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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 3
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Milatz, O.: Alte Chausseehäuser in der Umgebung von Berlin
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Högg, Emil: Etwas über bemalte Bildsäulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0031

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1906

A RCH1 TEKTONISCHE R UN DSC HA U

Heft 3

toskanischen Säulen getragen. Das Gebäude, welches recht
ansprechend aussieht, kann alles in allem genommen sehr wohl
als gutes Beispiel eines Chausseehauses gelten.
Während die bisher betrachteten Häuschen alle einen ge-
schlossenen Grundriß aufweisen, haben wir noch eine Gruppe
mit dem schon oben erwähnten Vorbau. Ein sehr einfaches
Beispiel dieser Art ist das Einnehmerhäuschen zu Alt-Geltow,
an der alten Magdeburger Poststraße gelegen, welches außer
der Einnehmerwohnung noch zwei kleinere für Wegewärter
enthält. Es ist verhältnismäßig langgestreckt, macht aber mit
seinen grüngestrichenen Fensterläden, der gelben Färbung der
Putzflächen in der einfachen Behandlung einen sehr freundlichen
Eindruck (Abb. 6). Weit charakteristischer tritt das Chaussee-
haus bei Seddin an der von Potsdam ausgehenden alten Leip-
ziger Straße in die Erscheinung. Die flächig behandelte Archi-
tektur mit dem dezenten bogenförmigen Zurücksetzen der
Flächen an den Giebelseiten wirkt recht nett (Abb. 7).
Als beste Beispiele dieser Art können aber zwei noch im
Stadtbezirk von Berlin an der Schönhauser und Prenzlauer
Allee gelegene Hebestellen gelten (Abb. 8 und 9). Beide Häus-
chen, die in der architektonischen Gliederung eine große Über-
einstimmung aufweisen, dürften zweifellos denselben Verfasser
gehabt haben. In ihrer ganzen harmonischen Durchbildung,
der reizvollen, für die Biedermeierzeit so charakteristischen Platten-
architektur wirken sie ungemein anziehend und können wohl
mit zu dem Besten gerechnet werden, was die Landarchitektur
i den in jüngster
i Kreischausseeen
erfolgten Neu-
bauten von Ein-
nehmerhäusern
auf die in solcher
Auswahl vorhan-
denen guten Vor-
bilder nicht die
geringste Rück-
sicht genommen
hat. Ohne jeden
Anschluß an
schon Vorhande-
nes, ohne jede
Berücksichtigung
der in hiesiger Gegend bei ländlichen Bauten allgemein üblich
gewesenen Putztechnik hat man Neubauten geschaffen, die in
ihrem mit Zement gefugten Ziegelrohbau mit Schieferdeckung
oder gar mit Pappdach wie eine Dissonanz in der Landschaft
wirken. Gerade weil diese Häuschen frei an der Landstraße
liegen, hätte sich hier eine absolut harmonische Wirkung leicht
erzielen lassen, was ja in Ortschaften nicht immer möglich ist.
Auch die Baukosten werden mit Berücksichtigung der ange-
gebenen Faktoren kaum höher sein; es kommt hierbei lediglich
auf ein volles Verständnis der ganzen Aufgabe an und nicht
nur auf eine nüchterne Lösung der Bedürfnisfrage. Um hier
Besserung zu schaffen, ist es vor allen Dingen notwendig, daß
die Behörden auch kleinen, unscheinbaren Bauausführungen
eine viel größere Aufmerksamkeit widmen, als dieses bisher
der Fall gewesen ist, und daß auch tüchtige Architekten es
nicht mehr unter ihrer Würde halten, solchen kleinen Aufgaben
ihre ganze Kraft zuzuwenden.
Solche Neubauten in richtiger Anlehnung an die schon vor-
handenen alten Beispiele könnten im Verein mit diesen nicht bloß
als Vorbilder ihrer Art dienen, sondern vor allem auch als solche
für Arbeiterhäuser und kleinere Einfamilienhäuser. Hierdurch ließe
sich sehr wohl auch ein erzieherischer Einfluß auf die ländlichen
Handwerksmeister und Bauherren ausüben, man würde ihnen
den Wert des Anschlusses an eine bodenwüchsige Bauweise vor
Augen führen und ihnen die Nachteile, die ein Übertragen von
städtischen Motiven in den dörflichen Charakter mit sich bringt,
verständlicher machen. Hiermit würde schon unendlich viel er-
reicht sein und ein großer Fortschritt in der an vielen Stellen noch
sehr im argen liegenden Landarchitektur erzielt werden können.

Umgebung von

nur, daß man
Berlin an

jener Zeit geschaffen hat.
Sehr bedauerlich ist es
Zeit in der




AVC, -V*
7. Chausseehaus bei Seddin.

Etwas über bemalte Bildsäulen.

n Bremen, wo der klassisch schöne Roland als Sinn-
bild bürgerlicher Kraft und Freiheit neben Lüder von
Bentheims berühmtem Rathaus das Marktgewimmel
überragt, hat sich ein Unglücksfall ereignet, von dem die gierige
Tageschronik weiter keine Notiz genommen hat: den Roland,
den aus Quadern grün-grauen Sandsteins geschichteten mäch-
tigen Riesen, haben sie bunt bemalt. — Grund: Ursprünglich,
vor so und so viel hundert Jahren, war dieser Roland auch
bunt bemalt gewesen! Er fiel also demselben Gedankengang
zum Opfer, aus dem heraus Jung St. Peter in Straßburg von
oben bis unten angemalt wurde, der die Schönheit des »schönen
Brunnens« in Nürnberg unter dicker Vergoldung erstickt hat und
dem wir die tragikomischen Innenräume des Friedrich-Baues
im Heidelberger Schloß verdanken. Als ob unsre Zeit nicht das
Recht auf einen andern, feiner entwickelten Farbensinn hätte,
als ihn das Mittelalter besaß, dessen Farbenstimmungen uns eine
Zeitlang, heute auch schon nicht mehr unbedingt — nur des-
halb vorbildlich waren, weil wir sie vom »alles heilenden Zahn
der Zeit« benagt und gemildert kennen lernten und in dieser
abgedämpften und verwischten Art nachahmten. Der Farbensinn
des Mittelalters war naiv primitiv. Der unsrige ist kompliziert,
feinfühlig, jedenfalls entwickelter. Vor allem haben wir die
Schönheit des Materials, der natürlichen Patina auf dem Bau-
stoff erkennen gelernt, die das Mittelalter nicht gesehen hat,
weshalb es wohl sogar zu Mitteln griff, die den modernen
Menschen empören, wie z. B. das Übertünchen von Sandstein-
fassaden und Aufmalen von imitierten Quadern u. dergl. mehr.
Immerhin war dann Einheitlichkeit in einem solchen Vor-


gehen, die Farbenfreudigkeit tauchte alles in buntes Gewand,
nicht nur den Roland auf dem Marktplatz, sondern auch die
Häuser um diesen Platz herum und die Menge, welche die
Straßen und Plätze füllte. Wenn wir aber heute ein buntes
Werk mittelalterlichen Geschmacks aufstellen, so steht es als
grelle bäuerliche Vogelscheuche in dem fast farblosen Bilde,
das unser modernes Empfinden sich geschaffen hat. Die neu-
zeitlichen Bestrebungen, wieder mehr ausgesprochene Farbe



9. Chausseehaus an der Prenzlauer Allee

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