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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 7/8
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Muther, Richard: Die Anfänge der Genre- und Landschaftsmalerei, [1]: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein am 11. Januar 1887 von Dr. Richrad Muther
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Vermischte Mittheilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0056

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die Botschaft empfängt. In einer gothischen Nische an
der Fensterwand steht ein flaches Waschbecken; in einer
zweiten ist einiges pausgeräth aufbewahrt, eine Kanne,
ein Becher, ein Leuchter und zwei Bücher; durch die offenen
Fenster fällt das Helle Lonnenlicht in das Gemach und
erzeugt bereits jenes dämmerige Helldunkel, dessen wunder-
bares Spiel im Innenraum zwei Jahrhunderte später
Pieter de pooch mit so großartiger Virtuosität zu be-
handeln wußte.

Finden wir hier den ersten realistisch durchgeführten
Innenraum, so finden wir im innern Schrein die erste
realistisch durchgeführte Landschaft. Pier trinken die Künstler
gleichsam mit vollen Zügen aus der neueröffneten Quelle.
Der Zauber der Landschaft ist ihnen aufgegangen; der
Pimmel ist nicht mehr golden, sondern blau, von Wölkchen
durchzogen, von Vögeln belebt, Wiese und Wald prangen
in saftigem Grün, sanft aufsteigende pügel begrenzen die
Ebene, Felsen in phantastischer Form treten hervor. Sie
können sich in ihrer jugendlichen Freude kauin genügen,
möchten alle Blätter und Früchte der Bäume, alle Blumen
des Feldes, selbst die Thautropfen im Grase malen. <Es
ist das Maasthal mit seinen hohen spitzen Kirchthürmen,
mit seinen nackten, schroff emporsteigenden, oben von Busch-
werk gekrönten Felsenwänden, durch welches die Streiter
Christi und die gerechten Richter einherschreiten. Für
manche Mängel in der Perspektive und der Terraingliederung
entschädigt das harmonische und in vollen Tönen gehaltene
Tolorit.

Kommt so in diesen beiden Werken der Realismus
gleichzeitig zum Durchbruch, so hat doch für die Entwicklung
der Genre- und Landschaftsmalerei Italien in der Folgezeit

keine Bedeutung erlangt. Die italienische Kunst war eben
eine durchaus monumentale; ein Zug, der sich am klarsten
vielleicht in Michel-Angelo ausgesprochen findet. Ihn
fesselt nur der nackte menschliche Körper als solcher, nicht
der Alltagsmensch in seinen kleinen Leiden und Freuden,
noch viel weniger die Natur, die den Menschen umgibt.
Die fünf nackten Jünglinge, die er im pintergrunde seines
Madonnenbildes in den Uffizien anbringt, haben lediglich
den Zweck, die landschaftlichen Einzelheiten zu ersetzen. Auch
in den Bildern der sixtinischen Kapelle ist der Boden wüst
und leer, selbst auf dem Gewölbfelde, wo Gott Gras und
Kraut und fruchtbare Bäume entstehen läßt, ist von alledem
nur ein Baumwipfel angedeutet. Die Italiener kennen
eben die romantische Naturauffassung nicht, wie sie uns
nordischen Völkern eigen ist; sie verstehen uns gar nicht
mit unseren Reisen der Naturschönheiten wegen, und das-
selbe gilt von den Spaniern. Dementsprechend hat die
selbständige Landschaftsmalern in Italien und Spanien
denn auch nie geblüht. Die wunderbaren landschaftlichen
pintergründe auf den Bildern Tizians oder Giorgione's
zeigen zwar einen lebhaften gelegentlichen Blick für die
malerischen Reize der Landschaft, aber sie spielen doch keine
selbständige Rolle. Und die Landschaften Annibale
Larracci's sind doch mehr geistreiche Dekorationen nach
Kuglers Ausdruck; feine Nachfolger gehen nicht über ihn
hinaus; Salvator Rosa steht ziemlich allein da als eine
der Ausnahmen, welche die Regel bestätigen, und doch:
wer vermöchte feine Landschaftsgemälde den Schöpfungen
eines Ruisdael und pobbema, eines Rembrandt oder
selbst des freilich ganz verschiedenen Tlaude Lorrain an
die Seite zu setzen! (Schluß folgt.)

'Vermischte MiVheilunqen.

Frankfurt a. SU. Mit der Eröffnung der Freiherr!. Karl von
Rothschi ld'schen Sammlung zu Anfang Juni d. I. hat Frankfurt —
was ihm bisher leider fehlte — ein kunstgewerbliches Museum erhalten,
welches stch den Sehenswürdigkeiten allerersten Ranges würdig einreiht.
Ls ist in Fachkreisen oft genug bedauert worden, daß diese Sammlung
zu Lebzeiten des Besitzers nur unter Schwierigkeiten zugänglich war.
Diese Schwierigkeiten sind — wie hier in Parenthese bemerkt sei — im
Wesentlichen durch das wenig taktvolle Benehmen mancher Besucher
veranlaßt worden, die entweder dem Besitzer selbst gegenüber ihre
überwiegende Kenntniß durch abfällige Kritik zu zeigen beliebten, oder
(wir denken an den Redakteur einer norddeutschen Vereins-Zeitschrift),
zum Dank für die gewährte Besichtigung die Sammlung und ihren
Besitzer zum Gegenstand von — gelinde gesagt, wenig geschmackvollen —
Feuilleton-Ergüssen machte.

Das Rothschild-Museum setzt sich zusammen aus demjenigen Theil
der früheren Sammlung, welche in der unmittelbaren Umgebung des
verstorbenen Freiherrn in dem Stadthause untergebracht war, und dem

in Frankfurt verbliebenen Theil der bereits einer Theilung unterzogenen
Günthersburg-Sammlung. Letztere enthält im wesentlichen größere
Silberarbeiten: eine Reihe großer Tafel- und Prachtgefäße, Doxxel-
becher, Schalen und Kannen in kunstvollster getriebener Arbeit, mehrere
der berühmten Nürnberger Meisterschaftsbecher in sogen. Agley-Form;
den laufenden Amor, welchen M. Rosenberg's Untersuchung als
ein wahrscheinlich in Iamnitzer's Werkstatt von I. Rösner ver-
fertigtes Werk nachgewiefen hat (stehe Lut hm er, der Schatz des Frhrn.
v. R. II. s); ferner eine ziemlich große Menge kirchlicher Silber-
geräthe, darunter die herrliche Renaissance-Monstranz und die große
in Silber getriebene Madonna mit dem Kinde (ebenda II, ;6). Endlich
gehört hiezu eine beachtenswerthe Anzahl von Limoges-Arbeiten, dar-
unter ein hervorragendes Stück (Flügelaltar) unverkennbar in der Art
des Nardon Penicaud, und mehrere schöne Stücke Sevres-Prozellan.

Als pauxtstücke der Silberarbeit schmücken dann der Nerkel'sche
Aufsatz von Iamnitzer und das fränkische Trinkhorn des Lorenz
von Bibra (a. a. G. I. und II. 7) die Sammlung.
 
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