1906
A RCH1 TEKTONISCHE RUN DSC HA U
Heft 5
Speisezimmer in grauem
Eschenholz.
Entwurf von W. von Beckerath.
Ausgeführt von den Werkstätten für Wohnungs-
einrichtung Karl Bertsch in München.
Bayreuth (St. Louis), das ebenso den Ernst seiner Bestimmung
als Behaglichkeit und Vornehmheit atmete. Gerade in der
Anpassungsfähigkeit seiner Kunst an den Geist, der einem
Raume innewohnen soll, scheint mir aber auch Pauls Stärke
zu liegen. Eine Schöpfung wie das Musikzimmer in der
»Ausstellung für angewandte Kunst« mit seiner Tendenz von
Sammlung, Ruhe und weihevollem Genuß, gehört zum Aller-
besten, was jemals geschaffen worden ist. Wie weit tritt
um ein zeitlich naheliegendes Beispiel ihm gegenüberzustellen
Riemerschmids Musiksalon dagegen zurück. Pauls jüngstes
Werk, die Einrichtung der Apotheke am Thierschplatz kann
anderseits sein Verständnis für Zweckmäßigkeit beweisen.
Verkannt aber darf bei Bruno Paul nicht werden, wie schließ-
lich auch bei andern Wohnungskünstlern, daß ihre Werke in-
Kainin. Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten
Werkstätten für Kunst im Hand-
werk in München.
folge reicher Einlegearbeit ziem-
lich bedeutende Geldmittel voraus-
setzen. Dieser wirtschaftlichen
Schwäche der Moderne suchen
seit geraumer Zeit mit gutem Er-
folg die »Werkstätten für Woh-
nungseinrichtung Karl Bertsch«
entgegenzuarbeiten. Ihre jüngsten
Leistungen auf der Ausstellung
für angewandte Kunst und das
soeben neu eröffnete Weinrestau-
rant von Eberspacher können
für Aufgaben bescheideneren Auf-
wandes als vorbildlich bezeichnet
werden. In ähnlichem Geiste schaf-
fen noch eine Reihe andrer Künst-
ler, wie Wilhelm von Beckerath,
Wilhelm Michael, Professor Berndl
und Ludwig Hohlwein. Auch der
Bildhauer Franz Ringer, herausge-
wachsen aus der Kunst der Alten
und in seinen Ausdrucksformen
auch an diese erinnernd ohne sich
an sie anzu-
lehnen, zählt
hierher. Die
künstlerischen
Absichten all
dieser Künst-
ler zielen auf
schlichte, be-
queme und an-
spruchslose
Einrichtungen
hin. Plastische
Zierformen
fehlen beinahe
ganz. An ihrer
Stelle beleben
Intarsien und
bei bescheide-
neren Gegen-
ständen Scha-
blonenmalerei
die Flächen.
Wert wird vor
allem neben
der eigentli-
chen Möbel-
kunst auch auf
dieRaumkunst
gelegt, und
hier tritt mehr
Schrank für ein
Schlafzimmer.
Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk in München.
und mehr das Bestreben hervor, mit verhältnis¬
mäßig geringen Mitteln eine Mietwohnung genießbar zu machen,
z. B. durch feingewählte, auf die Möbel gestimmte Wand- und
Deckentünchung. Für die Förderung der modernen Bestre-
bungen erscheinen solche Bemühungen sehr dankenswert und
Erfolg versprechend.
Leider blieb es bis jetzt den Modernen in München ver-
sagt, ihr Können einmal in den Dienst einer größeren staat-
lichen oder städtischen Aufgabe zu stellen, wenn man nicht
Bücherschrank in poliertem Kirschbaum-
holz mit Intarsien, facettierten Kristall-
gläsern und versilberten Beschlägen.
Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk in München.
37
A RCH1 TEKTONISCHE RUN DSC HA U
Heft 5
Speisezimmer in grauem
Eschenholz.
Entwurf von W. von Beckerath.
Ausgeführt von den Werkstätten für Wohnungs-
einrichtung Karl Bertsch in München.
Bayreuth (St. Louis), das ebenso den Ernst seiner Bestimmung
als Behaglichkeit und Vornehmheit atmete. Gerade in der
Anpassungsfähigkeit seiner Kunst an den Geist, der einem
Raume innewohnen soll, scheint mir aber auch Pauls Stärke
zu liegen. Eine Schöpfung wie das Musikzimmer in der
»Ausstellung für angewandte Kunst« mit seiner Tendenz von
Sammlung, Ruhe und weihevollem Genuß, gehört zum Aller-
besten, was jemals geschaffen worden ist. Wie weit tritt
um ein zeitlich naheliegendes Beispiel ihm gegenüberzustellen
Riemerschmids Musiksalon dagegen zurück. Pauls jüngstes
Werk, die Einrichtung der Apotheke am Thierschplatz kann
anderseits sein Verständnis für Zweckmäßigkeit beweisen.
Verkannt aber darf bei Bruno Paul nicht werden, wie schließ-
lich auch bei andern Wohnungskünstlern, daß ihre Werke in-
Kainin. Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten
Werkstätten für Kunst im Hand-
werk in München.
folge reicher Einlegearbeit ziem-
lich bedeutende Geldmittel voraus-
setzen. Dieser wirtschaftlichen
Schwäche der Moderne suchen
seit geraumer Zeit mit gutem Er-
folg die »Werkstätten für Woh-
nungseinrichtung Karl Bertsch«
entgegenzuarbeiten. Ihre jüngsten
Leistungen auf der Ausstellung
für angewandte Kunst und das
soeben neu eröffnete Weinrestau-
rant von Eberspacher können
für Aufgaben bescheideneren Auf-
wandes als vorbildlich bezeichnet
werden. In ähnlichem Geiste schaf-
fen noch eine Reihe andrer Künst-
ler, wie Wilhelm von Beckerath,
Wilhelm Michael, Professor Berndl
und Ludwig Hohlwein. Auch der
Bildhauer Franz Ringer, herausge-
wachsen aus der Kunst der Alten
und in seinen Ausdrucksformen
auch an diese erinnernd ohne sich
an sie anzu-
lehnen, zählt
hierher. Die
künstlerischen
Absichten all
dieser Künst-
ler zielen auf
schlichte, be-
queme und an-
spruchslose
Einrichtungen
hin. Plastische
Zierformen
fehlen beinahe
ganz. An ihrer
Stelle beleben
Intarsien und
bei bescheide-
neren Gegen-
ständen Scha-
blonenmalerei
die Flächen.
Wert wird vor
allem neben
der eigentli-
chen Möbel-
kunst auch auf
dieRaumkunst
gelegt, und
hier tritt mehr
Schrank für ein
Schlafzimmer.
Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk in München.
und mehr das Bestreben hervor, mit verhältnis¬
mäßig geringen Mitteln eine Mietwohnung genießbar zu machen,
z. B. durch feingewählte, auf die Möbel gestimmte Wand- und
Deckentünchung. Für die Förderung der modernen Bestre-
bungen erscheinen solche Bemühungen sehr dankenswert und
Erfolg versprechend.
Leider blieb es bis jetzt den Modernen in München ver-
sagt, ihr Können einmal in den Dienst einer größeren staat-
lichen oder städtischen Aufgabe zu stellen, wenn man nicht
Bücherschrank in poliertem Kirschbaum-
holz mit Intarsien, facettierten Kristall-
gläsern und versilberten Beschlägen.
Entwurf von Bruno Paul.
Ausgeführt von den Vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk in München.
37