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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 12
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Hanftmann, Bartel: Aus der neueren Bautätigkeit Magdeburgs
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Materialschönheit und Zweckformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0104

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12

sind glückliche Anspielungen auf den Zweck des Baues;
daneben fehlen nicht die friedlichen Tauben und der kollernde
Hahn. Die Ideenentwürfe stammen von dem Geh. Oberbaurat
Thoemer in Berlin, Modelle und Ausführung von dem Hof-
bildhauer Albert Kretzschmar daselbst.
Wir schließen mit einer Abbildung des Zuganges der
»Königsbrücke«, die im Mai 1903 dem Verkehr übergeben
wurde. Der für uns in Frage kommende architektonische
Teil stammt vom Architekten Eberlein in Köln, die Ausführung
hatte die bekannte Firma Holzmann & Cie. Auch hier ist
mittelalterliche Art mit Geschick moderner Auffassung dienst-
bar gemacht und die Materialwertung und -behandlung sehr
glücklich. Zur Verkleidung diente Königslutterer Kalkstein,
der gut gegen den Basaltlavaunterbau der Pfeilerung absteht.
An den Einzelgliedern des Aufbaues wechseln wirkungsvoll
Tuff und Basaltlava. Die Kupferdeckung der Turmhauben
neigt bis jetzt nicht zur Grünpatinierung. Ist diese erst erfolgt,
wird das Architekturbild noch weit wirkungsvoller sein.
B. Hanftmann.


Materialschönheit und Zweckformen.

er Schönheit des soliden Materials, der
Schönheit der gediegenen Arbeit und
der Schönheit der reinen Zweckformen
ist auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-
ausstellung in Dresden eine besondere Abteilung,
die der »industriellen Vorbilder« gewidmet. Sie soll dartun,
daß nicht erst Verzierungen einen Gegenstand schön machen,
sondern daß bereits rein technische Leistungen, sofern sie diesen
Anforderungen entsprechen, auch schön sind. Damit ist klar
ausgesprochen, was als oberster Grundsatz für die mit der
Maschine erzeugten Gebrauchsgegenstände zu gelten hat. Die
Vorführung von in diesem Sinne mustergültigen Leistungen
der Kunstindustrie im Gegensatz zu den neuesten Erzeugnissen
des Kunsthandwerks bezweckt also, die grundsätzliche Ver-
schiedenheit beider zu erläutern und ihre reinliche Scheidung
auch in den Begriffen des Publikums anzubahnen, das sich


Pfarrhaus zu St. Gertraud Entworfen im Ministerium der
in Magdeburg-Buckau. öffentlichen Arbeiten in Berlin.



Zugang zur Königsbrücke
in Magdeburg.

Architekt: Georg Eberlein
in Köln.

darüber noch recht wenig klar geworden ist. Hat doch unsre
Industrie jahrzehntelang lediglich die Arbeiten des Kunsthand-
werks kopiert und eben durch die maschinelle Massenproduk-
tion — uns leid gemacht. Für sehr viele aber ist auch heute
noch das entscheidende Merkmal der Zugehörigkeit zum Kunst-
gewerbe die Verzierung, auch bei den Erzeugnissen der
Kunstindustrie.
Vergleichen wir nun die neuesten mustergültigen Erzeug-
nisse der Kunstindustrie mit den Arbeiten der neuen Richtung
unsres Kunsthandwerks, so drängt sich uns die Frage auf,
wie weit die der früheren entgegengesetzte Beeinflussung,
die Übernahme des für die Kunstindustrie grundsätzlichen
Strebens nach der Schönheit des Materials an sich und nach
der Schönheit der reinen Zweckform für das Kunsthandwerk
gerechtfertigt erscheint und als glückverheißend für dessen
Zukunft angesehen werden darf.
Über die bloße Möglichkeit dieser Frage wird vielleicht
mancher höchlichst erstaunen. Ist nicht gerade die Forderung
der Ausnützung der Materialschönheit und das Streben nach der
Schönheit der Zweckform der Ausgangspunkt für die Gesun-
dung und das Selbständigwerden unsres ganzen Kunstgewerbes,
also auch des Kunsthandwerks? Sind nicht gerade damit die
heut schon allgemein anerkannten Fortschritte auf der neuen
Bahn errungen? Teilweise gewiß! Aber die Forderungen sind
nicht neu, sind ewiggültige Grundsätze des künstlerischen
Schaffens überhaupt, die bei jedem Übergang von veralteten
zu neuen Kunstanschauungen hervortreten und, wie die ge-
schichtliche Erfahrung lehrt, wohl ein Leitmotiv, aber nicht die
neue Kunstrichtung selbst bedeuten.
Die neue Richtung hat zunächst — ganz natürlich — ein-
gesetzt mit völliger Verneinung des Bestehenden. Aus der
allmählichen Verschmelzung der Gegensätze entsteht das aus-
gereifte, lebensfähige Neue. Da liegt es doch jedenfalls nahe,
zu untersuchen, was von dem Neuen etwa hauptsächlich aus
der anfänglichen gegensätzlichen Verneinung hervorgegangen
ist und nun vielleicht, mißverstanden, die gedeihliche Weiter-
entwicklung nach dieser oder jener Seite verhindern könnte.
Als man vor einigen Jahrzehnten daran ging, einen trag-
fähigen Boden für neue baukünstlerische und kunstgewerbliche
Schöpfungen zu suchen, waren gar bald an der Nachbildung

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