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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 16
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0357
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Adolph Strecksnst.
(ForisetziNig.)

Mx/

Zbd/,

Eeneralumjor Sir Herbert Stewnrt,
Kommandant der englischen Tr>wt>en in den Gefechten bei Abn-Klea und Metammeh
im Sudan. (S. 367)

Aus höheren Regionen.
Roman
von

Tageszeit treffen wir in der gemüthlichen Kneipe keine
Menschenseele, wir sind dort so allein und ungestört
wie hier."
Ferdinands Aufforderung War Ewald ganz Will-
kommen, sie gab ihm Gelegenheit, auf dem Wege nach
der Weinhandlung über das, was er gehört hatte,
nachzudenken und sich vorzubereiten auf die fernere
Unterredung mit dem Vetter, bei dem auf den be-
lebten Straßen herrschenden Lärm des Wagengerafsels
war ja eine Unterhaltung nicht möglich. Er nahm des-
halb gern Ferdinands Vorschlag an und begleitete ihn.
Als die beiden Vettern in der Weinstube, in der
sie wirklich die einzigen Gaste waren, den gemüthlichen
Platz in der Fensternische eingenommen hatten, als die
Flasche des gelbgesiegelten Rüdesheimers vor ihnen stand
und der edle Wein in: Glase funkelte, rieb Ferdinand
sich nach Leerung der ersten Gläser vergnügt die Hände.
„Du bist wirklich der gemächlichste, liebenswürdigste
Kerl von der Welt, Ewald!" sagte er, dem Vetter

(Nachdruck verboten.)
!! "ß Dich das Projekt meiner Mutter, mich
mit Fräulein Müller zu verheirathen,
stutzig macht, Vetter," meinte der Major
. ganz gelassen, „verdenke ich Dir nicht!
"WM Du bist zwar ein guter Mensch, aber
immerhin kann eS auch Dir nicht gleich-
giltig sein, wenn Du Plötzlich die Aussicht
auf einige hunderttausend Thaler gefährdet siehst. Ich
habe Dir versprochen, mich in keine Jntrigue gegen
Dich einzulassen, und gerade deshalb komme ich zu
Dir, um Dich zu Rathe zu ziehen, ob-
gleich Du bei der Geschichte gerade so
gut betheiligt bist, wie ich selbst. Aber
ich weiß, Du wirst mir trotzdem Deinen
Rath nach Deinem besten Gewissen geben,
und nun möchte ich gern wissen, wie Du
etwa an meiner Stelle handeln würdest.
Sage mir offen und ehrlich, wärest Du im
Stande, eine Bürgerliche zu Heimchen?"
Ewald schaute zu Boden, er mochte
dem Vetter nicht in's Auge blicken. Konnte
er „Nein" antworten? Hatte er nicht
oft in diesen Tagen sich selbst gesagt, daß
er das höchste Glück des Lebens nur in
der Verbindung mit der Geliebten finden
könne? Der Stolz, der ihm früher die Be-
antwortung der einfachen Frage so leicht
gemacht hätte, war gebrochen. Mit freu-
digem Herzen würde er zu ihr, der Ge-
liebten, eilen, ihr in glühenden Worten
sagen, daß er sie liebe, wenn— O, daß
er immer und immer wieder an dieses un-
selige „Wenn", an diesen quälenden, Pei-
nigenden Zweifel erinnert werden mußte!
Ferdinand vertraute ihm und verlangte
eine offene, währe Antwort, er konnte nicht
„Nein" sagen und nach kurzem Sinnen
sprach er ein einfaches, klares „Ja!"
„Donnerwetter!" rief Ferdinand über-
rascht aus. „Die Antwort hätte ich von
Dir nicht erwartet. Nun, desto besser,
Du hast mir einen Stein vom Herzen ge-
nommen, und nun sollst Du auch wissen,
wie meine Mutter zu dem Wunsche ge-
kommen ist, daß ich die reizende Helene
heirathen soll. Das ist aber eine lange
Geschichte und ich habe Dich noch viel zu
fragen, und bei trockener Kehle geht das
schlecht. Wie wär's, wenn wir uns auf-
machten, um eine Flasche von dem Rüdes-
heimer zusammen zu trinken, Du kennst
ihn ja, ein köstlicher Tropfen! Um diese

über den Tisch die Hand bietend. „Ich gestehe Dir,
cs ist mir nicht leicht geworden, gerade zu Dir zu
gehen und Dich um Rath zu fragen, nun aber ist
nur ganz kannibalisch Wohl, daß ich es gethan habe.
Vor Deiner Thüre noch fragte ich mich: ,Sollst Du nicht
lieber umkehren, Ewald ist und bleibt doch einmal
Dein Nebenbuhler in der leidigen Erbschaftsangelegen-
heit?" Da aber antwortete ich mir: ,Und wenn er es
ist, Dein treuer Vetter und Freund soll er bleiben.
Du bist es ihm und Dir selbst schuldig, daß Du ihm
mittheilst, welchen Teufelsbrei dieser schuftige Professor
eingerührt hat, die Geschichte geht ihn ja so gut an,
wie Dich selbst, und er wird Dir am besten rathen,
ob Du die Rolle spielen darfst, die der alte heuch-
lerische Schuft Dir angewiesen hat." So dachte ich
und jetzt bin ich kreuzvergnügt darüber, daß ich meiner
Eingebung gefolgt bin."
„Der schuftige Professor? Haft Du ihn endlich
als Schwindler und Abenteurer erkannt?" fragte Ewald
erstaunt.
„Er ist mehr als ein gewöhnlicher
Schwindler, er ist ein Schurke vom reinsten
Wasser. Mein alter Freund Benno v. Wel-
ser, der mit ihm in Amerika zusammen-
getroffen ist, hat mir seine ganze Vergangen-
heit enthüllt. Ich habe einen scheußlichen
moralischen Katzenjammer darüber, daß
ich mit dem Schuft so eng liirt bin, jetzt
aber, da ich Dir beichten kann, wird mir
ein ganzes Theil Wohler. Höre nur, was
mir Welser — beiläufig ein Vetter Deines
Bekannten, des Kriminalkommissars —
über den alten Burschen mitgethcilt hat!"
Er füllte sein Glas, leerte es und
dann erzählte er die Begegnung Welser's
mit dem Doktor Johnson im Großen und
Ganzen so, wie Welser selbst sie ihm er-
zählt hatte, einige kleine Ausschmückungen,
die seine lebhafte Phantasie erzeugte, gaben
dem Bilde nur etwas glänzendere Farben,
ohne dessen Wahrheit zu beeinträchtigen.
Ewald lauschte mit gespannter Auf-
merksamkeit. Er war nicht erstaunt dar-
über, daß der Professor Mondberger als
der flüchtige Betrüger und Dieb Doktor-
Johnson entlarvt wurde, er hatte ihm ja
jedes Verbrechen zugetraut, aber er war
freudig überrascht/daß gerade jetzt, wo
es darauf ankam, den Betrüger unschäd-
lich zu machen, seine Vergangenheit ent-
hüllt wurde.
„Du kannst Dir gar nicht vorstellcn,
Ewald," so schloß der Major seine Er-
zählung, „wie mir zu Muthe war, als ich
nach Welser's Mittheilungen mir sagen
mußte, daß ich als Freund und Genosse
des Halunken gewissermaßen an dem
Schwindel betheiligt war, den der Pro-
fessor nur unsere alte Tante Helene ge-
sponnen hatte mit seinen spiritistischen
Taschenspielerkunststücken."
 
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