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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 6
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Kleine Geschäftshäuser
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1906

A RCHI TEKTONISCHE R UN DSC HA U

Heft 6

in


Wohn- und Geschäftshaus von
Hugo Schulze Nachf. in Bremen.

Architekt: Hans Lassen
in Bremen.

Wohn- und Geschäftshaus von
Grünhagen & Comp. in Bremen.
Architekt: Hans Lassen
in Bremen.

häuser nicht nur geschäftlich, sondern auch
gedankens allein eine Rolle spielen wollten,
und als ob darüber das Geschäfts- und
Wohnhaus, dessen neuzeitliche Ausbildung

F. W. Borcherding.
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jahrzehntelang so viel Kopfzerbrechen gekostet
hat und mit so viel Hingebung bearbeitet
worden ist, gleichsam als überwundene Über¬
gangsform immer mehr in Vergessenheit ge¬
raten solle.
Allerdings ist mit dem Auftreten des
reinen Geschäftshaustypus, der aus dem riesen¬
haften Anwachsen einzelner Betriebe, sowie
aus dem Entstehen ausschließlicher Geschäfts¬
viertel in den Großstädten und der daraus
folgenden Verlegung der Wohnungen vom
Geschäftsmittelpunkte nach der Peripherie her¬
vorgegangen ist und mit Notwendigkeit her¬
vorgehen mußte, das Geschäfts- und Wohn¬
haus für die großen und kostspieligsten Auf¬
gaben überholt. Dafür aber steigert sich in
den äußeren Verkehrsstraßen der Großstadt¬
viertel trotz der überall entstehenden Waren¬
häuser immer rascher das Bedürfnis, wenigstens
das Erdgeschoß der Häuser durchweg irgend¬
welchen größeren geschäftlichen Betrieben
nutzbar zu machen und in gleicher Weise
vollzieht sich der Um- und Neubau der Häuser
in den Mittel- und Kleinstädten.
Wer tagtäglich sehen muß, wie sich der
Ausbruch von Läden in den langen Häuser¬
reihen der Straßen entlang frißt und wie die
an sich schon wenig erfreulichen, aber wenig¬
stens noch einheitlichen älteren Häuser da¬
durch nun vollends entstellt werden, dem mag
in dieser Umgebung der (architektonisch) be¬
scheidenste Neubau, wenn Läden und Woh¬
nungen nur halbwegs einheitlich aufgebaut
sind, schon erfreulich erscheinen. Das Mi߬
verhältnis tritt eben da nicht so scharf hervor,
wie in den Straßen kleinerer Städte, wo schon
ein mittlerer Laden riesenhaft aussieht und
jede Widersinnigkeit und Unschönheit doppelt
stark gegen das alte Straßenbild absticht. Um
voll ermessen zu lernen, was für Unheil die jetzt von gewissen rührigen
Architekten und ihren Verlegern über die Bautechniker ausgegossene Sint-
flut von Modernen Fassadenvorlagen« in unsern Landstädtchen anrichtet,
braucht man nur etwa nach Jahren die Hauptstraße eines kleinen branden-
burgischen Ackerbürgerstädtchens wieder zu sehen, in deren einheitlich
friedliche Biedermeierstimmung ein Zahntechniker einen stolzen Neubau in
moderner Backsteingotik mit giftig gleißenden Glasursteinen hineinbauen
ließ. Der Volkswitz nennt das treffend die Zahnkirche , aber der Schand-
fleck ist da und bald wird an einer zweiten und dritten Stelle das Unheil
ausbrechen, denn die Verkehrskrankheit spukt nicht bloß in den Straßen-
regulierungen und Stadtbebauungsplänen zu Gunsten einer übertriebenen
Vergrößerungssucht und Nachäffung großstädtischer Vorbilder.
Hier also bietet sich ein Arbeitsfeld, das zwar nicht so monumental«
und wohl auch meist weniger einträglich, aber unendlich viel wichtiger
und wertvoller für unsre Heimatkultur und unser gesamtes Bauwesen ist,
als der Warenhausbau, und das außerdem so vielseitige, täglich neue und
doch immer wiederkehrende Aufgaben stellt, daß an deren Lösung eine
Unzahl von Kräften ihr Bestes zu zeigen vermag.
Warum also sollte das in mühevollem Suchen während der letzten
Jahrzehnte im Bau von kombinierten Wohn- und Geschäftshäusern Gelernte
und Erreichte ungenutzt wieder der Vergessenheit anheimfallen, wenn es
auch nicht mehr an immer größeren und prächtigeren Beispielen geübt und
gesteigert werden kann? Geben doch die mittleren und kleineren Verhält-
nisse Gelegenheit genug zur Anwendung in allen erdenklichen Abmessungen,
noch dazu meist unter Verhältnissen, die infolge der geringeren Größe der
Ladenhöhen und Schaufensterfronten für die künstlerisch befriedigende
Lösung günstiger sind, als in der Großstadt. Wem aber der Übergang
den vielstöckigen Granit- und Sandsteinbauten und den Spiegelscheiben-

Kleine Geschäftshäuser.
ohin man kommt, in den Provinzstädten schon fast ebenso wie
CvM ’n den Mittel- und Großstädten, und wohin man blickt in den
f'N N Facll‘ uncl Unterhaltungsblättern, überall steht das großstädtische
Kaufhaus, das im Warenhaustypus gipfelt, im Vordergrund.
Das lebhafte Interesse, das den Warenhausbauten als solchen zu teil wird,
ist ja hinlänglich begründet durch das allen gemeinsame einheitliche Ge-
präge, die klare Zweckdienlichkeit, die sie als die Verkörperung eines
starken, dem modernen Verkehrswesen entsprechenden Geschäftsgedankens
darstellt. Freilich ist ihr künstlerischer Wert in der Gestaltung des Äußern
wie in der Raumbildung unendlich weit verschieden. Aber daß nur die
Minderzahl dieser Bauten überhaupt künstlerischen Wert besitzen und gar
viele, und leider gerade in der Provinz die meisten, trotz aller Aufwendig-
keit in der Aufmachung nur reklamehafte Unternehmerbauten sind, wird
über den hervortretenden Glanzleistungen vergessen, zu denen die große,
klare Aufgabe des reinen Geschäftshausbaues mit der Möglichkeit weit-
gehender monumentaler Gestaltung und die für den Zweck außergewöhn-
lich reichlich zur Verfügung stehenden Mittel den besten Architekten will-
kommene Gelegenheit geben.
Fast möchte es danach scheinen, als ob für die Zukunft die Waren-
der Entwicklung des Bau-

Hugo Schulze Nachf.
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Wohn- und Geschäftshäuser in Bremen.

Architekt: Hans Lassen in Bremen.

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