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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 2.1840

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Etwas über Hebel
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https://doi.org/10.11588/diglit.22584#0244

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beurtheilen zu können, da ihm das Land und Volk, wo Hebel sich bewege,
zu unbekannt sey. Mir, der ich dorten einheimisch bin, war dies eine er-
wünschte Gelegenheit, mich über Etwas auszusprechen, was den Fremden
und durch ihn wieder Andere belehren konnte.
„Es ist eine vornehme Absprecherei, Hebels Gedichte nur als poeti-
sche Curiosa zu betrachten. Sie sepen nicht aus dem Volke hervorgegan-
gen, sondern demselben nur angedichtet worden, das kann man leider von
hundert und hundert ähnlichen Poesien sagen, von den hebelschen aber
keineswegs. War ihr Verfasser nicht ein Sohn des Landes, redete er nicht
wirklich die Mundart des Landvolks, bewegte er sich nicht lange Zeit in
dessen Sitten und Gebräuchen, und hatte er nicht selbst ganz den Charakter,
den Geist und das Gemüth eines Wiesenthälers? Als Hebel seine Ge-
dichte schrieb, war solches ein Erguß seiner Erinnerungen aus der Heimath
und seiner wachsenden Sehnsucht nach derselben. Diese schöne, geliebte
Heimath erfüllte noch ganz das Herz des jungen Mannes, als ihn sein Auf-
enthalt in der Residenz schon in ganz andere Umgebungen und Verhältnisse
gezogen. Er durchirrte im Geist jene wohlbekannten Thäler und Berge,
besuchte seine Landsleute in ihren Hütten und Dörfern, begrüßte alte
Freunde, unterhielt sich mit ihnen in Ernst und Scherz, schwang sich dann
empor auf die Höhen der Poesie, und sang in der Zunge seiner Väter, was
er gesehen, gedacht-und empfunden."
Ich begleitete diese Worte mit einiger nähern Auseinandersezung, und
der Fremde schien darin Manches ihm ebenso Einleuchtende als Neue zu
finden. „Sie werden mir es glauben, ich bin ebenfalls auf dem Lande ge-
boren, bin oft. und vielfach unter dem Volke gewesen — also von der
Seite aus ein kompetenter Richter über das Volksthümliche in Hebels
Werken, und gerade daß ihr Geist, wie ihr Ausdruk so ganz volkstümlich
ist, das machte mir sie werth, und das machte sie auch dem Volke selbst
Werth. Es versteht sie in ihrem Sinn, ihren Bildern und Anspielungen
vollkommen — sie sind in seiner Art und Weise. Denn wären sie
es nicht, welcher Bauernjunge, welches Landmädchen würde sie lesen oder
singen L Daß aber zumal die hebelschen Lieder häufig auf dem Lande
gesungen werden, so häufig als andere beliebte Volkslieder, davon kann
Jeder sich überzeugen, der das Oberland besucht. Sie sehen also, Hebel
war nicht blos zum Dichter, sondern eigentlich zum Volksdichter geboren
und erzogen. Wie ächt, wie unnachahmlich find die Schilderungen im

Vivat einererzirt, so geht die Illusion gänzlich verloren, und man sicht statt der Natur
nur ein theatralisches Machwerk, wie die gothischen Festzngc und gewiffe Wiener Vor-
spiele." W. Menzel, deutsche Literatur tl., 252.
 
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