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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 5
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Halm, Martin: Zehn Jahre angewandter Kunst in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0046

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 5


Musiksalon. Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten für
Kunst im Handwerk in München.


jedem Stück aus. Wenige der damals zur
Schau gestellten Werke mögen vor dem
heutigen Urteile oder gar dem einer späte-
ren Zeit so einwandfrei bestehen können
wie etwa Riemerschmids zierlich gemüt-
liches Büfett in Eibenholz, das in seinem
klaren Aufbau, seiner Zweckmäßigkeit und
seinen schlichten Beschlägen den Anforde-
rungen von heutzutage am meisten ent-
sprach. Aber wer will deshalb etwa die zwei
Schränke und den Schreibtisch von Ber-
lepsch mit ihrer Vielseitigkeit ä la Chippen-
dale und mit ihrem »gotic, Chinese and
modern taste« so ganz verwerfen, weil sie
in ihrer Überfülle von Schiebladen und
Kästchen, von Stellagen und andern Behäl-
tern und mit ihrem Übermaß von Schnitz-
werk, Bemalung und Beschlägen weit über
das Ziel hinausschossen. Es war eben eine
Zeit der Gärung, die hier schuf. Und doch,
mochte man diese Schränke als Gesamt-
leistungen nicht billigen, so mußte man doch
bei näherem Zusehen die Zweckmäßigkeit
mancher Neuerung erkennen. Vor allem
aber zwang an ihnen das starke Stilgefühl
für Zierformen, das uns von Berlepsch bis

waren. Sie auszublasen suchten wohl die Alten, die sich in Er-
innerung an die der Ausstellung »Unserer Väter Werke« im Jahre
1876 folgenden Siege unüberwindlich und unvergänglich fühlten;
aber "statt dessen fachten sie die Fünkchen zur Flamme an.
Im Jahre 1897 hielt sich erstmals eine kleine Schar der
Jungen stark genug, in die bis dahin nur der hohen Kunst
geöffneten Räume des Münchener Glaspalastes gelegentlich der
VII. Internationalen Kunstausstellung einzudringen. Man freute
sich in den einsichtigen Kreisen, daß Kunst und Kunsthand-
werk sich endlich wieder vermählt hätten; vergessen aber durfte
man dabei doch auch nicht, daß die Werbung des Handwerks
eine sehr stürmische, drängende gewesen, die nicht zu großer
Gegenliebe von Seiten der hohen Kunst sich erfreuen durfte.
Doch gestand man ihm schließlich zwei kleine Räume zu. Das
war zu wenig, um zeigen zu können, was man wollte; doch
man verzagte nicht, und das Wagnis ward zum Ereignis. Zu-
gegeben auch, daß manch mißglücktes Gebilde sich dem Be-
schauer darbot, so war doch endlich einmal der tote Punkt
überwunden. Der Kern der Sache war ja ein guter, und das
Treffliche wog das Minderwertige durchaus auf. Martin Dülfer

auf den heutigen Tag den Besten seiner Art zuzuzählen heißt, zur
Bewunderung. Nicht ihm allein, auch den meisten andern drängten
sich in der Sehnsucht nach der ihrem Auge wieder sichtbar ge-
wordenen NaturSchmuckformen im Übermaß in den Griffel; das
konnten die Leuchter von Otto Eckmann, die Truhe von Obrist,
das Sofa von Bertsch so gut wie Pankoks Spiegel oder die ver-
schiedenen Metallarbeiten bestätigen. Ein »weniger« wäre mehr
gewesen. Das erkannten die meisten dieser Bahnbrecher sehr
bald, und schon im folgenden Jahre sahen wir die Wasser ruhiger
fließen. Der Erfolg der Ausstellung des Jahres 1897 war auch
materiell ein höchst günstiger. Mehr als ein Drittel der ausge-
stellten Gegenstände wurden verkauft. Von weit einschneiden-
derer Bedeutung aber mußte es doch sein, daß eine Bresche in
die Münchener Hochburg retrospektiven Kunstschaffens ge-
legt worden war. Im darauffolgenden Jahre konnte die Mo-
derne in fünf Räume des Glaspalastes einziehen und wenig-
stens z. T. in sich geschlossene Räume bieten. Unter ihnen
beanspruchten die beiden Zimmer von Hans von Berlepsch
entschieden den Vorrang hinsichtlich einheitlicher Gestaltung,
Zweckmäßigkeit der Gebrauchsgegenstände und Aufrichtigkeit

und Theodor Fischer, die als Architekten
längst ihre eigenen Wege gegangen waren,
hatten die Einrichtung der beiden Räume
übernommen. Von einheitlicher Durch-
bildung konnte jedoch dabei keine Rede
sein, es handelte sich vielmehr um die weit
schwierigere Aufgabe, eine Anzahl der ver-
schiedenartigsten Gegenstände angewandter
Kunst zu gefälligen Bildern zu gruppieren.
Wie glücklich nun auch unter den gegebe-
nen Verhältnissen die Lösung beider sich
gestaltete, so trat doch dabei ihr Teil an
absolut künstlerischer selbständiger Betäti-
gung zurück. Das Wichtigere waren die
Einrichtungsgegenstände von Hans von
Berlepsch, Richard Riemerschmid, Otto Eck-
mann, Hermann Obrist, Bernhard Pankoku.a.
Es waren noch Werke einer Art Sturm- und
Drangperiode; die Sehnsucht, endlich ein-
mal wieder die Glieder zu recken aus den
Fesseln eines jahrzehntelangen Kopisten-
tums, das wohl der Hebung der Technik
und sicherlich auch der Erziehung zum
Schönen zu gute gekommen war, das aber
statt aus frischen Quellen immer nur aus
Zisternen geschöpft hatte, prägte sich in


Musiksalon.

Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten für
Kunst im Handwerk in München.

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