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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 1
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Sutter, Conrad: Der Garten ein Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0013

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1Q06

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1


Der gelbe Garten.

Architekt: Professor J. M. Olbrich in Darmstadt.

Der Garten ein Kunstwerk.

Von Professor Conrad Sutter.

ie Gartenbauausstellung in Darmstadt, zu
welcher der Großherzog Ernst Ludwig den
durch einen herrlichen alten Baumbestand und
eine großzügige Gesamtanlage ausgezeichneten
aus der Zeit Ludwigs XIV. stammenden
Orangeriegarten überlassen hat, ist in Bezug auf die Förde-
rung der Gartenbaukunst als ein bedeutsames Unternehmen
zu betrachten. Als in den letzten Dezennien des vergange-
nen Jahrhunderts ein historischer Stil nach dem andern repro-
duziert wurde, als unsere Baukunst künstlerisch völlig ent-
kräftet war, und man sich mit der Nachahmung vergangener
Baukunstperioden, mit der Stilarchitektur, behalf, konnte man
bezeichnenderweise seitens der Architektur keine innige
Beziehung zur Gestaltung des Gartens finden. Es war eben
die Herrschaft der toten Form. Die Zusammensetzung von
Formen aber, welche man im Bauwesen für Baukunst nahm
und die eine völlige Kunstentfremdung mit sich brachte, konnte
in der Gartenbaukunst nicht einmal zu solch schwacher Nach-
ahmung vergangener Kunst führen, wie es bei der Architektur
der Fall war, weil es hier nicht jene starke und festgefügte
Formensprache gab, in welcher die verschiedenen historischen
Baustile ihren ganz bestimmten Ausdruck fanden. — Man
kam deshalb, gleichfalls dem allgemein anerkannten Nach-
ahmungstrieb folgend, auf ein andres Gebiet im Bereich der
Nachahmung. Die Zeit der romantischen Schwärmerei schuf
uns Gärten mit Ruinen, und über diesen schlimmsten Natura-
lismus hinaus, über imitierte Felsengruppen, durch wilde
Schluchten mit Wasserfällen und an »malerischen« Seen mit
obligaten Schwänen vorbei kam man zur verallgemeinerten
Nachahmung der Natur in der sog. Landschaftsgärtnerei. Der
Künstler überließ den Garten völlig dem Gartenbautechniker


dem Landschaftsgärtner. Wie hinter der schweren Haus-
türe seiner Palazzofassade selbst dieser schwache Abklatsch
vergangener Kunstschönheit aufhörte und der Innendekorateur
mit Marmorimitation, Stuck und schlechter Vergoldung das
solide Bürgerhaus in die mehr als zweifelhafte Situation auf-
geblasenen Protzentums brachte, so hörte auch vor der Haus-
türe die künstlerische Betätigung des Architekten auf, die er
höchstens noch auf die »geschmackvolle« Umrahmung der
als Vorgärten bezeichneten, hundezwingerartigen Errungen-
schaften neuzeitlichen Städtebaues ausdehnte.
Mit den ernsten Bestrebungen, unsre Kunst aus den
Banden des Stilformalismus und von der Mißhandlung durch
Nachahmungsartisten zu befreien, kamen wir wieder auf den

»Unser Garten«. Architekt: J.Chr. Oewin in Darmstadt.


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