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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 10
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Ein Vierfamilien-Arbeiterwohnhaus auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906: Architekt: August Grothe in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0089

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 10


Wohnzimmer in naturfarbenem Architekt: Professor Fritz Schumacher in Dresden
poliertem Kirschbaumholz. Ausgeführt von Bernh. Göbel, Tischlermeister in
Freiberg i. S.
Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.

Herz in Plauen i. V. erbaute Haus ist als Modell eines Vororts-Miet-
hauses einer sächsischen Industriestadt gedacht. Es ist das Ergebnis

eines vom Sächsischen Ingenieur¬
lind Architektenverein ausgeschrie¬
benen Wettbewerbs zur Besserung
der Wohnungsverhältnisse für Min¬
derbemittelte. Das eingeschossige,
mit steilem Mansarddach versehene
Haus enthält zwei Wohnungen mit
Küchenstube (19,5 qm), Kammer
(17,7 qm), Vorplatz und Galerie
(4,85 qm), insgesamt je 42,05 qm
ohne Boden und Keller, und zwei
Wohnungen mit Küchenstube (19,5
qm), Stube (12 qm), Kammer
(9,8 qm), Vorplatz, Speisekammer
und Galerie (5,85 qm), zusammen je
47,15 qm ohne Boden und Keller.
Der jährliche Mietertrag stellt sich
bei 12000 Mk. Baukosten und rund
800 Mk. für Areal und Nebenanlagen nach 5 v. H. auf 640 Mk., und zwar je
150 Mk. für die kleineren und je 170 Mk. für die größeren Wohnungen.
Wie Grundriß und Innenansichten (1. Beilage) erkennen lassen, ist
die Küchenstube als eine dem Bedürfnis der Arbeiterbevölkerung ent-
sprechende Form besonders ausgebildet. Der Auf- und Ausbau ist mit
größter Sorgfalt durchgeführt. Die Fenster liegen, wie ehemals in den
Bauernhäusern, in den Falzen von in die Umfassungen eingesetzten Stollen-
gerüsten, die den Fensterläden viel besseren Halt gewähren als Stein-
gerüste. Dadurch, daß die bündig mit der Außenfläche eingesetzten
Fensterflügel nicht bis zur Brüstung herabreichen, gewinnen die vielfach
mit Heimarbeit beschäftigten Bewohner wertvolle Fensterbänke. In der
Fassade sind gewisse Anklänge an das Stadthaus absichtlich festgehalten,
weil die Arbeiterbevölkerung der Industriestädte in städtischen« Häusern
wohnen will.
Die Gleichwertigkeit der Wohnungen in beiden Geschossen ist trotz
der Dachausbildung für die oberen Räume fast vollständig gelungen, nur
eine längs der Decke an den Langseiten hinlaufende, kaum merkliche
Schräge gemahnt an ein Dachgeschoß. In den starkbenutzten Wohn-
räumen sind die Wandflächen entsprechend geschützt; bei den hellen
Treppen sind Wendeistufen vermieden; die Möbel sind durchaus zweck-
entsprechend gestellt; auch die alten offenen Galerieen sind wieder an-
gebracht. — Das Äußere (Tafel 77) weist eine glückliche Farbenstimmung
auf: das rote Ziegeldach, dunkelblau gestrichenes Holzwerk der Läden und
Fensterumrahmungen, und weißes Sprossenwerk; dazu das lustige Grün
des Vorgärtchens, fürwahr ein anmutiges Bild von Behagen und Wohnlich-
keit, das in glücklichstem Gegensatz steht zu den trostlosen kistenähnlichen,
rauch- und rußgeschwärzten Schlackensteinbauten, in denen früher die Arbeiter-
bevölkerung der sächsischen Industriestädte zusammengepfercht hauste. —
Das Haus ist demnach ein freudig zu begrüßendes Merkzeichen neuer künst-
lerischer Kultur, das seine Wirkung auch in sozialer Hinsicht ausüben wird!


Wohnzimmer in naturfarbenem poliertem Kirschbaumholz.
Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.


77

Architekt: Professor Fritz Schumacher in Dresden.
Ausgeführt von Bernh. Göbel, Tischlermeister in Freiberg i.S.
 
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