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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1925)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Zwischen Gestern und Morgen, [2]
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Schumann, Wolfgang: Max Liebermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0294

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Schlechten. Es strahlt hell von rhr, aber es glostet auch in lichtloser Glut
davon, es wird von ihr beflügelt und belastet zugleich. Ls ist ein schlechthin
„heutiges" Schicksal.

Wohl ist hier nichts mehr Psychologie, nichts Soziologie, nichts Zeit«
gesinnung, nichts tzandwerk, nichts saubere, gepflegte Wendung. Alles
aber Schöpfung. Fünfzehn Iahre nach dem Gipfeltage des Gestern
finden wir uns wohl in anderer Welt. Aber nun steht das Leben selber
noch zur Frage und wird erst geschaffen, indem es zur Frage gestellt wird.
Noch sind Urkräfte im Spiel, die vulkangleich das Neue herauspressen,
noch sind aufquellende Masse und bändigender Geist nicht in tzarmonie.
Doch schon schießt es in neuen Werken zusammen; schon beginnen sie zu
zeugen; schon sind sie umwittert vom tzauch der „Tat" — die Bahn zum
Morgen ist beschritten.

Wie die gegenwärtige und noch mehr die kommende Zeit, so ist das
Buch Trentinis: voll von Willen und Selbstleben, hart und streng, knapp
und schnellend, von Verantwortungbewußtsein getragen, suchend, findend,
behauptend, zielstrebig. (Fortsetzung folgt)

Max Liebermann

^Mit diesem tzeft zugleich erscheint die neue Auflage der Lieber-
mann-Mappe des Kunstwarts. Unbestritten gehört sie zu den wert-
haltigsten unserer großen Künstlermappen. Sie bringt auf Karton 23 Werke
Liebermanns, dazu im Text 21 Wiedergaben von Porträts, Radierungen
usw. Wir haben uns angelegen sein lassen, ihr auch eine Probe des
Altersschaffens Liebermanns beizugeben. Dieses Bild in farbiger Nepro-
duktion enthält auch das vorliegende Kunstwartheft (Blaue Beete). Von
der Alterskunst Liebermanns ist am Schluß des solgenden Aufsatzes be-
sonders die Rede. — Wir geben hier wieder einen Teil des neuen Geleit-
wortes der Mappe, das Wolfgang Schumannan Stelle der früheren
Abhandlung geschrieben hat.^j

A

ls dieses Werkes erste Ausgabe erschien, wandte sich Ferdinand
Avenarius mit seinem Geleitwort noch an die Rufer im Streit
um Max Liebermann. Zehn, fünfzehn Iahre vorher, so erinnere
ich mich aus meiner frühen Kindheit, daß die ersten Wellen von „Impres-
sionismus" an unser unerfahrenes Ohr schlugen, und daß junge, überzeugte
Männer der „neuen Kunst" zu Vorkämpfern wurden. Gründlicher hat
sich nie ein Blatt gewendet; heute ist der Impressionismus als Stil die
Kunst der Gestrigen, und die Pfeile, die seine Iugend einst ritzten, sind
verwandelt in Speere, welche den Ergreisten zu Tode treffen sollen, weil er...

Wozu dieses alles? Mag der Impressionismus bewertet werden, wie
immer dem oder jenem es behagt, wir haben Max Liebermann vor
uns, einen Impressionisten ganz von reinster Prägung, aber jenseits
alles Streits der Richtungen, einen Meister. Ilnd es wird dabei bleiben:
Wer ein Meister geworden ist, erhebt sich unvermerkt und unabstreitbar
allmählich über das Gewoge der Tages- und Iahreskämpfe und grüßt mit
seiner Sprache die Meister anderer Zungen — sie verstehen einander,
die so Herausgehobenen, und vor dem Klang ihres stummen Gesprächs ver-
hallt das Gerede.

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