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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 1/2
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Vereinschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0011

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4" 7 "5-

"Vereins-6hronik.

Erste Wochenversammlung am 2. November ;886. Der I. Vor-
stand des Vereins, Herr Direktor Lange, begrüßte Namens der
Vorstandschaft des Vereins die Versammlung und entwickelte das
Programm für den kommenden Winter, welches außer den Vorträgen,
deren Reihenfolge und Inhalt durch gedruckte und an die Anwesenden
vertheilte Uebersichten bekannt gegeben wurde, u. A. auch Aus-
stellungen und — im geselligen Theil — musikalische Vorträge seitens
eines (Luintett-Vereins enthielt. — Hierauf folgte ein Bericht über
die Vereinsthätigkeit seit der letzten Wochenversammlung. Mit warmen
Worten gedachte der Redner der eifrigen Förderung, welche weiland
St. ITtaj. König Ludwig II. dem Kunstgewerbe, insbesondere dem
einheimischen Kunstgcwerbe, zu Theil werden ließen, die sich nicht
nur in zahlreichen Aufträgen für die k. Schlösser, sondern auch in
Stiftungen bethätigte, deren Ertrag zur Unterstützung handwerklicher
und kunstgewerblicher Bestrebungen dient: in der Maximiliansstiftung,
in dem König-Ludwig-Preis am bayr. Gewerbe-Museum zu Nürnberg
und in der Wittelsbacher-Landesstiftung. Das durch den Tod des
Königs verwaiste Protektorat über den verein hat, wie bereits ge-
meldet, Se. K. Hoheit Prinz -Regent Luitpold zu übernehmen geruht;
der Freude darüber gab die Versammlung Ausdruck durch Erheben
von den Sitzen. In gleicher Weise wurden die in den letzten Monaten
verstorbenen Vereinsmitglieder geehrt: die Maler Earl v. Piloty,
Foltz, Eäsar Willich, ferner Hofxhotograph I. v. Albert, die
Bildhauer Alfr. Püschl und Jul. Schmidt, Buchdrucker Gg.
Meßner, Brandversicherungsinsxektor Mayer von Schauensee,
Priv. Jos. Sedlmayer (früherer Großbräuereibesitzer), Glasmaler M.
Meixner, Fhr. Ludw. v. Eichthal, sämmtlich in München; ferner
auswärts: Th. Goigges (Lonstanz), Jos. Bummerstedt, Architekt
(Bremen), Earl Ramminger, Zeichenlehrer (Eßlingen) und der
durch seine kunstgewerbliche Sammlung berühmte Earl v. Rothschild
(Frankfurt a/M.) — In Bezug auf die Ausstellungshalle konnte fest-
gestellt werden, daß der diesjährige Ertrag im Vergleich zum Vorjahr
sich etwas gebessert hat. — Heber den Delegirtentag zu Dresden, ;8.
und April, wurde bereits auf Seite ^6 des vorigen Jahrgangs
ausführlich berichtet. — lieber die diesjährigen Ausstellungen zu
Berlin und Augsburg sprach sich Direktor Lange nur kurz aus, da
er sich Vorbehalten hatte, im Laufe des Winters einen eingehenden
Bericht darüber zu erstatten; dieses Vorhaben wurde leider durch die
auf den tl. Dezember — den Tag der Berichterstattung — gefallene
außerordentliche Generalversammlung vorerst vereitelt. Die Berliner
Jubiläumsausstellung war von 25 Vereinsmitgliedern mit zusammen
72 kunstgewerblichen Gegenständen beschickt und errangen sich Professor
Fritz v. Miller die goldene Medaille und Professor Halb reit er und
Architekt Brochier ehrende Anerkennungen. Die Augsburger Aus-
stellung konnte mit Hilfe einer Unterstützung aus der Wittelsbacher-
Landesstiftung von mehreren in den letzten Jahren bei den Gilde-
abenden preisgekrönten Gewerbegehilfen besucht werden. — Während
des Abends waren eine Anzahl Lichtdrucke — Innenansichten reicher
amerikanischer Häuser — ausgestellt, ein Geschenk von dem Ehren-
mitglied des Vereins, Architekt H. I. Schwarz mann in New-Hork.
Näheres über Inhalt des ganzen Werkes, zu welchem jene Blätter
gehörten, findet sich in den Mittheilungen „aus der Vereinsbibliothek".

Wochenversammlung vom 9. November. Vortrag des Herrn
Prof. Or. Max Haushofer: „Kunstgewerbliche Anregun-

gen." Das letzte Ziel dieses Vortrags war, den Kunsthandwerker
auf die für die ornamentale Ausschmückung der Gegenstände uner-
schöpstiche Tuelle der Natur hinzuweisen, da er seine Gebilde nicht
wie Maler und Bildhauer direkt der Natur nachahmen kann, sondern
sich vor allen Dingen der technischen und zwecklichen Nothwendigkeit
unterordnen muß; erst dann tritt das künstlerische verständniß in
seine Rechte, welchem die Entscheidung darüber zusteht, wo ein
Gruament überhaupt am Platze ist, ob es leicht oder schwer, flach
oder in Relief, vielfarbig oder einfarbig u. s. w. sein darf. Unter
den verschiedenen Drnamentgattungen nehmen die geometrischen
die unterste Stufe ein, trotz der hohen Ausbildung derselben durch
die Araber und Mauren; Geduld, Lombinationsgabe und ein be-
scheidenes Maaß von Geschmack müssen hier vielfach die schöpferische

Phantasie ersetzen. Die Natur selbst bietet hiefür spärliche Vorbilder;
einen um so größeren Reichthum stellt sie uns in der Pstanzenwelt
zur Verfügung, obgleich von den etwa 250,000 Pstanzensxecien nur
ein sehr kleiner Theil ornamental verwerthet wird, was das
pflanzliche Grnameut stets wieder von der Natur entnehmen
muß, das ist die organische Gliederung des Ganzen und der einzelnen
Theile; schwieriger und nur mit großer Vorsicht kann auch die Land-
schaft mit hereingezogen werden, wofür die japanischen Arbeiten die
zahlreichsten und besten Belege bieten, von thierischen Drga-
nirmen können namentlich solche ornamental verwendet werden, deren
Körperbau sich scharf charakterisiren läßt; der Löwe, das Windspiel,
der Delphin lassen sich leichter verwerthen als der Bär, das Schwein,
der Walfisch. Uebrigens haben Sage und Dichtung, Symbolik und
Allegorie manchem Thier die Aufnahme in die Verzierungskunst ver-
schafft. Eine Stilifirung wird je nach dem Lharakter des Grna-
mentes stets eintreten müssen, um so weniger allerdings, auf je
tieferer Entwicklungsstufe der verwendete thierische Grganismus steht;
die Mollusken stehen sogar dein Vrnament vielfach schon so nahe,
daß eine direkte Verwendung derselben — Turriliten, Kreiselschnecken,
Pilgermuscheln, Nautilus — nicht selten möglich ist. Die Stilifirung
eines Thiers, wie überhaupt jedes Naturgebildes, wird stets darauf
Hinzielen, das Lharakteristische hervorzuheben, gewissermaßen zu über-
treiben ; nur so ist es auch möglich, Thiergestalten zu combiniren,
sei es unter sich — wie bei den Sxhynxen, Lentauren, Tritonen,
Faunen re, — sei es mit Pflanzen oder mit dem Menschen. Dar-
stellungen des Menschen im Bereiche der ornamentalen Kunst be-
zeichnen die höchste Stufe der Grnamentik; doch ist eine sinnbildliche
Bedeutung derselben erwünscht, sobald sie über eine gewisse Größe
hinausgehen. Die zahllosen aus dem Gebiet der Geräthe rc. entlehnten
Ziermotive eröffnen das weite Gebiet der Allegorie und der
Symbolik, ein Gebiet, dessen nähere Betrachtung in einem späteren
Vortrag Prof. Max Haushofer in angenehme Aussicht stellte.

Wochenversammlung vom ;S. November. Vortrag von Prof.
Hoyer über Buntpapier, Tapeten, Papierstuck. In gleichem Maaße,
wie in den letzten Jahrzehnten die Papiermasse vielfach als Roh-
material an die Stelle von Holz und Eisen — Garnspulen, Eisen-
bahnräder (ohne die Reife), Gefäße, Röhren u. s. w. — getreten ist,
hat sich das Interesse an diesem Material verallgemeinert. Indem
Redner von diesem Gedanken ausging, entrollte er zunächst ein Bild
der geschichtlichen Entwicklung der Buntxapierfabrikation, deren erste
Spuren sich bis in die Mitte des XVI. Jahrhunderts verfolgen lassen,
nachdem man schon früher gemustertes Papier mittels Schablonen
hergestellt hatte; aus der Zeit um ;550—70 sind Proben davon im
Germanischen Museum zu Nürnberg. Die Grundlage des eigentlichen
Buntpapieres wurde durch die Erfindung des sog. „Marmorxaxiers",
um \6oo, geschaffen und gleichzeitig auch Gold- und Silber-Papier
eingeführt. Die Verfertigung desselben lag damals ausschließlich in
den Händen der Buchbinder; ein auf der Nürnberger Stadtbibliothek
befindliches Buch aus dem Anfang des XVII. Jahrhunderts lehrt
das verfahren ausführlich. Die erste größere Werkstätte, welche sich
mit Herstellung des Buntpapieres befaßte, wurde ;680 in Augsburg
errichtet; aber erst durch die ;8;o in Aschaffenburg errichtete, jetzige
Aktiengesellschaft für Buntpapier wurde ein besonderer Gewerbszweig
daraus *); die hieraus entstandene Fabrik ist jedenfalls in Deutsch-
land, wahrscheinlich aber überhaupt die älteste, zugleich auch weitaus
die bedeutendste Buntpapierfabrik. Die Ursachen dieses Umschwunges
liegen zum Theil in der um die Wende des Jahrhunderts erfundenen
Papiermaschine, und zum Theil in der Entdeckung künstlicher Farbe»,
z. B. des Ultramarin und der Anilinfarben. — Man unterscheidet
schlichte und gemusterte Papiere; die ersteren sind einfarbig und
ungemustert, die letzteren können ein- oder mehrfarbig sein. Die
Herstellung der schlichten Papiere, ursprünglich Bogen für Bogen,

*) Die Fabrik hatte dem Vortragenden eine ganz außerordentliche Menge ihrer
Erzeugnisse zur Verfügung gestellt, was nicht dankbar genug anzuerkennen ist;
ebenso haben die später genannten Fabriken von Haenle in München, von Adt in
Forbach (Lothringen) und von Adler in Leipzig zur Illustrirung des Vortrags bei-
getragen.
 
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