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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 3
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Hasak, Max: Plauderein über das Ornament der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0033

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1Q06

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3



Zwickel.

Architekt: Regierungs- und
Baurat M. Hasak in Berlin.

Das Ornament auf dem Papier, aber nicht das Ornament im
Raum, nicht das plastische Ornament. Zwischen dem Ornament
auf dem Papier und dem plastischen Ornament der Wirklich-
keit besteht aber derselbe Unterschied wie zwischen der
Schwimmstunde auf dem Stuhl und der Schwimmstunde im
Wasser. Die schönen Lichter und Abtönungen der Flächen,
die saftigen interessant umrissenen Schatten, sie sind nur auf
dem Papier vorhanden. Im plastischen Modell, also in der Wirk-
lichkeit, kommt all dieser schöne Phantasiespuk nicht zum Vor-
schein; da sind die Blattflächen öde und leer und an Stelle der
Schlagschatten sind Löcher in der Komposition. Nun gar erst
alle die Linien, die durch den Raum gehen und in der Zeich-
nung, also in der Projektion, so schön aussehen, in einer Pro-
jektion, die keiner Wirklichkeit entspricht, die auch in tausend
Fällen nicht der Wirklichkeit entsprechen kann.
Wie reiz- und hilflos sehen diese Linien nun in der räum-

lichen Wirklichkeit aus, die der arme Bildhauer mühsam der
Zeichnung nachempfunden hat. Ja, selbst wenn die Sonne auf
dieses plastische Ornament scheint, fällt der Schatten wahr-
scheinlich niemals so, wie er auf dem Papier reizvoll ausge-
klügelt war, schillern die Blattteile nie in dem Licht und der
schönen Terracotta- oder Sandsteinfärbung, die monatelange
Mühen dem Papier aufgezaubert hatten.
Für Steindrucker, welche die wundervollen Erzeugnisse
der Töpferei, die herrlichen Glasgefäße, die prächtigen Erzgüsse,
die zierlichen Schaustücke der Tischlerkunst zur Veröffentlichung
wiedergeben sollen, oder für Tapeten- und Möbelstoffzeichner
sind derartige »Ornamentkollegia«, aber nicht für Baumeister.
Ja, aber das gemalte Ornament muß man doch lernen, also
auch lehren! — Aber das ist nicht einmal gemaltes Ornament,
oder nur höchst selten solches, das in diesen meisterhaften
Studienblättern dargestellt wird. Schön sind sie, — entzückend
ihre Farben, aber jeder wird zugeben, gemaltes Ornament lehren
sie nicht.

Aber selbst wenn jene Prunkblätter gemaltes Ornament,
wie es der Baumeister für Innenräume braucht, zur Darstellung
brächten, oder als Stegreifentwürfe zeigten, wie man Türflügel


Kartusche. Architekt: Regierungs- und
Baurat M. Hasak in Berlin.

mit Intarsien,
die Decken mit
ihren Kasset-
ten und Balken
zu verzieren
hat, dann fehlt
immer noch
die bei wei-
tem wichtigere
Schulung im
plastischen Or-
nament.
Bei der Bil-
dung des Äus-
seren der Ge-
bäude spricht
das gemalte

Ornament gar nicht mit, und selbst im Innern teilt sich das ge-
malte Ornament höchstens zu gleichen Teilen mit dem plastischen
Ornament in die künstlerische Ausbildung. Das malerische
Ornament fast allein zu lehren und das plastische kaum zu
berücksichtigen, heißt daher ein völlig verfehltes System im
Unterricht befolgen. In ihm ist zum größten Teil der Grund
für das wenig Anziehende der Mehrzahl unsrer Bauten zu
suchen. Weil der Baumeister das Wesen des plastischen Or-
namentes nicht erfaßt hat, kann er den Ornamentbildhauer nicht
anleiten.
Nun versetze man sich in die Lage eines solchen Bild-
hauers. Heute kommt der Barockliebhaber zu ihm, morgen
der Renaissancebaumeister; beiden soll er zu Willen sein. Aber
selbst wenn ihm nur Renaissanceleute Aufträge erteilten, so
muß er für jeden verschieden bilden. Daß daraus ein völlig
charakterloses Ornament entsteht, ist klar. Eine Fortentwicklung,
eine Neuschöpfung ist aber gänzlich ausgeschlossen. Am besten
gelingt es noch, wenn einmal der Ornamentbildhauer so über-
ragend ist, daß seine Eigenart erhalten bleibt. Aber dann sieht
man eben überall d
und nicht das Or¬
nament dieses und
jenes Baumeisters,
der doch den Bau
entwirft, seine Simse
austrägt, den Ma߬
stab des Gebäudes
im Auge hat und
fühlt, was er an
seinem Werke zum
Ausdruck bringen
will.
Das ist dem Bild¬
hauer natürlich alles
fremd. Der richtige
Maßstab, das ziel-
strebige Bilden, die Originalität, alles das fehlt dem erkauften
Ornament.
Es geht dem Baumeister dabei so ähnlich wie den be-
kannten Baukünstlern, welche das Problem Lessings gelöst
haben, ob Raffael auch ein großer Künstler gewesen wäre,
falls er ohne Arme das Licht der Welt erblickt hätte. Kann


Neubau der Reichsbank Architekt: Regierungs- und
in Braunschweig. Baurat M. Hasak in Berlin.


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