wurzeln hinunter; aus
sich heraus schafft er das symbolische Bild dessen, der er um jeden Preis
sein will, des allfreien Vollkommenen: ein Marmorwerk,- am Ende seines
Verneiner- und Selbstbildnerwerkes, das ihn der Erde entfremdet, als
nichts mehr ihm gilt, es sei denn die Vollendung seines zeitlosen Wesens,
wird dem Gemarterten, Erkrankten die Warnung, daß er — im Wesen-
losen gelandet sein möchte; daß er mit den freilich nichtswürdigen zeit»
lichen und persönlichen Ausprägungen und Gestalten des Lebens das
Leben selber von sich abgetan haben könnte, daß die Antithese „Ab-
solute Vollkommenheit wider Leben mit Konzessionen an Schwäche und
Zeit^ vielleicht Tod bedeutet, weil jene nicht vergönnt sein, weil es ein
„absolutes" Leben nur in der Welt, in die wir geboren, geben, weil höchster
Mut der verzweifelten Verneinung umschlagen könnte in tzochmut un«
sruchtbarer Selbst- und Nur-Selbst-Läuterung. Diese Warnung ist gewiß
die Wahrheit! Auf dem Gipfel der tzeiligkeit gehen wir über ins Nichts.
Asien bejaht das, Europa verneint es. Trentinis Alexander, ein Euro-
päer, wagt kein Ia; er spricht es aus: das neue, in Wahrheit zu erringende,
des Ringens werte Leben kann „nur ein Erzeugen sein", ein „tzervor-
bringen", auch das konsequenteste Nein kann nur um eines solgenden Ia
willen durchlitten worden sein. Mit einer gewaltigen Spannung sieht der
Leser entgegen der Lösung, die Trentini für das so aufgeworfene Problem
bereit Hält. ...

Der Fortgang des Romans ist dieser: Gewillt zum „tzervorbringen",
zur wesentlichen Erfüllung, findet sich Alexander hin zu der Frau, die
er seit je liebte und noch liebt,- Esther erwidert, endlich sich hinweghebend
über alle „gestrige" Konvention, seine Liebe. Ein neues Dasein Beider

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