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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 3
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Högg, Emil: Etwas über bemalte Bildsäulen
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Hasak, Max: Plauderein über das Ornament der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0032

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3

in die Städtebilder zu bringen (erinnert sei an die Steinzeug-
fassaden in Hamburg), bewegen sich auf einem ganz andern
Wege als die des Mittelalters und werden den Gegensatz nur
noch steigern. — Also es ward beschlossen: Roland, den
Riesen am Rathaus zu Bremen, wieder zu bemalen, die anti-
quarische Richtung triumphierte, die Leute praktischer Kunst-
erfahrung trauerten. Denn was zu erwarten gewesen, traf ein:
als die Hülle von dem getünchten Standbilde fiel, da war der
Riese mit einem Male um gut ein Drittel kleiner geworden.
Es war gar kein Riese mehr, sondern eine bunte, sehr große
Puppe! Und doch hätte man von den Fehlern andrer wohl
etwas gelernt haben können.
In Bern, der Stadt der schönen Brunnen, hat nämlich das
verirrte historische Gewissen schon früher Ähnliches ver-
brochen und alle diese entzückenden kleinen Meisterwerke der
Bildhauerkunst vergangener Tage (vgl. Tafel 96, Jahrgang 1903)
genau so knallbunt wieder angemalt, wie sie zur Zeit, als
Holbein seine Fassadenmalereien schuf, wahrscheinlich aus-


Z wickel.

Architekt: Regierungs- und
Baurat M. Hasak in Berlin.

gesehen haben. Schon hier ließ sich die unglückliche ver-
kleinernde, puppenhafte Wirkung, der Verlust des monumentalen
Eindrucks durch diese Art von Übermalung studieren und
erkennen. In Bern sehen die Farben betrübend dauerhaft aus,
in Bremen scheinen sie weniger wetterfest, und es ist zu hoffen,
daß das bekanntlich sehr regnerische Nordseeklima in ein paar
Jahren den guten alten Zustand wiederhergestellt haben wird.
Bis dahin haben wir dann wohl die retrospektive Krankheit voll-
ends überwunden, die einer aufstrebenden Kunst unwürdig ist.
E. Högg.

Plaudereien über das Ornament der Baukunst.
Von M. Hasak, Kgl. Regierungs- und Baurat.


I.
ie Art und Weise, wie das Ornament gelehrt und ge-
handhabt wird, scheint mir eine irrige zu sein. Ich
glaube auch, daß in der nicht richtigen Lehrweise

zum guten Teil der Grund zu suchen ist, daß die Bauten des

vergangenen Jahrhunderts so wenig Anziehendes bieten. Ihnen
fehlt das schöne, interessante Ornament, das den Blick des Be¬


schauers schon von der Ferne fesselt, ihn zu sich
heranzieht, um ihm in der Nähe alle Reize zu enthüllen.
Man betrachte nur ein Kapitell der Frührenaissance!
Welch eine Erfindungsgabe und welch eine Anmut der
Einzelteile! Daneben halte man die korinthischen Ka-
pitelle unsrer Bauten, die ängstlich das millionenfach
nachgeahmte Schemakapitell in der trockensten Weise
wiederholen. Wird ausnahmsweise eine Abänderung
versucht, dann ist sie sicher mißglückt. Ähnlich verhält
es sich mit den meisten anderen Ornamenten, während
doch ein einziges Schild über einer Tür oder am Giebel
eines alten Barockhauses uns noch mit magnetischer
Gewalt an sich zieht und uns durch seine Eigenart
wie durch seine künstlerische Vollendung begeistert.
Das haben auch viele andre schon empfunden.
Manche glaubten, es läge an der Art des Ornamentes,
und warfen alles Bisherige über Bord. Mit einem Spiel
von Linien nebst Blättern und Blüten ä la Kate Greena-
way hofften sie etwas Eigenes und Neues zu schaffen.
Aber wenn auch solches Vorgehen dem Empfinden von
Malern und Musterzeichnern entspricht und für ihre
Zwecke tauglich sein mag, — ist doch deren Ver-
zierungskunst eine mehr spielende und leichter ge-
schürzte, — so eignet sich diese Art Willkürornament
sicher nicht für die Werke der ernsten, stolzen Bau-
kunst, insbesondere nicht für deren körperliches Orna-
ment. Die Architekten sind dabei in das Schlepptau
der untergeordneteren Kleinkünste geraten. Sie haben
sich von Malern und Kunstgewerbedamen die Orna-
mente suggerieren lassen. Was haben sie damit er-
reicht? Die Bauten mit solchem Ornament sehen recht
dilettantenhaft aus. Überall blickt die Laune der Damen
und die ungeregelte Malerphantasie hindurch; die künst-
lerische Wirkung aber ist gering.
An der Art des Ornamentes liegt es nicht. Ob die
Formen der Antike, der altchristlichen oder der romani-
schen Kunst, der Gotik oder der Renaissance ange-
hören, ist völlig gleichgültig; sie alle erweisen sich
unter der Hand des Baukünstlers als dankbarer Stoff.
Aber diese Hand muß den Stoff zu modeln verstehen
und das Auge muß selbst für die Formen geschult sein.
Diese Schulung fehlt jedoch; .sie fehlt völlig trotz
der Ornamentkollegia der Hochschulen wie der Ge-
werbeschulen. Was wird in diesen Kollegien gelehrt?

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