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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 5/6
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Vereins-Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0041

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"Vereins-Ohnonik.

Die Wochenversammlung vom 7. Dezember 1886 brachte einen
Dortrag des Privatdozenten Dr. BertholdRiehl über „Sdjmucf des
deutschen Lsauses im Mittelalter und in der Renaissance", in
welchem der Dortragende ein lebendiges Bild der allmäligen Entwickel-
ung des Kunstbedürfnisses in deutschen Landen zu geben wußte. Das
deutsche ksaus des Mittelalters, welches nur vom lfofe aus zugänglich
war, sich somit nach Außen völlig abschloß, war so recht charakteristisch
für das deutsche Volk; aber so sehr sich also das Leben des Deutschen
im ksause absxielte, so dauerte es doch sehr lange, bis sich das
Innere des kjauses zu schmücken anfing. Ursprünglich rein Bedürfniß-
bau erhielten selbst Paläste erst in Folge der Kreuzzüge eine über das
absolute Bedürsniß hinausgehende Ausstattung; die große Blüthezeit
romanischer Kunst (XII. Iahrh.) zeigt noch keinen Einfluß aus das
bürgerliche kjaus. Erst nachdem die Kunst durch die Kirche groß
gezogen worden, konnte sie in das freie Leben hinaustreten; man
begann die Wände mit Teppichen und Malereien zu schmücken und
in der zweiten ksälfte des XIII. Jahrhunderts wird schon zahlreiches
Kleingeräth mit Minnescenen u. A. geschmückt. Was in den Museen
an ksausrath aus dem Mittelalter zu finden ist, gehört fast aus-
schließlich dem XV. Jahrhundert an. Das ist eine Zeit der wich-
tigsten Entwickelung, des Keimens, eine Zeit, in der das Bestreben
des Einzelnen, sich von Andern zu unterscheiden, zur Entfaltung kam,
was allerdings auch mitunter die wunderlichsten Auswüchse, z. B.
in den Moden, im Gefolge hatte; es ist eine Zeit jugendlicher, exen-
trischer Leidenschaft, während das XVI. Jahrhundert den Ernst und
den Lharakter des Mannes zeigt. Diese Sebstständigkeit spricht sich
auch in der deutschen Renaissance aus, die in ihren charakteristischsten
Zügen von deutschen Künstlern neu geboren wurde, auf Grund ihrer
Studien in Italien, während dagegen die französische Renaissance
direkt durch Italiens Künstler imxortirt wurde.

Der auf den ;4. Dezember festgesetzte Vortrag des Herrn Dir.
Lange über die kunstgewerblichen Ausstellungen des
Jahres 1886 mußte wegen der auf diesen Tag anberaumten
außerordentlichen Generalversammlung, über welche bereits im letzten
Heft ausführlich berichtet wurde, ausfallen, weßhalb die nächste
Wochenversammlung erst am 4. Januar 1887 statthatte. Nach kurzer
Neujahrsbegrüßung seitens des Vorsitzenden, Direktor Lange, hielt
Privatdozent Dr. Hermann Dingler den angekündigten Vortrag
über „Landschaft und Vegetation in Syrien". Ein fast
einjähriger Aufenthalt im „gelobten Land" setzte den Redner in den
Stand, von Land und Leuten daselbst und von der Fahrt dahin über
Konstantinoxel und Alexandria nach Jaffa ein treues Bild zu ent-
rollen. Das wohlangebaute Küstenland wird gegen Jerusalem hin
immer steiler und steiniger und bei der Wasserscheide des Jordan-
Gebietes ist die Vegetation geradezu armselig. Auf einem Ausfiug
von Jerusalem aus machen wir Bekanntschaft mit einem Beduinen-
lager und weiterhin mit dem Iordanthal, wo sich von der 2000' hohen
Wasserscheide vor dem todten Meer eine prachtvolle Aussticht auf das
gegenüberliegende kahle Moabiter-Gebirge aufthut, welches nur in
seinen unteren Terrassen eine nennenswertste Vegetation aufweist. Auf
höherer Kulturstufe steht Nordsyrien, dessen Hauptstadt Damaskus
auf einer vortrefflichen, von Franzosen gebauten Straße von Beyrut
aus erreicht wird. Die alte Wohlhabenheit und Bedeutung der Stadt
ist freilich dahin; aber in den offenen Bazarbuden verfertigen noch
viele Hände allerlei kunstgewerbliche Gebilde, besonders Arbeiten aus
Holz und Perlmutter. Die Wohnhäuser, in der Regel unten aus
Bruchsteinen, oben aus Lehm-Fachwerk gebaut, befitzsn meist einen
mit laufendem Wasser und Bassin versehenen Hof, an dessen, dem
Eingang gegenüber liegender Seite eine Halle durch Divans zur Ruhe
einlädt; der oft bis is Meter lange, s Meter breite und 6 Meter
hohe Raum wird von weiß gestrichenen wänden und einer hölzernen,
fchwarzroth oder tiefxürxur gemalte» und mit Koransxrüchen ver-
zierten Decke umschlossen, von besonderem Interesse sind die Holz-
vertäfelungen, die mit einer Masse überzogen werden, in welche —
so lange sie weich ist — Ornamente eingexreßt und bemalt werden.
Ein kurzer Besuch der kunstgeschichtlich ungemein interessanten
Ruinen von Baalbeck und die Besteigung des Hermon (Dschebel-
Schech) schloß den farbenreichen, durch zahlreiche Photographien,
gepreßte Pflanzen u. s. w. illustrirten Vortrag.

Am 11. Januar sprach Herr Lonservator vr. RichardMuther

über „Die Anfänge der Genre- und Landschaftsmalerei",
und entrollte von der auch für die dekorative Kunst des 16. Jahr-
hunderts, insbesondere auch für das Illustrationswesen, hochbedent-
samen Entwicklung der Genre- und Landschaftsmalerei ein so lebens-
volles Bild, daß wir uns namentlich im Interesse der auswärtigen
Vereinsmitglieder für verpflichtet halten, den Vortrag mit geringen
Modificationen zum Abdruck zu bringen. Die Abend-Ausstellung
entfaltete einen ganz außerordentlichen Glanz durch die Vorführ-
ung eines Reliquienkästchens aus Ebenholz, mit Lasurstein, Mala-
chit, Bronze, Silber, Email und Edelsteinen reichgeziert, von wi lh.
widemann, Lehrer an der Kunstgewerbeschule zu Frankfurt a. M.,
welches schon in den kleinen dekorativen Einzelheiten eine ganz her-
vorragende künstlerische Begabung verrätst, während das Figürliche
in der Freiheit der Bewegung an keine Geringeren als an Michel-
angelo und Bernini erinnert. — Außerdem waren Theile einer Saal-
einrichtung für den Fürsten von Lippe-Detmold ausgestellt, die ihrem
Autor, unserm Vereinsarchitekten Herrn B r 0 ch ier alle Ehre machen:
zwei große Schränke, Leder- und Plüsch-Stühle, geschnitzte Thüraufsähe
und ein großer Tisch. Die Bidhauerarbeit der größeren Stücke lag
in den bewährten Händen La rl Fischer's, die der kleineren wurden
von Bildhauer Gl atz ausgeführt; die Schreinerarbeit fertigten I-
wachter und L. Zahn, die geätzten und ciselirten Beschlägtheile
lieferte F. Isarrach, die prachtvollen Lederxolster hat Tapezier
Klöpfer nach Originalien im National-Museum hergestellt und Frl.
Math. Iörres besorgte die Goldstickereien, (wir werden auf all'
diese Arbeiten später noch zurückkommen.)

In der wochenversaminlung vom 18. Januar sprach Herr vr.
Hans Riggauer, Adjunkt am k. Münzkabinet, über „Gemmen-
kunde"; der Vortrag, welchen wir in seinen wesentlichen Theilen der
Zeitschrift einverleiben werden, war durch zahlreiche Abdrücke von
geschnittenen Steinen aller Zeiten und Länder, welche dem Entgegen-
kommen des Vorstandes des Münzkabinets, Herrn Prof. Or. v. Brunn,
zu verdanken waren, illustrirt.

Die darauffolgende Wochenversammlung vom 25. Januar galt
als erster heuriger Gildefachabend den Schmieden, Schlossern, Kupfer-
schmieden u. s. w. Den Vortrag hatte Prof. Schröter übernommen,
welcher die Aufgabe, im verlaus einer Stunde eine Uebersicht über
Kleinmotoren zu geben, in ungemein klarer weise löste. Als
Grundbedingungen für brauchbare Kleinmotoren sind völlige Gefahr-
losigkeit, stete Dienstbereitschaft, möglichst automatischer Gang bei ein-
facher, übersichtlicher Konstruktion, geringe Anlage- und Betriebskosten
anzusehen, von den bewegenden Naturkräften — Wasser, wärme, Lust,
elektrischer Strom — kommt die letzte als noch zu unsicher und die
Luftströmung aus andern Gründen nicht in Betracht, Wasser nur da,
wo Anschluß an städtische Wasserleitungen und billiger wasserxreis
vorhanden, -wie z. B. in Zürich, Genf und Luzern. Die Wärme da-
gegen kann sehr vortheilhaft ausgenützt werden, weniger durch Damxf-
crzeugung, als durch heiße Luft. Redner erläuterte nun an der Hand
großer Wandtafeln die allmälige Entwicklung derartiger Maschinen
von Erikson's ersten versuchen an; er besprach Lehmann's Luft-
exxansionsmaschine und Shaw's Gedanken der direkten Nutzbar-
machung der heißen Verbrennungsgase, welcher Gedanke den heutigen
Gasinaschinen zu Grunde liegt und in Gtto's und Adam's
Gasmotoren seine vollkommenste Verwirklichung fand. In neuester
Zeit sucht man diese Motoren von dem Vorhandensein öffentlicher
Gasanstalten dadurch unabhängig zu machen, daß man mit Petroleum
oder Benzin selbst Gas erzeugt. — Nach dem Vortrag gab der Vor-
sitzende eine Uebersicht über die sehr reichhaltige Abendausstellung der
Gilde, ersuchte die Mitglieder um Bezeichnung der zur Prämiirung vor-
geschlagenen Lehrlinge und veranlaßte die Wahl der Jury.

Auf ein ganz neues und doch eigentlich sehr altes Gebiet führte
am 1. Februar Herr Historienmaler Jul. Naue die Zuhörerschaft,
indem er, der sich seit Jahren um die vorgeschichtliche Erforschung
Oberbayerns die größten Verdienste erworben hat, über „die Kultur
der vorgeschichtlichen Bevölkerung Oberbayerns" sprach.
Der ungemein interessante Inhalt dieses Vortrags veranlaßt uns, den-
selben in gedrängterer Darstellung den Lesern der Zeitschrift vor-
zuführen, allerdings unter einem etwas veränderten Titel, da der
Raum nur für den interessantesten Theil, die Bronze und das Eisen,
ausreichte. Zahlreiche von dem Vortragenden gemachte und ausgestellte

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