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Instytut Sztuki (Warschau) [Hrsg.]; Państwowy Instytut Sztuki (bis 1959) [Hrsg.]; Stowarzyszenie Historyków Sztuki [Hrsg.]
Biuletyn Historii Sztuki — 70.2008

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Nr. 1-2
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Fritz, Johann Michael: Kirchenschätze im Heiligen Römischen Reich: Untergang und Überleben von liturgischen Geräten =
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https://doi.org/10.11588/diglit.35032#0021

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KIRCHENSCHÄTZE IM HEILIGEN RÖMISCHEN REICH

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Kupferstiche aus dem Jahre 1706 und einige wenige, nicht vermünzbare Überreste^. Die
Schätze der meisten französischen Kathedralen sind restlos untergegangen.
Die Vernichtungsaktionen der Säkularisation standen also in bester Tradition. Die neu-
en Besitzer der aufgelösten Klöster und Stifte ließen sofort die Kirchenschätze in endlosen
Verzeichnissen aufschreiben, und zwar unter genauer Angabe des Gewichtes, was alles
auf Pferdewagen in die Münzstätten zum Einschmelzen gebracht wurde. Den ehemaligen
Klosterkirchen überließ man nur die Geräte, die für den Pfarrgottesdienst unbedingt erfor-
derlich waren. Daß dafür nur Gegenstände von geringem Wert in Frage kamen, versteht
sich von selbst. Auch anderen Pfarreien übergab man requirierte Geräte zum Gebrauch.
Will man begreifen, was vor zweihundert Jahren geschehen ist, dann muß man sich in die
Akten vertiefen. Das ist ein wirklich beklemmendes Studium.
Um eine anschauliche Vorstellung davon zu vermitteln, was damals alles vernichtet
wurde, bleibt auch mir nichts anderes übrig, als dafür das glücklich Bewahrte heranzuzie-
hen. Das geschieht beispielhaft anhand einiger Klöster und Dome, mit deren Kirchen-
schätzen ich seit langem besonders vertraut bin.
Zwei iwt
Als im Jahre 1806 Beamte ein Verzeichnis der Geräte von St. Trudpert aufstellten, wird
dort neben dem gotischen (Abb. 5) noch ein weiteres Vortragekreuz erwähnt. Dieses
mächtige romanische Werk wurde jedoch vom Großherzog von Baden großzügig der Kir-
chengemeinde überlassen, da "es zu religiösen Handlungen gebraucht wird und es dem
daran gewöhnten gemeinen Manne wehe thun würde, solches aus der Kirche herzuge-
ben", wie der Beamte mitfühlend an seinen Herzog geschrieben hat. Es gibt also auch
positive Nachrichten von der Säkularisation zu berichten.
Im rechtzeitigen Verstecken war das Kloster St. Blasien im Schwarzwald, das kurz
vorher eine grandiose Blütezeit erlebt hatte, noch erfolgreicher, denn man hatte die kost-
barsten Werke des Schatzes in der Schweiz in Sicherheit gebracht. Das zeigt deutlich, daß
man die Zeichen der Zeit erkannt hatte. Wie in St. Trudpert, so erhoben die Beamten auch
hier Verdächtigungen, da von dem prächtigen Schatz, den kurz zuvor der Kirchen-
historiker Grandidier 1784 beschrieben hatte, sich nur noch ein Teil auffinden ließ. Das
von der Königin Adelheid gestiftete Kreuz des 11. Jahrhunderts (Abb. 8), größer als das
Reichskreuz in Wien, wurde den Mönchen nachträglich von der Regierung überlassen, da
es "von geringem Werth und nur als Antiquität schätzbar" sei. Die Mönche fanden 1809 in
einem durch Joseph II. aufgelösten Kloster, in St. Paul im Lavanttal in Kärnten eine neue
Bleibe. Doch dabei kamen sie vom Regen in die Traufe, denn Hauptstücke ihres glücklich
geretteten Schatzes, die Einfassung der Kreuzpartikel von 1688 und die goldene Mon-
stranz, mußten 1810 zur Bezahlung der Österreich auferlegten Kriegskontribution abge-
liefert werden. Überleben konnte aber der goldene Kelch, den Kaiser Karl VI. dem Kloster
geschenkt hatte. Der Kelch, der im Inventar als von "eximia arte ad oculorum delitias"
gerühmt wird, ist mit dem kaiserlichen Wappen geschmückt.
Auf den Porträts von Bischöfen und Äbten sind die Brustkreuze stets porträthaft abgebil-
det. Das ist auch in St. Blasien der Fall. Die Kreuze waren wegen der Edelsteine und des
Goldes besonders gesucht. Daher sind diese fast alle zerstört worden. Aber während eines
Besuches in St. Paul zog der Abt eine Schublade auf, in der noch mehrere Brustkreuze

4 Le irAcr & Vu'if De/iü, Musée du Louvre 1991.
 
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