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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 3/4
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Naue, Julius: Bronze und Eisen in der Vorgeschichte Oberbayerns
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0022

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4- \ 8

Unter den aus Bronzeblech getriebenen und vernieteten
Gefäßen unterscheiden wir zwei Fornien: die eine, cylinder-
artig mit getriebenen Horizontalrippen, die in gleichweiten
Abständen angeordnet sind, bezeichnen wir mit dem Namen
„(Listen", die andere, einem umgestürzten Aegel gleichend,
glatt, mit und ohne Verzierungen, mit dem Namen
„Situlae". Beide Gattungen haben Henkel von starkem
Bronzedraht, die in angenieteten Vesen eingefügt waren.
Die Blechplatten sind sehr sorgfältig mit stachköpfigen
Bronzenägeln übereinander genietet und der Boden, als
niedere Schale geformt, auf gleiche Weife angefügt.

Unter den Situlen sind nun höchst wichtige Exemplare
gefunden worden, die durch ihre sigürliche Ausschmückung
ein besonderes Interesse erregen, indem sie uns Scenen
aus dem Thun und Treiben jener längst dahingeschwun-
denen Völker geben, so daß wir dadurch einen Einblick
in das Leben derselben gewinnen.

Sind die meisten dieser seltenen Gefäße mit ihren
Darstellungen von Gpferzügen, Hochzeitsfeierlichkeiten, von
Faustkämpfen, Wagenrennen u. s. w. auch in Italien ge-
funden worden, so dürfen wir doch aus gewissen Analogien
schließen, daß zwischen den vorgeschichtlichen Bewohnern
Italiens und denen Oberbayerns nur lokale Unterschiede
bestanden. So unbeholfen auch diese Darstellungen zumeist
sind, so verdienen sie doch wegen ihres lebenswahren und
lebensfrischen Inhalts volle Beachtung.

Eisten und Situlen sind, wie gesagt, bei uns sehr
selten; von ersteren können bisher nur drei, von letzteren
ja sogar nur eine als oberbayerische Funde bezeichnet
werden; diese einzige Situla, ohne jeden figürlichen Schmuck,
stammt aus einem Hügelgrab von Uffing, aus dem sie
der Verfasser, eingestellt in einen Binsenkorb, vor zwei
Jahren entnahm; sie enthielt ein kleines hölzernes Gefäß
mit dem Fragmente eines noch kleineren hölzernen Bechers:
drei Gefäße von größter Seltenheit, deren eines in Form
eines griechischen Aylix von \ \ 'j* cm größtem (Rand-)
Durchmesser den unwiderleglichen Beweis liefert, daß schon
damals — vor circa 2300 Jahren — die Drehbank mit
ausgesuchtem Geschick gehandhabt wurde.

Die Vergänglichkeit des Materials, welche das Vor-
konimen von holzarbeiten so selten macht, ist auch die
Ursache, weßhalb wir von den vorgeschichtlichen Fuhr-
werken, den Wägen, wahrscheinlich gar keine Aunde
hätten, wenn nicht die zahlreichen metallenen Beschlägtheile
uns eine Wiederherstellung ermöglichten. Daß die Wägen
nur in: Besitze der Angesehensten, wohl der Stammes-
fürsten, waren, dürfte keinem Zweifel unterliegen; dafür
spricht die reiche Ausschmückung derselben, und nicht minder
das kostbare Geschirrzeug der Pferde, welches fast immer
mitgegeben wurde. Da die Wägen selten gewesen sein
müssen, so darf es einigermaßen Wunder nehmen, daß
der Verfasser bei seinen Untersuchungen oberbayerischer
Hügelgräber bisher schon vier derselben, natürlich das Holz
vermodert, gefunden; einer dieser Funde wurde ganz in
der Nähe von München, bei Pullach gemacht, die anderen
drei bei Uffing am Staffelsee. Beim ersteren lag auf

Birkenrinde und nnt solcher wieder zugedeckt ein Doppel-
gürtel von Bronze, an dem sich ein bedeutendes Leder-
fragment vom Gurte erhalten hat, wodurch wir ersehen,
wie die Bronzetheile durch den Ledergurt mit einander

verbunden waren, ferner ein großer, breiter Ledergürtel
mit kleineren und größeren Bronzeknöpsen ornamentirt,
und zwei Bronzetrensen: alle diese Gegenstände gehörten
zum Pferdegeschirre.

Drei der Wägen waren zweiräderig und nur einer
vierräderig. Der Wagen besteht aus einem niederen Aorbe
mit Trittbrett, das über der Achse angebracht ist. Der
Aorb war vorn Häher als seitwärts und bestand wohl aus
einem Gesiechte von Weidenruthen, das mit dünnen holz-
platten verkleidet und oft mit kleinen Bronzenägeln und
Bronzeblechen verziert war. Das verhältnißmäßig kleine
Rad hatte 6—8 Speichen; die Radreifen waren sehr schmal
und dünn und an den Seiten umgebogen, so daß sie über
das Holz faßten, die Nägel waren lang, vierkantig und
einer dicht neben dem andern eingeschlagen, verstärkten
somit den Radreifen. Durch ihre Form erhielt das Rad
verhältnißmäßig wenig Fläche, und so war es möglich,
über jedes Terrain schnell und ungehindert zu fahren.
Oft waren die Speichen mit Bronzeblech bekleidet. Die
Naben sind sehr lang, ähnlich den unseren, doch schöner
geformt und mit Bronzeblech überzogen; sie hatten nach
außen Eisenkapseln und nach innen schmälere oder breitere
Eisenreifen. Die Ornamente, welche auf diese im Querschnitt
halbrunden Reife eingravirt und mit Bronze tauschirt sind,
bestehen aus Senkrechten, Parallelen, Diagonalen, Halbkreisen
mit Tentralpunkten u. s. w., und sind vorzüglich ausgeführt.
Die auf diesem halbwulstförmigen Rand eingeschnittenen
geraden Linien zeugen von großer Sicherheit und machen
den Eindruck, als wären sie mit dem Lineal gezogen, —
und das Alles auf einem kaum millimeterdicken Eisenblech!
Wir sehen also auch hier wieder eine außerordentlich
entwickelte Fertigkeit und technische Gewandtheit, die vor
keiner Schwierigkeit zurückschreckt. Freilich kommt das
vortreffliche Material dazu; man wußte noch nichts von
der Steinkohle, die ja jetzt ausschließlich zur Herstellung
des Eisens verwendet wird. Auch kleine Eifenknöpfs
verstand man mit strahlenförmigen Bronzetauschirungen
zu versehen.

Die lange und schmale Deichsel war am Wagenkorbe
befestigt und nach vorn zu sehr dünn, so daß nur ziemlich
kleine Bronzebeschläge als Verzierungsstücke angewandt
werden konnten. Oft kommen kleine Hörner vor, die wohl
auch mit Goldblech überzogen waren; dadurch ließ inan
sich verleiten, diese Deichselbeschläge für ganz etwas Anderes
zu halten. Ueberhaupt tritt uns in vorgeschichtlichen Zeiten
so viel Neues und Unbekanntes entgegen, daß wir sehr oft
in Verlegenheit kämen, den Gebrauch desselben zu deuten,
wenn wir solche Gegenstände nicht bei und auf den Skeletten,
oder neben und mit den Gerüchen u. dgl. fänden, zu welchen
sie vordem gehörten.

Daß eine Lultur, die so reiche Spuren hinterlassen hat,
nur in einer sehr langen Friedens-Aera gedeihen konnte,
unterliegt wohl keinem Zweifel. Wir dürfen aber auch
nicht glauben, daß die Entwickelung eine schnelle gewesen
sei; in jenen Zeiten, wo die Verbindung nach außen
wesentlich erschwert war, und wo nur selten ein Händler
vom Süden, Osten oder Westen mit neuen Gegenständen
eintraf, ging alles langsam, aber stetig vorwärts, Die
ganze hallstatt-periode umfaßt einen Zeitraum von fünf,
bei uns vielleicht einen solchen von sechs Jahrhunderten,

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