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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 10
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Der Friedhof auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906: Entwurf der Gesamtanlage: Architekt Max Hans Kühne
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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 10

Einblick in den Friedhof. Architekt: Max Hans Kühne in Dresden.


sein wird. Hätte
der Künstler des
Friedhofs die
Aufgabe gehabt,
auf unbeschränk-
tem Raum den
Friedhof darzu-
stellen, wie er
ihn sich denkt,
so glaube ich,
hätten wir bei
demselben Inhalt
eine ganz andre
Form zu sehen
bekommen.
Die Fried-
höfe der Groß-
städte werden
noch für ziem-
lich lange Zeit —
bis die Verbren-
nung allgemein
an Stelle des Be-
grabens getreten
sein wird —
große, freie Ge-
lände möglichst
abseits von den
menschlichen
Wohnungen er-
fordern und da-
her scheinen mir
die Anlagen H.
Grässels in Mün-


Schmiedeisernes Grabkreuz.
Entwurf von Jul. Diez
in München.
Ausführung von
Ludw. Hielermeyer daselbst.

Grabrelief.

Professor Karl Groß
in Dresden.

ständigen Ausstel-
lungsgebäudes —
zunächst nicht ge-
eignet war, die
Frage: Wie soll
ein Friedhof in Zu-
kunft aussehen?
klar und uneinge-
schränkt beant-
worten zu lassen.
Der Ort zwang
förmlich zum Kom-
promiß , zur Ku-
lisse, zur Darstel-
lung eines Gelän-
des, wie es in
Wirklichkeit bei
uns wohl selten
ähnlich zu finden

Familiengruft. Architekt: Oskar Menzel in Dresden.
Ausführung: Bildhauer Herrn. Fritz in Dresden.

Kindergrabmal aus Holz.
Architekt: Professor Fritz Schumacher
in Dresden.
Ausgeführt von den Dresdener Werkstätten
für Handwerkskunst.

chen, die sich den Cimitero in Genua u. a. zum Ausgangspunkte genommen
haben, dafür die folgerichtige Entwicklung klar und glücklich anzukünden.
Bei dem Dresdener Friedhof, auf einer Fläche von noch nicht 40 : 40 m,
konnte ein Versuch solcher Lösung kaum gewagt werden.
Aber nicht nur die Großstadtfriedhöfe entbehren der künstlerischen
Weihe, des stimmungsvollen Zaubers, mit dem jeder echte, innerliche
Totenkult die Ruhestätten der Dahingeschiedenen umgibt. Auf den Fried-
höfen der Dörfer und Kleinstädte sieht es heute leider nicht besser aus,
und wo noch alte Schönheiten vorhanden sind, werden sie erbarmungs-
los vernichtet, um nur ja ebenso trostlose schnurgerade Gräberreihen mit
abscheulichen Steinungeheuern herzustellen. Wie drin-
gend tut auch da überall gründliches Besinnen und ernste
künstlerische Mitarbeit not! Und dafür gibt M. H. Kühnes
Friedhof, auf den man ja aus den bäuerlichen und klein-
bürgerlichen Stuben der Volkskunstabteilung hinaus-
schreitet, die unmittelbare Lehre!
Vielleicht aber greift er noch weiter aus, — hinaus
über die Zeit, da die Menschen noch unter dem Druck
von Vorurteilen und veralteter Überlieferung sich be-
graben lassen müssen — und zaubert uns das Bild
einer Zeit vor, in der von Obrigkeits wegen die Ver-
brennung vorgeschrieben ist.
Dann allerdings brauchen wir keine weiträumigen
und künstlerisch
schwer zu bewäl¬
tigenden Campi
santi mehr, dann
können die Fried¬
höfe auch in der
Großstadt wieder
alsfreundlicheGär-
ten mäßigen Um¬
fangs im Schutze
der Kultgebäude,
im Herzen der
Stadt zu Orten
weihevoller Stim¬
mung und Er¬
bauung werden.
Dann werden viel¬
leicht auch in den
Großstädten wie¬
der Friedhöfe ent¬
stehen, wie M. H. Kühne uns einen
vor Augen geführt hat.
Soviel über die Form! Der
Inhalt an Denkmälern und Gräbern
ist so vielgestaltig, so verschieden
nach Größe, Material und Auffas¬
sung, daß einer, der sie losgelöst
aus ihrer Umgebung nebeneinander¬
gestellt sehen würde, etwa wie die
einzelnen Bilder in diesem Hefte
gegeben werden mußten, wohl an
der Aufgabe verzweifeln möchte, sie
alle auf kleinem Raum friedlich
unterzubringen.
Und doch ist dies dem Archi¬
tekten gelungen, so sehr gelungen,
daß man — ich möchte sagen: zu¬
nächst die einzelnen Grabmale gar
nicht sieht. Wie jn einem guten

- tlll 11 auillCl 1OU1 OL111C1 W 111KC1 111111dl 1111
Getriebe der großen Ausstellung —, so liegt der Friedhof da,
Hin AP+^iinnn- für Friori 1-,iz,,v,un(j man vergißt die Täu-
einem Grab zum

Der Friedhof
auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.
Entwurf der Gesamtanlage: Architekt Max Hans Kühne.
Mit 14 Bildern.
hohen Mauern umschlossen, von derbgegliederten barocken
u Gebäuden überragt, — ein träumerisch stiller Winkel mitten im

die Abteilung für Friedhofkunst,
schung und wandelt mit derselben scheuen Andacht von
andern, als schliefen sie darunter den ewigen Schlaf.
In ungezwungener Unregelmäßigkeit steigt der rasen-
bewachsene Boden von einer Ecke zur andern hinan,
üppiger Baumwuchs steht darauf, in der einen Ecke eine
Kapelle, daran sich nach der einen Seite Grabnischen
und Grüfte, nach der andern ein steinerner Laubengang
anschließen, endlich ein großes, derbgemauertes Wasser-
becken in der Ecke am Eingang, in das die wilden Rosen
hineinhängen und das mit seinem Plätschern die Stille
belebt — wir sind in Tirol, in einem jener malerischen
kleinen Friedhöfe, die von Arkaden umgeben, vom Zauber
der Zeit und eines sinnigen, kunstreichen Totenkults
übersponnen, im Schutze der Berge oder im Frieden eines
Klosters daliegen und unser Entzücken bilden, so oft
wir sie als Wanderer betreten.
Daß ein solcher Hintergrund sich für die Dar-
bietung modernster Kunst eignen würde, hätten wir
nicht gedacht. In München auf der Ausstellung »Kunst
im Handwerk« 1905 war derselbe Versuch,, allerdings
unter ungünstigsten Platzverhältnissen, mißglückt. Wir
müssen uns gegenwärtig halten, daß auch in Dresden
der für die Friedhofkunst verfügbare Raum — einer der
beiden Höfe des in frostigem Schulbarock errichteten




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