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Kunstwart und Kulturwart — 38,1.1924-1925

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Heft 4 (Januarheft 1925)
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Wauer, William: Naturalismus und Kunst
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Pechmann, Günther von: Qualität, Stil und Export
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https://doi.org/10.11588/diglit.14441#0194

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Bei inusikalischen Kunstwerken verlangt kein Mensch zu wissen, „waS eS
bedeuten soll", kein Mensch hält es für notwendig und möglich, daß die
Musik eine Bedeutung als Baturwiedergabe hat oder gar einen gegenständ»
lichen Sinn.

Warum ist jeder Mensch ohne weiteres überzeugt, daß die Nachahmung
von Nachtigallengesang keine Kunst ist? Warum verlangt dieser selbe
Mensch, daß eine Farbenkomposition von Rot, Gelb, Violett und Hellgrün
durchaus einen Sonnenuntergang darstellen muß, um als Kunstwerk zu
gelten?

tzaben Farben nicht ebenso selbständiges Leben und eigene Reize wie
Klänge?

Wie kommt es aber nun, daß auch der Laie in der Musik bereiLS auf
festem künstlerischen Standpunkt steht, während er der Malerei und Bild-
hauerei gegenüber sich zu einem künstlerischen Verständnis noch nicht durch-
gerungen hat?

Diese Frage findet ihre selbstverständliche Antwort, wenn wir annehmen,
vaß Vte musikalische Kunstübung auf eine längere Lntwicklung zurückschaut
und älter ist als ihre Schwesterkünste.

Auch die Baukunst und die Kunst der lebendigen Kraft, die Tanzkunst,
scheinen älter zu sein als Bildhauerei und Malerei, denn sie folgen einzig
und allein ihren eigenen Gestaltungsgesetzen, während in Bildhauerei und
Malerei unvernünftige und den Künsten wesensfremde Anforderungen nicht
nur erhoben, sondern auch vom größten Teil der irrenden Künstler noch
ausgewirkt werden.

Nicht einmal die primitivste Negermusik bedeutet mehr oder anderes,
als sie gibt, nämlich rhythmische Geräusch« und Tonauswirkungen. Sie ahmt
nicht etwa natürliche Geräusche nach oder will solche nachahmen. Lin
Trommler macht nrcht Lrommelgeräusche auf seiner Trommel nach, er er-
zeugt sie: Tonformung und Toninhalt sind eins.

Die Forderung „Naturalismus" der Malerei und Bildhauerei gegeirüber
— unterNaturalismus jede Forderung vonWiedergabe der Gegenständlichkeit
verstanden — ist in keiner Weise aus dem Wesen der Malerei und Bild-
hauerei oder sonst einer Kunst heraus zu begründen.

Der Erkenntnisdrang des Menschen ist nicht sein Kunstdrang; aus Ver-
stehen und Wissen entsteht nie Kunst. .

Kunst lebt aus und wirkt nuf Unterbewußtsein.

Sie lebt aus der menschlichen Sinnlichkeit und vergeistigt sie durch Forin»
gestaltung — nicht durch Verständlichmachung oder Lrklärung.

Naturalismus als Kunst ist und bleibt ein Widerspruch in sich selbst.

William Wauer

Qualität, Stil «nd Export*

ie Qualität eines gewerblichen Erzeugnisses wird bedingt durch
die Güte des Materials, der Technik und der Form. Unter „Form"
sind hierbei alle Ligenschaften des Lrzeugnisses begriffen, welche

seine ästhetische Wirkung bedingen. Dieser Qualitätsbegriff ist eine Lrwei-
terung des älteren „technischen" Qualitätsbegriffes. Durch das tzinzutreten

* Der folgende Aufsatz ist geschrieben vom Verfasser eineS heute viel be-
achteten Buches „Die Q ua litätsa rb e it", darin Herr von Pechmann auf
etwa 300 Seiten eingehend und mit Nachdruck alle aktuellen Fragen der
 
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