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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 10
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Der Friedhof auf der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906: Entwurf der Gesamtanlage: Architekt Max Hans Kühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0091

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 10


Grabmal aus Muschelkalk.

Grabsteine aus Sandstein und Tuffstein.

Kindergrabmal aus Holz.
Architekt: Professor Fritz Schumacher

Entwurf von Regierungsbaumeister
Franz Seeck in Berlin.

Entwurf von Bildhauer Karl Neuhaus in Dresden
Ausführung von Steinbildhauer Walther daselbst.

in Dresden.
Ausgeführt von den Dresdener Werk-
stätten für Handwerkskunst; bemalt
von Paul Rößler.

alten Friedhöfe empfindet man die ein-
heitliche große Stimmung, aber man
sieht keine Grabsteine. Oder wie in

einem gut dirigierten Konzert: Man hört die Harmonie, aber man ver-
gißt, daß sie aus Tönen so und so vieler Instrumente zusammengesetzt ist.
Und erst, wenn wir uns bemühen, treten die Einzelgebilde aus dem
Hintergründe des Gesamtbildes hervor:
Wuchtig und schwer tritt uns W. Kreis mit seiner antikisierenden
Grabwand entgegen. Wir erkennen den Schöpfer der Bismarcksäulen und
so mancher auf vorklassischer Formensprache aufgebauten Architektur
wieder. Unbekannt dagegen ist er uns, wenn er an andrer Stelle reiz-
volle Schmiedearbeiten und zarte Reliefs gestaltet. Doch auch das ver-
mag der Vielseitige! — Dort ein andres Wandgrab, eine flache Nische
von energisch vorkragendem Stein überdeckt, sinnig in ihrem bescheidenen
Schmuck und vorbildlich durch die gärtnerische Farbenstimmung (S. 80). Der
Katalog nennt uns Fritz Schumacher als Künstler dieses Werkes, und
wir lesen gleichzeitig, daß noch vier weitere Gräber von ihm geschmückt
sind. Suchen wir sie, so finden wir halb versteckt im Grünen poesievolle
kleine Grabkreuze aus Holz oder Eisen, — Kindergräber, Weiterbildungen
der beliebten Motive alter Dorfkirchhöfe.
Ähnliche einfache Grabkreuze gibt es noch mehr. Wir nennen das


von J. Diez und das von Steiniken & Lohr (Kunstmaler Vogt). Und
wenn wir vor diesen Gebilden voll Wehmut und nachdenklich stehen, so
ist es jetzt nicht mehr die Friedhofstimmung, die uns anfangs umgab,
sondern der Gedanke: wie schön und billig dazu sind solche Gedächtnis-
zeichen — und wie scheußlich sind die aus poliertem schwarzem Marmor
fabrikmäßig hergestellten Obelisken, Kreuze, abgebrochenen Säulen, Urnen
und was sonst an den öden Zufahrtstraßen unsrer Friedhöfe zum Ver-
kauf gestellt wird, auf daß es nachher die Gräber unsrer Lieben ziere —
noch für Generationen ein trauriges Zeugnis des Tiefstandes unsres
künstlerischen Auffassungsvermögens von heute — vielleicht sogar unsrer
Gefühlsroheit! — Mit solchen Gegenbeispielen vor dem innern Blick wan-
deln wir mit um so größerer Befriedigung in diesem verheißungsvollen
Vorbild künftiger Schönheit, das uns umgibt. — Dort in der Ecke stoßen
zwei Gräber zusammen, die beide das Motiv des von hoher Wand um-
friedeten Grabes aufgenommen haben, das nur durch die vergitterte Tür
sichtbar, den Eindruck des heiligen, weihevollen Ortes — auch Böcklin
kennt ja diese Form! — besonders stark betont. Das eine dieser Gräber
ist von Hugo Wagner, Bremen, das andre von W. Lossow, Dresden*).
Dazwischen erfreut uns auch ein Stückchen deutschen Humors, der
ja glücklicherweise auch vor der Friedhoftür nicht Halt zu machen pflegt:
das Grab eines tapfern frumben Reitersmannes von H erfurt mit dem präch-
tigen Relief von Hottenroth. Und weiterhin von Hottenroth drei Grab-
mäler, deren ergreifendstes wir hier abbilden: ein Sarkophag, aus dessen
herber Linienführung die stilisierte Gestalt eines Engels hervorwächst (S. 80).
Wir können nicht jedem guten Werke, das hier steht, gerecht werden,
denn es ist kaum etwas da, was Tadel verdiente, wenig, was keines Lobes
wert wäre. So wollen wir auf gut Glück noch ein paar Arbeiten heraus-
greifen, die uns besonders ins Auge fallen. Da ist das Kind, das die Arme
so kindlich-gläubig gen Himmel hebt (S. 80) — ein Werk von Prof. Pfeifer,
München, ebenso wie der kleine Grabstein mit dem Pieta-Relief. Von
Karl Neuhaus’ gedankentiefer Kunst gibt ein Sarkophag eine Probe und
von der abgeklärt reinen Kunst von Prof. Karl Groß die in die Wand
des Laubgangs eingelassene Engelsfigur mit dem Abendmahlkelch (S. 78).
Zwei einfache sinnige Steine hat auch Franz Seeck, Berlin, auf-
gestellt, der das Motiv der niederdeutschen freistehenden, reliefgeschmückten
Steinplatte aufgenommen und umgedichtet hat, und von der großzügigen,
an Bartholome erinnernden Stimmung in Oskar Menzels Familiengruft
*) Leider ist bei beiden die photographische Wiedergabe unmöglich. Die Red.


Wandgrab mit farbigem Relief.

Sarkophag.
Bildhauer: Karl Neuhaus in Dresden.
Ausgeführt von Chr. Göbel & Co.
in Tolkewitz,

Architekt: Max Herfurt in Dresden.
Bildhauer: Ernst Hottenroth in Dresden.

79

Grabstein mit Pieta (Muschelkalk).
Bildhauer: Professor Pfeifer in München.
 
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