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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 3/4
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Naue, Julius: Bronze und Eisen in der Vorgeschichte Oberbayerns
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Sepp, J.: Der Hermes von Olympia und dessen gewagte Restauration, [2]: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein zu München von Prof. Dr. J. Sepp
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0023

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4- (9 -*■

und die Blüthezeit derselben liegt in der Mitte des letzten
Jahrtausends vor Christo. Bei uns scheint dieselbe ver-
hältnißmäßig lang gedauert zu haben.

Der in Vorstehendem beleuchtete Standpunkt, den die
Metallbearbeitung in der Vorgeschichte Gberbayerns
einnahm, gibt nur ein unvollkommenes Bild damaliger
Kultur; zur Vervollständigung desselben müßten vor Allem
auch die zahlreichen Thongefäße einer Besprechung
unterzogen werden, was außerhalb der uns gestellten Auf-
gabe lag. Immerhin aber sind die durch Mort und Bild
vorgeführten Merke einer grauen Vorzeit ein unwiderleg-

liches Zeugniß dafür, daß zu allen Zeiten der Menschen-
geist gestrebt, die Menschenhand geschaffen hat. Und wenn
wir, in einem höheren Lebensalter stehend, gerne noch ein
Bildchen, ein Spielzeug oder sonst etwas zur pand nehmen,
was in der Kindheit uns Freude gemacht hat, so werden
wir wohl auch in unserer, auf ihr Wissen und Können
mit Recht stolzen Gegenwart mit Wohlwollen, ja mit
Anerkennung, mit Bewunderung die Arbeiten früherer
Zeiten betrachten, Arbeiten, die zudem auf einem Boden
geschaffen wurden, der uns Allen jetzt eine peimat, vielen
von uns der Boden des engeren Vaterlandes ist.

§ Smucs m> WilM uiiti öcp gewagte Restauration.

Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein zu München von Prof. Dr. J. Sepp.

(Schluß.)

s war frommer Brauch, daß alle anständigen
Athener wenigstens die niederen weihen nahmen,
und man verargte dem Sokrates und Plato die
Unterlassung als Gottlosigkeit. Nach den Vor-
bereitungen am ersten, dem Meerbad am zweiten, den
Opfern und der Investitur im weißen Gewände ani dritten
und vierten Tage, ging am fünften vom Terestempel zu
Eleusis aus die Fackelprozession vor sich, wozu man große
Wachskerzen opferte. Man reichte sie brennend von pand
zu pand, es galt die Irrsale der Göttin auf der Suche nach
ihrer entschwundenen Tochter Proserpina darzustellen, bis sie
endlich aus der Unterwelt wieder auftauchte — noch mehr!
es diente zum Symbol, wie das Licht des Lebens im
Kreise der Schöpfung von Einem zum Andern sich fort-
pflanze, zugleich aber das geistige Licht oder die Leuchte der
höheren Lrkenntniß, die zuerst am Altäre der Gottheit
gezündet worden, durch priesterliche Vermittlung von Geschlecht
zu Geschlecht sich traditionell übertrage.

Der sechste Tag hieß der des Jacchos und war
der feierlichste. An ihm wurde der Säugling der Demeter
unter großen Lermonien zu Athen aus der Kapelle geholt,
mit einem Myrtenkränze gekrönt und unter Jubeln und
Jauchzen (iaxXa^etv) von den Geweihten über die Agora
durch die Vorstadt Keramcikos und das Dipylon oder heilige
Thor nach Eleusis, den: Mittelpunkte des Festes und Schau-
platz der Religionsgeschichte getragen. Eine ungezählte Volks-
menge wallte mit, Priester, Obrigkeiten und die Schaar
der Mysten waren mit Myrten und Eppich bekrönt und
führten Aehren und Ackergeräthe mit sich, zur Vergegen-
wärtigung, daß der ursprüngliche Tultus aus der Tultur
erwachsen. Der Zug ging über die Felder von Rharos,
wo Triptolem, der dreimal Pflügende, von Tarsus
aus zuerst die Goldfrucht (dcpiorct) auf europäischem
Boden ausgesäet. Man hielt diese Aehren so heilig, wie
die Indianer die waizenkörner, welche der weiße Mann
mitgebracht und angepflanzt, als Geheimniß der Lebens-

erhaltung bis auf unsere Tage aufbewahrten. Es ist nicht
zufällig, erklärte Schelling, daß auch die christliche Re-
ligion Brod und wein im Mysterium bewahrt,
welches dessen Stifter mit Bezug auf Fleisch und Blut ein-
gesetzt hat. — Speise und Trank von den höchsten Gaben
der Natur, als Nahrung zun: ewigen Leben in: pinblick
auf Nektar und Ambrosia, bildeten eben den Kern der
Lleusinien und die höchste Weihestufe. Der ganze weg von
vier Stunden Länge mußte bis Eleusis zu Fuß zurückgelegt
werden, selbst von den Frauen; denn diese „heilige Straße"
war das Vorbild des mühsamen dornenvollen Weges, welchen
die von höheren Regionen herabgestiegene Psyche auf der
Rückkehr zu wandeln hatte, um nach dreitausendjährigem
Irrsale geläutert durch die Götterpforte aufwärts zu den
himmlischen Sphären oder in's verlorene Paradies zurück-
zugelangen. Dies sind pur antike Gedanken.

Das geistige Ziel dieser Wallfahrt war Jacchos oder
Jobacchos. Er selbst galt für den Erfinder des Festliedes,
welches die doppelte Geburt des Dionysos besang und
wurde bei dieser Feier durch den kostümirten Jacchagogos ver-
treten. Der Daduch oder Fackelträger stimmte den Pochgesang
an: „Sohn der Semele Jacchos!" und der ganze Zug
respondirte in Antiphonen, woran sich die nächtlichen
Vigilien schlossen — lauter Namen, die in die christliche
Liturgie übergegangen sind, war die Aufnahme und
Salbung der Mysten beendigt, so hob der Weihepriester
zu lispeln an:

SoifcpeZxe, jaücrcat, xoö ■9-eoü asatpaptsvou,

“Earai yxp Tfjfifv ex uovou awx7]plx.

Faßt Muth, Geweihte Gottes des Erlösten,

Denn auf dies Mühsal folgt beglückte Rückkehr.

Man begrüßte den Aufgenomnienen mit XaFps vujxcpts,
„Glück auf, Bräutigam!" und er empfing nun die
Tommunion: „Speise Hab' ich von der Eymbel und Trank
vom Becken genonmren", lautete die inystische Erkennungs-
formel. Das Dax vvdiscum oder die Entlaffungsformel
 
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