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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 3
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Milatz, O.: Alte Chausseehäuser in der Umgebung von Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0030

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3


Zeit um 1800
stammen, sofort
auffällt, ist der
Umstand, daß
man neben einer
zweckmäßigen
Einrichtung es
verstanden hat,
sie der Land-

3. Chausseehaus bei Friedrichsfelde.

schäft und der
nächsten Um-
gebung in her-
vorragender Weise anzupassen. Diese Wirkung in der Land-
schaft in Verbindung mit der einfachen und doch reizvollen
Architektur macht sie stimmungsvoll und anheimelnd. Sehr
viel trägt dazu die verständige Behandlung des Materials bei,
die wir in unsrer Zeit so unendlich oft vermissen. Dem da-

maligen Zeitgebrauche entsprechend und anschließend an die
ländliche Bauweise sind alle hier in Betracht kommenden Chaus-

seehäuser glatt geputzt und mit einem gelben oder blaugrauen
Anstrich von Kalktünche versehen. Das Holzwerk der Lenster
war weiß oder perlgrau gestrichen, die Haustür und die Fenster-
läden grün oder auch wohl dunkelblau. All diese Barben stimm-
ten vortrefflich mit dem Grün der Bäume und dem satten Braun-
rot der Biberschwanzeindeckung zusammen und ergänzten sich
gegenseitig zu einem das Auge befriedigenden Earbenakkord.
Durch Anpflanzung von Baumgruppen an der dem Hause
gegenüberliegenden Straßenseite, an der man auch wohl Ruhe-
bänke, den müden Wanderer zur Rast einladend, aufstellte, durch
Umzäunung des Grundstücks mit Hecken wurde die ganze
Anlage in stimmungsvoller Weise vervollständigt. Auch heute
noch nehmen diese anspruchslosen Anlagen an den von ehr-
würdigen Baumalleeen eingesäumten Heerstraßen uns völlig
gefangen und lassen uns von der einstigen Poesie der Land-
straßen träumen.

Was nun die architektonische Ausgestaltung im einzelnen
anbelangt, so fällt sofort die angestrebte Verschiedenheit der
einzelnen Bauten trotz der annähernd gleichen Grundrißbildung
angenehm auf, im Gegensatz zu der in unsrer Zeit bei der
Staatsverwaltung so beliebten Schabionisierung ähnlicher kleiner
Bauten durch sogenannte Normalzeichnungen. Die hier bei-
gegebenen Skizzen mögen einen kleinen Überblick über die
in der Umgebung von Berlin und Potsdam noch vorhandenen
Chausseehäuser, von denen natürlich nur ein Teil wiederge-
geben wurde, gewähren.
Ein solches der einfachsten Art finden wir noch auf der
von Berlin nach Tegel führenden Chaussee (Abb. 1), welches
trotz seiner Einfachheit durch materialgerechte Behandlung und
gute Verhältnisse in Verbindung mit den Baumgruppen sehr
ansprechend aussieht; ein Beweis, daß man auch mit den ein-
fachsten Mitteln sehr wohl Gutes schaffen kann. Von ähnlicher
Gestaltung des Grundrisses und des Aufbaues, allerdings archi-
tektonisch wesentlich reicher, ist das an der von Potsdam aus-
gehenden alten Leipziger Poststraße gelegene Einnehmerhaus
(Abb. 2). Da es an der Spitze zweier Straßen gelegen ist, wurde



4. Chausseehaus bei Biesdorf.

auch die Giebelseite reicher ausgestattet. Charakteristisch ist
ein Palmettenfries und das Bogenmotiv mit der zurückgesetzten
Wandfläche, die noch durch reiche klassizistische Ornamente
belebt ist. Die unmittelbare Nähe der Residenz ist hier wohl
für die reichere Ausgestaltung maßgebend gewesen, wobei aber
der ländliche Charakter vollkommen gewahrt ist.
Während wir bei diesen beiden Chausseehäusern einfache
Satteldächer mit Walmen haben, finden wir an der von Berlin
nach Frankfurt a. O. führenden Straße eine originelle Dachform,
eine Art Bogendach. Was die Konstruktion desselben anbe-
langt, so sind zwei Brettbohlen, die in entsprechender Rundung
geschnitten sind, mit Scherzapfen zusammengestellt und setzen
sich unten jedesmal auf die Balkenlage auf. Diese Konstruktion
trägt ohne jede Mittelstütze im Dachraum oder irgend welchen
Querverband die Dacheindeckung. Der Längsverband wird
lediglich durch die Dachlatten gebildet. Merkwürdigerweise
finden wir den spitzbogigen Dachquerschnitt bei allen nächst
der Stadt gelegenen noch erhaltenen Hebestellen.
So haben wir zunächst ein solches bei Friedrichsfelde
(Abb. 3). Es ist sehr einfach gehalten, doch wirkt die Dach-
form wohl hier etwas zu schwer, was ja dadurch etwas gemil-
dert wird, daß der Bau, auch im Verhältnis von Länge zu
Breite, sehr massig gegliedert ist. Eine gewisse, vielleicht mit
Absicht erstrebte Originalität wird man ihm nicht absprechen
können. Weit günstiger wirkt das spitzbogige Dach an dem
Chausseehaus zu Biesdorf (Abb. 4). Dasselbe ist hier im


5. Chausseehaus bei Dahlwitz.

Gegensatz zu dem vorhin erwähnten, wo es auf das Gesims
aufsetzt, weit heruntergezogen und wird durch eine große Fleder-
mausluke belebt. Die Putzfassade ist auch hier sehr einfach
gehalten, und auch dieses Häuschen wirkt sehr ansprechend
in der umgebenden Natur. Größer und zugleich architektonisch
reicher durchgebildet ist das ebenfalls mit einem, allerdings
abgewalmten Bogendache versehene Einnehmerhaus zu Dahl-
witz (Abb. 5), welches in mannigfacher Hinsicht von den bisher
besprochenen abweicht. Das läßt sich dadurch erklären, daß
es ursprünglich gar nicht als Chausseehaus erbaut ist, sondern
im Jahre 1784 für König Friedrich II. als Jagdschlößchen er-
richtet sein soll, und erst vom Jahre 1801 an, als diese Heer-
straße dem Verkehr übergeben wurde, in Benutzung genommen
ist. Die etwas umfangreichere Anlage des Grundrisses, in
dem sich die Räume um einen kleinen Saal mit einer offenen
Halle gruppieren, die wir sonst bei keinem der übrigen Chaus-
seehäuser vorfinden, läßt ja diese Auffassung als ganz berechtigt
erscheinen. Andrerseits würde auch die Architektur, die vorge-
schobene Lage am Straßendamm und vor allem das Bogen-
dach, das wir sonst erst um das Jahr 1800 mit dem Eindringen
der Gotik in den Klassizismus anzutreffen pflegen, eine spätere,
mit der Anlage der Straße zusammenfallende Erbauung möglich
erscheinen lassen. Bei der ersten Auffassung dürfte wohl der
Schluß zutreffen, daß die Dachform der Einnehmerhäuser von
Friedrichsfelde und Biesdorf durch dieses ältere Beispiel zweifel-
los beeinflußt ist. Das Hauptgesims, hier aus Platte, Fries und
Architrav bestehend, wird, wo durch Zurückspringen der Vorder-
front die Halle gebildet wird, von zwei aus Holz angefertigten

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