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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 2.1840

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Wilhelm der Heilige, Abt zu Hirschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22584#0050

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7.9

Zeit und unseres Standes sind. Wenn ich es wagen würde, die alten gro-
ßen Philosophen erklären und berichtigen zu wollen, was würde man dazu
sagen? Was würden diejenigen dazu sagen, welche für uns Mönche keine
freie Kunst erlaubt halten, als die Auslegung des Psalters?" Diese Ein-
wendung batte aber eine verfehlte Wirkung. „Wie magst du nur Leute
vorbringen, fuhrOtoch unwillig auf, die da wähnen, daß man den Feinden
des Glaubens nur auf ihre Weise imponiren könne, und in solchem Wahne
das Licht unserer Wissenschaft durch die Finsterniß ihres beschränkten Dog-
mas gerne verdunkeln möchten! Wenn uns die Psalmen allein genügten,
wozu alsdann das alte und neue Testament? Wozu die Werke der heiligen
Väter? Bedienten sich nicht Gregor und Hieronymus weltlicher Kennt-
nisse und w eltlich er Weisheit, um das göttliche Wort zu erläutern?
Die Weltweisheit ist dem Sande des Rheinstromes gleich — wir müssen
nur die Goldkörner herauslesen; sie ist ein ägyptisches Dorngeheke, welches
die wohlriechendsten Früchte verbirgt — das alles sollen wir sammeln und
es wird ein köstlicher Schaz für unsere Neligionsgespräche seyn. Unsere
Misgönner haben wir nicht zu fürchten. Wenn sie die Stimme so vieler
hochgelehrten heiligen Männer, die einst auch das härene Gewand getra-
gen, für eitel nehmen, so gibt es wohl noch andere Gründe, womit man
ihre heuchlerischen Zungen geschweige kann."
So fuhr Otoch mit steigendem Affekte fort, bis der Abt sich erhob und
ihm die Hand reichte, indem er freundlich hinzufügte: „Ich muß endlich
deine Gründe anerkennen, sie sind sprechend genug, und ermuthigen mich
gegen unsere Widersacher; ich bin dir zum innigsten Danke verbunden.
Aber wenn ich meine Studien fortsezen soll, so mußt du die eine Hälfte der
Mühe getreulich auf dich nehmen, und meine Versuche und Berechnungen
niederschreiben, wie du versprochen hast." Freudig wiederholte Otoch
sein Versprechen und die edlen Freunde trennten sich, gegenseitig beruhigt,
gehoben und der schönsten Entschlüsse voll. Und so traten denn jene Werke
in die Welt, welche dem Abte Wilhelm, wenn auch keinen glänzenden,
doch einen höchst ehrenvollen Namen in der vaterländischen Gclehrtenhisto-
rie erworben haben. G)

(4) Dieser O ialo g ist in der Vorrede zu Wilhelms „Astronomien^, welche ker,
cod. liipl, Kist, epist t, 259 mittheilt.
 
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