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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 1
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Sutter, Conrad: Der Garten ein Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0016

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1Q06

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1


Der rote Garten.

Architekt: Professor J. M. Olbrich in Darmstadt.

Linien, welche die Gartenflächen teilen, sind von denkbarster
Einfachheit, und doch tritt uns darin die besondere Form,
die Eigenart des Künstlers entgegen. Die Linien schließen
sich zum Ornament, der Blumen einheitliche Farbenpracht
hält die Flächen zusammen, die trennenden Wegfiguren, die
grüne Umrahmung gleichen der Gliederung des Emails und
steigern die Wirkung der großen Einheitlichkeit und Ge-
schlossenheit des Bildes. Mauerumzogen liegen sie vor uns
wie Zaubergärten in märchenhafter Schönheit. Rundbogige,
grünumsponnene Lauben begleiten die Wege, welche zwischen
den gegenüberliegenden Achteckseiten hindurchziehen, und
bilden die fühlbare und sichtbare Verbindung der Gärten unter-
einander.
Aus diesen Lauben kann man durch runde Ausschnitte
die tieferliegenden Gärten überblicken, und hat man vom
Terrassenaufgang kommend — die Wege zwischen diesen
Lauben überschritten, so gelangt man zu niedrigen Brüstungs-
mauern, welche auch die Zugänge zu den Gärten aufnehmen.
Dort gewinnt man überall freien Einblick. Diese Übersicht
über die Gärten ist in besonders schöner Weise noch von
andrer Stelle geboten: den erwähnten Brüstungsmauern gegen¬

über ist die gemauerte Umrahmung der Gärten erhöht; dort
nun umziehen die Mauern auf Böschungen hinlaufende, also
hochgelegte Wege.
Es ist ersichtlich: die Anlage ist so gestaltet, daß die
Pracht der Gärteh hauptsächlich im jeweiligen Gesamtüberblick
ihre Wirkung ausüben soll. So spricht die Klarheit ihrer
Form, ihre wundervolle Farbeneinheit am stärksten, so ge-
winnt man auch leicht einen vergleichenden Überblick auf alle
drei Gärten und spürt die Kraft der Steigerung des künst-
lerischen Eindruckes, die einer dem andern verleiht. Es ist
darin ein machtvoller Rhythmus aller Teile, eine große Harmonie
des Ganzen.
Der rote Garten in der Mitte, der blaue und gelbe zu
beiden Seiten. — Ein fein geschwungener Eisenbogen, der
als einzigen Schmuck eine einfache Laterne trägt, überspannt
den Eingang zum roten Garten. Dort nimmt die Mitte im
langgestreckten Rechteck ein Wasserbecken ein, dessen tief-
blaue Flut mit den blendend weißen Kieswegen und dem Grün
der die Mauern überwuchernden Schlinggewächse den Gegen-
satz und die Steigerung zugleich bilden zur roten Gesamt-
pracht der Blumen.
Im blauen Garten ist die Hauptfarbe durch die komple-
mentäre Wirkung der goldenen schmiedeisernen Kuppel, welche
den rötlichen Steinbrunnen überwölbt, gesteigert.
Der gelbe Garten weist dagegen seine Einheitsfarbe in
verstärktem Maße noch in den goldenen Säulen des kleinen
Teehauses auf, welche dessen strohgedecktes Dach tragen.
In Olbrichs Werk bezwingt uns die Vereinigung der Natur-
schönheit mit der poetischen und künstlerischen Kraft seiner
Phantasiekunst.
Er hat mit dieser Schöpfung einen neuen weiten Blick
eröffnet auf die Möglichkeit künftiger Schönheit, die aus unsern
Gärten leuchten wird. Befruchtend möge sie wirken und an-
eifernd nicht zur Nachahmung, sondern zur Befreiung aus der
Fessel dumpfer Gewohnheit. Nicht jeder Garten kann ein
Prachtstück im Sinne dieser Gärten sein, die Liebe aber und
das künstlerische Verständnis zur Gestaltung und Ausnutzung
der von der Natur gebotenen Schönheit können Wunder
wirken und unser Leben schmücken, indem sie unsre Wohn-
stätte umgeben mit dem Kunstwerk des Gartens.


Entwurf zu einer Gartenanlage.

Architekt: Otto Oßwald in Stuttgart.
 
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