1906
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 7
9. Hof des Hauses Klostergasse 35.
Auge, die wir
hier leider nicht
in geschlossener
Folge wieder-
geben können;
nur einige Bei-
spiele aus ver-
schiedenen Zei-
ten können wir
herausgreifen,um
einen annähern-
den Begriff von
derFülledes Vor-
handenen zu ge-
ben und zu einem
Besuche des ehr-
würdigen Städt-
chensanzuregen.
Daß von den
mittelalterlichen
Bauten durch
häufig wieder-
kehrendeBrände,
durch Kriegsnot und infolge von Baufälligkeit und Umbauten
im Laufe der Zeit vieles verschwunden und verbaut worden
ist, versteht sich von selbst; trotzdem wird jeder mit der Aus-
beute auch an mittelalterlichen Resten zufrieden sein, der sich
Zu den reiz-
vollsten Häusern
Wimpfens gehört
ferner ein Fach-
werkbau in der
unteren Blau-
turmgasse (Abb.
8 u. 10). Eine Auf-
schrift nennt als
Erbauer den Bür-
germeister Ell-
seeser und die
Jahreszahl 1717.
Neben dem zier-
lichen Portale mit
ovalem Oberlicht
undleichtbeweg-
tem Gittereinsatz
in letzterem, bil-
det die Hauptzier
der keck unsym-
metrisch vorge-
baute Erker mit
seiner kräftigen,
mit Schiefer ge-
deckten Haube.
10. Haus in der unteren Nach einem Aquarell
Blauturmgasse. von E. Högg in Bremen.
(Seitenansicht zu 8.)
Vorwiegend malerischen Wert hat das kleine »Schäferhaus«
(Abb. 2), das mit der Stadtmauer völlig verschmolzen erscheint.
11. Wormser Hof.
12. Bauernhaus gegenüber der Stiftskirche in Wimpfen i. T.
13. Das Roßbachsche Haus in Wimpfen i. T.
ma-
Wir-
Ein für den Maler wie für den
Architekten gleich dankbares
Vorbild gibt das der Stifts-
kirche imTal gegen überliegende
Bauernhaus (Abb. 12), das un-
geachtet seiner Verwahrlosung
als Muster einer gesunden und
charakteristischen ländlichen
Bauweise zeigt, wie man mit
den einfachsten Mitteln Wir-
kungen erzielen kann, die an
ihrem Reiz auch auf die Dauer
keine Einbuße erleiden.
Aus späterer Zeit stammt
die hübsche Baugruppe mit dem
Wormser Hof (Abb. 11) und das
Roßbachsche Haus in Wimp-
fen i.T. (Abb. 13), das die streng
symmetrische Anlage eines Ba-
rockbaus zeigt. Das Ganze
atmet vornehme Ruhe und Einfachheit. Kein Architekturteil,
kein Ornament drängt sich dem Auge auf. Die fein abge-
wogenen Verhältnisse der Fenster mit ihren trefflichen Um-
rahmungenverleihen dem Ganzen das Harmonische; die kräftige
senkrechte Gliederung durch die maßvoll verzierten Mittel- und
nur die Mühe nimmt, ihnen
nachzuspüren. Unter ihnen
stehen die Reste der Kaiserpfalz
mit der schönen Galerie obenan.
Zu den älteren Bauten ge¬
hört der »Grüne Baum« (Abb.5)
mit seinem prächtigen Eingang
aus der Übergangszeit von der
Gotik zur Renaissance. Die
charakteristische Form des spät¬
gotischen Eselsrückens an der
Türumrahmung mit den Renais¬
sancepilastern und Blattwerk da¬
neben, und die kleinen Muschel¬
nischen unddas weitausladende
Gesims darüber ließen auch
ohne die Jahreszahl 1558 deut¬
lich erkennen, wiehier neue For¬
men den Sieg über mittelalter-
licheÜberlieferungdavontrugen.
Aus der besten Zeit deutscher Renaissance stammt der Erker
eines Wohnhauses an der Hauptstraße (Abb. 6), dessen breite
Form mit den trefflich verzierten Pilastern und Füllungen und
der reichgeschmückten Konsole noch die Behäbigkeit wohl-
habenden Bür-
gertums erken¬
nen läßt.
Einen schö-
nen Hof raum
aus der Renais-
sancezeitfinden
wir im Hause
Klostergasse 35
(Abb. 9). Die
massive Mauer
desErdgeschos-
ses löst sich
in den Oberge-
schossen in luf-
tige Holzgale-
rieen von außer-
ordentlich
lerischer
kung auf.
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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 7
9. Hof des Hauses Klostergasse 35.
Auge, die wir
hier leider nicht
in geschlossener
Folge wieder-
geben können;
nur einige Bei-
spiele aus ver-
schiedenen Zei-
ten können wir
herausgreifen,um
einen annähern-
den Begriff von
derFülledes Vor-
handenen zu ge-
ben und zu einem
Besuche des ehr-
würdigen Städt-
chensanzuregen.
Daß von den
mittelalterlichen
Bauten durch
häufig wieder-
kehrendeBrände,
durch Kriegsnot und infolge von Baufälligkeit und Umbauten
im Laufe der Zeit vieles verschwunden und verbaut worden
ist, versteht sich von selbst; trotzdem wird jeder mit der Aus-
beute auch an mittelalterlichen Resten zufrieden sein, der sich
Zu den reiz-
vollsten Häusern
Wimpfens gehört
ferner ein Fach-
werkbau in der
unteren Blau-
turmgasse (Abb.
8 u. 10). Eine Auf-
schrift nennt als
Erbauer den Bür-
germeister Ell-
seeser und die
Jahreszahl 1717.
Neben dem zier-
lichen Portale mit
ovalem Oberlicht
undleichtbeweg-
tem Gittereinsatz
in letzterem, bil-
det die Hauptzier
der keck unsym-
metrisch vorge-
baute Erker mit
seiner kräftigen,
mit Schiefer ge-
deckten Haube.
10. Haus in der unteren Nach einem Aquarell
Blauturmgasse. von E. Högg in Bremen.
(Seitenansicht zu 8.)
Vorwiegend malerischen Wert hat das kleine »Schäferhaus«
(Abb. 2), das mit der Stadtmauer völlig verschmolzen erscheint.
11. Wormser Hof.
12. Bauernhaus gegenüber der Stiftskirche in Wimpfen i. T.
13. Das Roßbachsche Haus in Wimpfen i. T.
ma-
Wir-
Ein für den Maler wie für den
Architekten gleich dankbares
Vorbild gibt das der Stifts-
kirche imTal gegen überliegende
Bauernhaus (Abb. 12), das un-
geachtet seiner Verwahrlosung
als Muster einer gesunden und
charakteristischen ländlichen
Bauweise zeigt, wie man mit
den einfachsten Mitteln Wir-
kungen erzielen kann, die an
ihrem Reiz auch auf die Dauer
keine Einbuße erleiden.
Aus späterer Zeit stammt
die hübsche Baugruppe mit dem
Wormser Hof (Abb. 11) und das
Roßbachsche Haus in Wimp-
fen i.T. (Abb. 13), das die streng
symmetrische Anlage eines Ba-
rockbaus zeigt. Das Ganze
atmet vornehme Ruhe und Einfachheit. Kein Architekturteil,
kein Ornament drängt sich dem Auge auf. Die fein abge-
wogenen Verhältnisse der Fenster mit ihren trefflichen Um-
rahmungenverleihen dem Ganzen das Harmonische; die kräftige
senkrechte Gliederung durch die maßvoll verzierten Mittel- und
nur die Mühe nimmt, ihnen
nachzuspüren. Unter ihnen
stehen die Reste der Kaiserpfalz
mit der schönen Galerie obenan.
Zu den älteren Bauten ge¬
hört der »Grüne Baum« (Abb.5)
mit seinem prächtigen Eingang
aus der Übergangszeit von der
Gotik zur Renaissance. Die
charakteristische Form des spät¬
gotischen Eselsrückens an der
Türumrahmung mit den Renais¬
sancepilastern und Blattwerk da¬
neben, und die kleinen Muschel¬
nischen unddas weitausladende
Gesims darüber ließen auch
ohne die Jahreszahl 1558 deut¬
lich erkennen, wiehier neue For¬
men den Sieg über mittelalter-
licheÜberlieferungdavontrugen.
Aus der besten Zeit deutscher Renaissance stammt der Erker
eines Wohnhauses an der Hauptstraße (Abb. 6), dessen breite
Form mit den trefflich verzierten Pilastern und Füllungen und
der reichgeschmückten Konsole noch die Behäbigkeit wohl-
habenden Bür-
gertums erken¬
nen läßt.
Einen schö-
nen Hof raum
aus der Renais-
sancezeitfinden
wir im Hause
Klostergasse 35
(Abb. 9). Die
massive Mauer
desErdgeschos-
ses löst sich
in den Oberge-
schossen in luf-
tige Holzgale-
rieen von außer-
ordentlich
lerischer
kung auf.
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