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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

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Heft 3 (Dezemberheft 1924)
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Schumann, Wolfgang: Die Sendung des Expressionismus
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Isländergeschichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0143

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falls noch nicht, wie die Lrnten auf bildnerischem Gebiete schon sichtbar sind.
Und dürfen wir sie ahnen, ja vorher kennzeichnen, so müssen vielleicht andere
Worte fallen als für die Bildwerke der beginnenden Zukunft. Mir will vor
allem scheinen, als habe die Musik eine Zeitlang der Größe entbehrt.
Das neue Klangwesen, der neue Willensweg wurde in kleinen SLücken von
wenigen Zeilen am sichersten gefunden. Da wurden die Sprachmittel der
Zukunft erprobt. Doch wurde einstweilen noch nicht viel Bedeutendes ge-
sagt. Die gefundenen Llemente dienstbar zu machen dem Werk großer
Form, das gewichtige Gehalte austönt, scheint mir die Aufgabe der Zeit.
Von selber, so dürfen wir hoffen, wird sich dann die Aberfülle derAusdruck--
mittel, das Spritzige und Äbsurde, das Aberhitzte und nur-Befremdliche
verlieren, das heute gelernten Ohren der Merker so wehe Lut und so viel
Wut erzeugt. Denn das große Werk duldet seinem Wesen nach nicht die
Laune und nicht den zeitlich-reizvollen oder ^rufreizenden Linfall. ,

Was aber ware der Sinn, wenn es so käme? Auch hier nichts andres
als eine neue Klassik, ob man ihr nun diesen alten Ehrennamen gönne oder
nicht: die reife und volle Kunst des großen, vollen Weltgefühls, das unver-
merkt in den Tiefen des Menschlichen ein absinkendes abgelöst hat und nun
in tausend Ausprägungen ans Licht tritt. Sch

Zsländerges chichten *

s scheint zum Gang der Kunstentwicklung zu gehören, daß, was der
Arbeitsteilung und damit der Fachbehandlung erliegt, aus der ernsten
Kunst ausscheidet.

So erging es der Kriminalgeschichte. Sie stand einst auf der tzöho der
Kunst. Das Schlußstück der Orestie stellt eine Gerichtsverhandlung dar, in
der für unseren Geschmack recht kniffliche Aragen erörtert werden. Die am
meisten gefeierten Kunstwerke der römischen Literatur sind Prozeßreden.
Auf den Höhen des dramatischen christlichen Mythos stand der Kriminal-
prozeß wegen Genugtuung und Stellvertretung.

Auch die isländische Erzählungskunst des elften bis dreizehnten Iahr-
hunderts — die strengste Prosakunst vielleicht, !die es gegeben hat —, 'ist
noch sehr stark Kriminalerzählung. Man könnte fast die Vermutung wagen,
daß sie aus der Kriminalüberlieferung entstanden sei: Der tzauptunterricht
des isländischen Edlings, soweit geistige Ausbildung in Frage kommt, war
die Nechtskunde. Das Necht war noch in der Lntstehung begriffen, war für
diese Zeiten und Geschlechter noch völlig Hypothetisch, eine Ergänzung des
Waffenkampfs, ein Versuch, den ernsthaften Kampf von unwichtigeren Streit-
gegenständen zu entlasten und der gegenseitigen Ausrottung der Geschlechter
in der Blutrache ein Ziel zu setzen, — dann auch eine feierliche Einleitung
des Kampfes.

* Seit der Kunstwart begann, der altnordischen Dichtung in Deutschland wie-
der Eingang zu verschaffen, ist eine Flut von derartiger Literatur über uns ge-
kommen. Wir halten es für angezeigt, auf diesem Gebiete besonders das Schaffen
von Arthur und Beate Bonus hervorzuheben. Von Bonus erschien in der
Kunstwart-Bücherei neuerdings die „G e s ch i ch t e v o n d e n V erb ündet e n";
aus dem Nachwort dazu ist das Folgende abgedruckt. Es erschien ferner das
Olaf-Buch (bei Thienemann, St.); eine Besprechung dieses Werkes ist hieran-
geschlossen. Ein drittes nordisches Buch ist die Geschichte von Heming,
von Beate Bonus. Aus dieser bringen wir inden Losen Blättern eineProbe. K-L.
 
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