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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 1
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Sutter, Conrad: Der Garten ein Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0014

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1

ewig fruchtbaren Boden einer wohl-
verstandenen Kunsttradition. Auf
dieser Grundlage - mit den Wur-
zeln das Alte umfassend — kann
sich allein eine neue Formen ge-
staltende, zeitgemäße und die Kultur
unsrer Zeit widerspiegelnde Kunst
entwickeln. Aus dieser gesunden
Auffassung heraus hat man auch
wieder den Weg zu einer Garten-
kunst gefunden. Der Baukünstler
hat erkannt, daß der Garten ge-
wissermaßen die erweiterte Woh-
nung bedeutet, und daß er selbst
nicht nur das Recht, sondern auch
die Pflicht hat, seine Kunst über die
Umfassungsmauern seiner Häuser auszudehnen. Wir fangen
wieder an zu verstehen, daß man die Kunst auch in die Natur
hineintragen darf, wenn wir die Umgebung unsrer Wohn-
stätte zum Aufenthalt im Freien, zum Genuß der Schönheiten,
welche die stets erzeugende Natur uns schenkt, gestalten,
nach dem uns innewohnenden formenden und schmückenden
Kunsttriebe.
Wir wollen und können nicht durch unsre Kunst er-
setzen, was die unendliche, gewaltige Natur in ihrer Mannig-
faltigkeit in den Wäldern ihrer Berge, in den stillen Wiesen-
tälern, in ihren Wasserläufen und allen andern nicht zu er-
schöpfenden Schönheiten bietet. Solche Nachbildung der



Garten

der Architekten L. F. Fuchs und A. Koch in Darmstadt.

Natur kann immer nur ein verzerrtes, trübes Spiegelbild geben,
dem die Unwahrheit aus allen Zügen blickt. Man kann die
Natur nicht in solcher Weise sich untertan machen, aber man
kann und soll sie zur Lehrmeisterin aller Kunst erwählen,
jener echten Kunst, die schöpferisch gestaltet, was sie im
großen Vorbild »Natur« erblickt.
Die »Ausstellung« ist im guten Sinn - eine öffent-
liche Prüfung. Dort wird das in ernster Arbeit, in der Stille
gewordene Werk gezeigt, dort messen sich die Kräfte, und
sowohl der Erfolgreiche wie der Unterliegende werden aus
solchen Wettkämpfen, bei denen eine allgemeine Kritik geübt
wird, ihre Lehre ziehen für die weitere Entwicklung. Ver-
schiedene Ausstellungen der jüngsten Vergangenheit haben
auch die Gartenbaukunst in ihr Bereich gezogen. In erster
Linie waren es führende Künstler der modernen Bewegung,
welche hierbei den Gärten die künstlerische Gestaltung gaben
und ihre Tätigkeit auf dieses Gebiet erweiterten.
Daß man in Darmstadt bei einer Gartenbauausstellung
einen sichtbaren Fortschritt künstlerischer Kultur im Gartenbau
zu erwarten hatte, konnte man wohl von vornherein erwarten.
Das Protektorat des Großherzogs mußte in diesem Falle dahin
gedeutet werden, daß der Künstlerschaft und besonders der
Kunst Olbrichs, die von jeher dem Garten eine besondere
Beachtung schenkte, ein breiter Einfluß gewährt sei.
Selbstverständlich kommt die technische Seite des Garten-
baus mit all ihren Kulturen und Erzeugnissen auf der Aus-
stellung stark zum Ausdruck, und der Fachmann, der Gärtner
selbst, ist es ja auch stets, der die Durchführung der Künstler-
pläne ermöglicht. Aus diesem Zusammenarbeiten des Tech-

nikers mit dem
Künstler wird
aber die Tech¬
nik für das
breite Gebiet
ihrer Betätigung
die Nutzanwen¬
dung ziehen.
Wie eine gute
Baukunst auf
das technische
Bauwesen ihren
Einfluß ausüben
wird, wie aber auch für die große Menge der Nutzbauten die
direkte Betätigung des Künstlers ausgeschaltet werden muß,
und diese dem Techniker überlassen bleibt, so wird es ähn-
lich im Gartenbau sein müssen. Es ist nicht durchführbar,
daß die Gestaltung jedes Gartens durch Künstler geschieht;
jede Zeit aber, die eine wirkliche Kunstkultur besaß, verfügte
auch über ein Handwerk, über eine Technik, welche durch-
drungen waren von der herrschenden Kunstanschauung. Man
hatte eine geläuterte Geschmackskultur, die mit der Kunst-
kultur Hand in Hand ging. Haben wir erst die noch vielfach
auf uns lastende Unkultur, die uns das 19. Jahrhundert in dieser
Beziehung gebracht hat, überwunden, so wird die kommende
Zeit aufsteigend auf dem Wege vorwärts schreiten, an dessen
Anfang wir eben stehen.
Was die Architekten auf dieser Ausstellung geleistet
haben, verdient insgesamt Anerkennung und bedeutet einen
Fortschritt für die Gartenbaukunst. — Durch alle diese Arbeiten
geht der gemeinsame Zug, den Garten als die erweiterte
Wohnung zu betrachten, eine ordnende Einteilung für die ver-
schiedenen Zwecke zu treffen, die dafür geeigneten Formen
zu finden, aus der Verbindung von Form und Farbe ein künst-
lerisches Gebilde zu schaffen, das uns eine wohlgefällige Um-
gebung bietet und sich schließlich steigert zum vollendeten
Kunstwerk, mit dem wir unsre Wohnstätte schmücken.
Die Anlage, welche Architekt J. Chr. Gew in (Darmstadt)
als »Unser Garten bezeichnet, würde seiner Ausdehnung
nach, namentlich wenn andre Gärten angrenzen, schon für
ein Familienhaus genügen. Gewin denkt sich dabei seinen
Garten zwischen Wohnhaus und Landstraße gelegen und
gliedert ihn danach in einen kleineren Vorgarten und den
eigentlichen Wohn- oder Hausgarten, dem noch Spielplatz
und kleiner Gemüsegarten seitlich angegliedert ist. Die Art,
wie der Eintretende durch eine kleine Vorhofnische Einlaß
findet und dann, sich zur Rechten oder Linken wendend, auf
parallelen Wegen, die in der Tiefe wieder zu einem Brunnen-
platz zusammenführen, durch den Garten dem Hause entgegen
geleitet wird, oder wie im Vorgarten die Einteilung auf dessen
weniger intime, die Einleitung in die Wohnstätte vermittelnde
Bestimmung hinweist, und wie dann im eigentlichen Haus-
garten die Gliederung schon den Bedürfnissen des längeren



Garten

der Architekten L. F. Fuchs und A. Koch in Darmstadt.
 
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