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STOCKUM, HOENBURG.
mit Seitenthürmchen, wovon man vor ungefähr
zwanzig Jahren die Fundamente entdeckte, auch
künstlich fortificirt und ebenfalls wie manch’
kleine ,Wohnung1 nur mit Fachwerkbauten be-
setzt, als welche wir auch die "Wirthscliaftshäuser
des Vorwerks anzusehen haben. Deckte doch
das ganze Werk im Norden die starke Wallung
einer bis in unser Jahrhundert erhaltenen Land-
wehr, im Süden die Niederung und die Wasser-
wehr der Lippe; — so behelf lieh wurden die
Eittersitze in der altern oft noch in der spätem
Zeit angelegt, so weislich passende Bodenfigura-
tionen dafür ausgebeutet, damit es möglichst
weniger Kunstanlagen und Geldmittel bedurfte,
woran es nur zu häufig gebrach. Geschichtlich
ergibt sich auch, dass die Hoenburg 1388 von
der Familie von Herringen und jedenfalls nicht
lange bewohnt war. Wann sie verlassen wurde,
wissen wir nicht; genug, bei der erwähnten
Nachgrabung hat sie eine Menge Altertümer,
Waffen, Hausutensilien, Töpfchen, Metallgeräte
von Pferdegeschirren und verschiedenartiges Ge-
stein geliefert, doch eben so wenig wie das
Graben- und Hügelprofil trugen diese Stücke
einen Zeitcharakter, der dem Mittelalter fremd
oder römischer Technik vorzugsweise eigen wäre.
Das gilt hauptsächlich von den beiden Huf-
eisen und dem Sporen mit pyramidalem Dorn,
von der Kandare, von den an Geschirren ge-
brauchten Eingen, von dem Charnierüberzug mit
Streifen von Kupferblech oder Bronze (?), von
einem Schlosse, das augenscheinlich an einem
Koffer gesessen, von dem irdenen Töpfchen, den
hellröthlichen Besten einer auf der Drehscheibe
geformten Urne und den fünf Pfeilspitzen, deren
einige frühstens aus fränkisch-sächsischer Zeit
stammen; nur eine ist oben schon als römisch
angeführt und vielleicht noch von den Franken ge-
braucht. Das auffällig verzierte Irdengeschirr mit
Löchern kömmt wol kaum mehr dem Mittel-
alter zu, zumal da fast alle diese Fundstücke
nicht aus dem Gesammtbereiche der Burg, son-
dern aus einer viereckigen an drei Seiten um-
mauerten Vertiefung, also wahrscheinlich aus
dem Brande eines Fachwerkbaues herrühren, dem
man aus Oekonomie sogar an der Thürseite
eine steinerne Schwelle versagt hatte, indess ein
gewöhnliches trocknes Bruchsteinmauerwerk die
Fundamente der drei andern Seiten bildete.
Altertümer und Erdwerke lassen sich römisch
um so weniger an, als man schwerlich für ein
so zweitheiliges, in jedem Theile verschieden
und im Vorwerke gar unregelmässig eingerich-
tetes Werk eine annehmbare Bestimmung finden
dürfte. Und den Hauptflügel für eine römische
Warte zu halten, hindert doch wol der Mangel
an weitern Eingwerken und Funden.
Das Gemäuer weist entschieden auf das
Mittelalter und das nicht heimische Gestein,
Trass und Eothsandstein, welches auch nur in
schwachen Besten ausgegraben ist, lässt sich
als römisches Baumaterial nicht aussondern, weil
das römische Kriegsvolk anscheinend in den
nordischen Gegenden auf den Steinbau so gut wie
völlig verzichtet hat; der Quarzknauer wurde vom
Annaberg zu Haltern als besseres Baumaterial
zu Schiffe vertrieben und daher vielfach in der
Umgegend der Lippe gefunden, die ziegelartigen
Bausteine sind Trass, der vom Ehein in Form
von Backsteinen namentlich für Backöfen be-
zogen wurde. Auch die Sage, welche Herr Hof-
rath Essellen mir überliefert, auf der Hoenburg
seien einst vornehme Herren ansässig gewesen
und von dort nach der krausen Linde, d. i. Nien-
brügge bei Hamm verzogen, wo sich in der Lippe
ein eisernes Thor befinde, enthält doch höchstens
den Nachklang einer einstmaligen Communica-
tion zwischen beiden Burgen in mittelalterlicher,
nicht heidnischer Zeit.
Vorher S. 9, 14, 16, 29. — Ueber Stockum: Geschichte der Herren von der Recke, S. 255; — v. Ledebur a. a. 0. S. 35; — Wilmans, die
Kaiserurkunden der Provinz "Westfalen I, 145; — Storch, Monumenta inedita I, 140; — Fahne, Hövel I, 28, 32. Die Freigraf-
schaft Stockum ist nicht mit Fahne a. a. 0. I, 152 hier, sondern mit Seibertz, "Westf. Zeitschr. 2S, 85 im Herzogtum Westfalen
zu suchen. — v. Steinen IH, 949 f. ; — über Hoenburg: v. Steinen HI, 948; — Essellen in der Westfäi. Zeitschr. XXH, 261 ff.;
— derselbe, Geschichte der Sigambern S. 88-96; — derselbe, das Römische Castell Aliso (1857) S. 17, mit einer schematischen
Aufnahme und genauen durch Abbildungen erläuterten Beschreibung der Funde, die wie das Werk meistens in die Römerzeit
versetzt werden; — derselbe, Bonner Jalirbb. 29-30, S. 267; — Hölzermann a. a. 0. S. Taf. XXH. mit einem unrichtigen Situa-
tionsplane. Unserer Zeichnung liegt zu Grunde die Aufnahme F. A. Borggreve’s aus seinem Ms. in der Bibliothek des Alter-
thums-Vereins (Münster): Die Bumannsburg und die Hoenburg. 1871. Taf. V.; — über die Grundform der mittelalterl. Burgen
Nordhoff a. a. 0. S. 241—333. — Local-Untersuchung.
—o-
STOCKUM, HOENBURG.
mit Seitenthürmchen, wovon man vor ungefähr
zwanzig Jahren die Fundamente entdeckte, auch
künstlich fortificirt und ebenfalls wie manch’
kleine ,Wohnung1 nur mit Fachwerkbauten be-
setzt, als welche wir auch die "Wirthscliaftshäuser
des Vorwerks anzusehen haben. Deckte doch
das ganze Werk im Norden die starke Wallung
einer bis in unser Jahrhundert erhaltenen Land-
wehr, im Süden die Niederung und die Wasser-
wehr der Lippe; — so behelf lieh wurden die
Eittersitze in der altern oft noch in der spätem
Zeit angelegt, so weislich passende Bodenfigura-
tionen dafür ausgebeutet, damit es möglichst
weniger Kunstanlagen und Geldmittel bedurfte,
woran es nur zu häufig gebrach. Geschichtlich
ergibt sich auch, dass die Hoenburg 1388 von
der Familie von Herringen und jedenfalls nicht
lange bewohnt war. Wann sie verlassen wurde,
wissen wir nicht; genug, bei der erwähnten
Nachgrabung hat sie eine Menge Altertümer,
Waffen, Hausutensilien, Töpfchen, Metallgeräte
von Pferdegeschirren und verschiedenartiges Ge-
stein geliefert, doch eben so wenig wie das
Graben- und Hügelprofil trugen diese Stücke
einen Zeitcharakter, der dem Mittelalter fremd
oder römischer Technik vorzugsweise eigen wäre.
Das gilt hauptsächlich von den beiden Huf-
eisen und dem Sporen mit pyramidalem Dorn,
von der Kandare, von den an Geschirren ge-
brauchten Eingen, von dem Charnierüberzug mit
Streifen von Kupferblech oder Bronze (?), von
einem Schlosse, das augenscheinlich an einem
Koffer gesessen, von dem irdenen Töpfchen, den
hellröthlichen Besten einer auf der Drehscheibe
geformten Urne und den fünf Pfeilspitzen, deren
einige frühstens aus fränkisch-sächsischer Zeit
stammen; nur eine ist oben schon als römisch
angeführt und vielleicht noch von den Franken ge-
braucht. Das auffällig verzierte Irdengeschirr mit
Löchern kömmt wol kaum mehr dem Mittel-
alter zu, zumal da fast alle diese Fundstücke
nicht aus dem Gesammtbereiche der Burg, son-
dern aus einer viereckigen an drei Seiten um-
mauerten Vertiefung, also wahrscheinlich aus
dem Brande eines Fachwerkbaues herrühren, dem
man aus Oekonomie sogar an der Thürseite
eine steinerne Schwelle versagt hatte, indess ein
gewöhnliches trocknes Bruchsteinmauerwerk die
Fundamente der drei andern Seiten bildete.
Altertümer und Erdwerke lassen sich römisch
um so weniger an, als man schwerlich für ein
so zweitheiliges, in jedem Theile verschieden
und im Vorwerke gar unregelmässig eingerich-
tetes Werk eine annehmbare Bestimmung finden
dürfte. Und den Hauptflügel für eine römische
Warte zu halten, hindert doch wol der Mangel
an weitern Eingwerken und Funden.
Das Gemäuer weist entschieden auf das
Mittelalter und das nicht heimische Gestein,
Trass und Eothsandstein, welches auch nur in
schwachen Besten ausgegraben ist, lässt sich
als römisches Baumaterial nicht aussondern, weil
das römische Kriegsvolk anscheinend in den
nordischen Gegenden auf den Steinbau so gut wie
völlig verzichtet hat; der Quarzknauer wurde vom
Annaberg zu Haltern als besseres Baumaterial
zu Schiffe vertrieben und daher vielfach in der
Umgegend der Lippe gefunden, die ziegelartigen
Bausteine sind Trass, der vom Ehein in Form
von Backsteinen namentlich für Backöfen be-
zogen wurde. Auch die Sage, welche Herr Hof-
rath Essellen mir überliefert, auf der Hoenburg
seien einst vornehme Herren ansässig gewesen
und von dort nach der krausen Linde, d. i. Nien-
brügge bei Hamm verzogen, wo sich in der Lippe
ein eisernes Thor befinde, enthält doch höchstens
den Nachklang einer einstmaligen Communica-
tion zwischen beiden Burgen in mittelalterlicher,
nicht heidnischer Zeit.
Vorher S. 9, 14, 16, 29. — Ueber Stockum: Geschichte der Herren von der Recke, S. 255; — v. Ledebur a. a. 0. S. 35; — Wilmans, die
Kaiserurkunden der Provinz "Westfalen I, 145; — Storch, Monumenta inedita I, 140; — Fahne, Hövel I, 28, 32. Die Freigraf-
schaft Stockum ist nicht mit Fahne a. a. 0. I, 152 hier, sondern mit Seibertz, "Westf. Zeitschr. 2S, 85 im Herzogtum Westfalen
zu suchen. — v. Steinen IH, 949 f. ; — über Hoenburg: v. Steinen HI, 948; — Essellen in der Westfäi. Zeitschr. XXH, 261 ff.;
— derselbe, Geschichte der Sigambern S. 88-96; — derselbe, das Römische Castell Aliso (1857) S. 17, mit einer schematischen
Aufnahme und genauen durch Abbildungen erläuterten Beschreibung der Funde, die wie das Werk meistens in die Römerzeit
versetzt werden; — derselbe, Bonner Jalirbb. 29-30, S. 267; — Hölzermann a. a. 0. S. Taf. XXH. mit einem unrichtigen Situa-
tionsplane. Unserer Zeichnung liegt zu Grunde die Aufnahme F. A. Borggreve’s aus seinem Ms. in der Bibliothek des Alter-
thums-Vereins (Münster): Die Bumannsburg und die Hoenburg. 1871. Taf. V.; — über die Grundform der mittelalterl. Burgen
Nordhoff a. a. 0. S. 241—333. — Local-Untersuchung.
—o-