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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 3/4
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Vereins-Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0027

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Die Vereinsabende vom Januar bis einschließlich
8. Februar müssen wir uns Vorbehalten, da wir noch der traurigen
Pflicht genügen müssen, über unseres Lhrenvorstandes Leichenfeier
(Sonntag den )3. Februar) zu berichten. Nachdem Tausende noch einen
letzten Blick auf die sterbliche lhülle des verehrten Mannes geworfen
hatten, fand am Sonntag Nachmittag n Uhr die Beerdigung statt.
Der Kunstgewerbeverein hatte im Linverständniß mit der Familie
v. Miller's und dem Personal der Erzgießerei es unternommen, für eine
des Todten würdige Leichenfeier Sorge zu tragen; seine Mitglieder
versammelten sich im Vereinshause, von welchem eine lange Trauer-
fahne herabwallte, und zogen von dort mit ihren Kränzen, Emblemen
und Flambeaux gemeinsam auf den Friedhof.

Ein 6 Meter weites Tannengewölbe aus Tannengrün, das mit
zahllosen Kränzen bedeckt war, überspannte das Grab mit dem v.
Miller'schen Wappen an der Kirchhofmauer; an den Seiten des
Bogens waren große stammentragende Landelaber aufgestellt. Das
Ganze war auf Kosten der Stadt unter der gemeinschaftlichen Leitung
der £)£}. Baurath Z enetti, Baubeamten Löwel und Architekt
Gabr. Seidl hergestellt wordeu.

Den Zug, dessen Grganisation kserr Radspieler jun. im Auf-
trag des Ausschusses in die Hand genommen hatte, eröffneten Flam-
beauxträger, welche auch die nachfolgenden Körperschaften (Neuhauser
Kriegervercin, kath. Gesellenverein, Erzgießereipersonal, Kunstgewerbe-
verein) sowie die Geistlichkeit begleiteten, worauf der mit Hut, Degen
und Grden geschmückte Sarg folgte, getragen von sechs Arbeitern der
Lrzgießerei; vier Ausschußmitglieder — Prof, Hauberiesser, Prof.
Flüggen, Prof. Thiersch, Anton Seidl — hielten das Bahrtuch und
je vier andere zu beiden Seiten des Sarges trugen große vergoldete
Palmzweige.

Dem Sarge folgten die Söhne und der Bruder des verstorbenen
und sonstige Familienangehörige, hierauf der Vertreter S. K. ß. des
Prinzregenten, Generaladjutant Frhr. Freyschlag von Freienstein, das
gesammte Staatsministerium, Staatsrath von Ziegler, Vbersthofmeister
Graf zu Lastell, Regierungspräsident v. Pfeufer, Bürgermeister Or.
Wiedenmayer mit dem gesammten Magistrat und dem Eollegiuin der
Gemeindebevollmächtigten, die Vorstandschaft des bayr. Kunstgewerbe-
vereines, Vertreter der Kunstgewerbcschule, der Akademie, der Uni-
versität, zahlreicher auswärtiger Vereine u. s. w.

Die Musik, welche in der Nähe des Grabes aufgestellt war,
empfing den Zug mit dem Beethoven'schen Trauermarsch, dessen Klänge
auch die Versenkung des Sarges begleiteten, während sich die Palmen-
träger zu beiden Seiten des Grabes aufstellten. Nach Beendigung
der rituellen Leremonien schilderte Hr. Stadtpfarrer k. Prior Klingl
in gediegener Rede den Lebenslauf des Verstorbenen und dessen
trefflichen Lharakter, dessen Grundzüge waren: kindliche Frömmigkeit,
unendliche Dankbarkeit, Begeisterung für alles Schöne und Edle, un-
begrenzte Liebe für Heimath, Vaterland und Kirche.

Hierauf trat der Vorstand des Kunstgewerbevereines, Herr Dir.
Lange, an das Grab und hielt folgende Ansprache:

Hochansehnliche Trauerversammlung! wahrlich eine herzerschüt-
ternde Kunde war es, die vor zwei Tagen mit Windeseile unsere
Stadt durchflog, und weit über dieselbe hinaus nach allen Richtungen
bis in die fernsten Lande sich verbreitete, die Nachricht, daß Fer-
dinand von Miller, der in allen welttheilen bekannte und ge-
feierte Meister des Erzguffes, der Stolz und die Zierde unserer Stadt
wie unseres Landes, jäh und unverhofft aus dem Leben geschieden sei!
Schmerzerfüllt und tiefgebeugt umstehen wir heute seinen offenen
Grabeshügel und vermögen noch kaum an seinen Hingang zu glauben,
die Schwere unseres Verlustes zu erfassen; denn Miller gehörte trotz
seiner Silberhaare auf dem Haupte noch dem vollen Leben an, mit
dem er sich bis zu seinem letzten Athemzuge mit tausend geistigen
Fäden verbunden fühlte. Mit Miller geht ein bedeutsamer Vertreter
unseres Münchener wie auch deutschen Kunstlebens zu Grabe! Der
Letzten einer, die einst als hellleuchtende Sterne Bayerns Künstler-
fürsten König Ludwig I. mit einer goldenen Aureole umgaben, ge-
bührt ihm nicht minder auch ein Ehrenplatz in unserem heutigen
Kunstleben, an dem er bis zu seinem Lebensende den regsten Antheil
nahm und auf dessen Gestaltung und Entwicklung, namentlich in der
Richtung des Kunstgewerbes, er noch den mächtigsten Einfluß übte.

Durch zwei Menschenalter hindurch sehen wir Miller als hervor-
ragenden Vertreter künstlerischen Schaffens — doch nicht dieß allein,
wir erblicken ihn zugleich rastlos thätig auf dem Gebiete des Gemein-
wohls, an der Spitze großer Unternehmungen, als Mann der That,
als Mann unseres Vertrauens, wo auch immer er für die Interessen
seiner Mitbürger einzutreten hatte — im Gemeinderath, in der
Kammer, im Reichsparlament — überall wußte er Rath und Hilfe,
so gut wie da, wo ihn sein Beruf, seine Liebe zur Kunst, seine
Freude an der Natur und seine Neigung zur Landwirthschaft hin-
sührten. Höchste Begeisterung für das Ideale paarte sich in ihm
mit praktischem Sinne für das Nützliche und Erreichbare, was er
einmal als gut und förderlich erkannt, das verfolgte er mit eiserner
Willenskraft, zäher Ausdauer und Gxferinuth. Und wie er sich selbst
für ein Ziel begeisterte, so wußte er auch stets Andere für dasselbe
zu gewinnen und zu entflammen, wo immer Miller für eine Sache
eintrat, da galt der Erfolg schon für gesichert. Miller war im
wahrsten Sinne ein Mann der Arbeit, ein idealer Vertreter der
Werkstätte. Nichts galt ihm höher als der Meister, der seiner Hände
Arbeit durch Gediegenheit wie Schönheit der Form über das Alltägliche
zu erheben, zu einem Kunstwerk zu adeln versteht. Nicht minder
aber zollte er höchste Verehrung dem Künstler, der sich dem Handwerker
als Führer und Freund zur Seite stellt. Albrecht Dürer, Peter vischer,
Veit Stoß, Iamnitzer und so viele andere unserer deutschen Meister
waren seine Ideale und stolz blickte er auf sie als die Zierden und
Vorbilder deutscher Kunst, und trachtete — wo immer möglich —
ihre Schöpfungen als die Werke unserer Väter der Jetztzeit als Vor-
bild vorzuführen. All sein Sinnen und Trachten ging dahin, das
deutsche Kunstgewerbe wieder selbstständig und frei von fremdem Ein-
flüsse zu machen, es wieder wie ehedem zum Ruhm und Stolz der
deutschen Nation werden zu lassen. In diesem Trachten unternahm
er die für das deutsche Kunstgewerbe so epochemachend gewordene
Ausstellung vom Jahre )876, die ganz sein Werk, seine Schöpfung
war, deren großer Erfolg vor Allem als fein Verdienst gelten
darf. Er ist es auch, der mit den Früchten dieser Ausstellung dem
bayerischen Kunstgewerbevereine eine eigene Heimstätte schuf und
zu seiner jetzige» Entwicklung und Blüthe den Grund legte. Der
bayerische Kunstgewerbe-Verein betrauert daher in Miller mehr als
seinen langjährigen, hochverdienten Vorstand und Ehrenpräsidenten,
er betrauert in ihm init Recht seinen Vater, seine Seele, seinen Leit-
stern. Sein Andenken wird dem Vereine jetzt und in aller Zukunft
ein gefeiertes, heiliges sein, wie sein rastloses Wirken und ideales
Streben uns allezeit ein hehres Vorbild, ein theures vermächtniß
bleiben wird. Verkünden auch Hunderte von Erzgebilden in allen
welttheilen, zahlreiche gemeinnützige Schöpfungen und Anregungen,
zahlreiche werke wahrer Nächstenliebe uud Mildthätigkeit den Ruhm
des theuren Dahingeschiedenen für alle Zeit, so hat sich Miller doch
das schönste und unvergängliche Denkmal gesetzt in der Liebe, Ver-
ehrung und Dankbarkeit seiner Zeitgenossen, vor Allem aber seiner Mit-
bürger der von ihm so sehr geliebten Stadt München, die Alle auf
ihn blicken als den Stolz ihrer Stadt, als den Stolz ihres Vaterlandes.
Mit bewegten Worten legte der Redner sodann im Aufträge des
Vereins einen Lorbeerkranz am Grabe nieder, als Zeichen unbegrenzter
Dankbarkeit, Liebe und Verehrung.

Nach dieser warm empfundenen Ansprache legte auch Herr Eugen
Stiel er als Vertreter der Münchener Künstlergenossenschaft einen
Kranz an dem Grabe nieder, von den zahllosen weiteren Kranz-
spendern können an dieser Stelle nur die aus Kunstgewerbekreisen nam-
haft gemacht werden: Ausschuß des bayerischen Kunstgewerbe-Vereins,
Beamten desselben Vereins, württembergischer, Pforzheimer, Braun-
schweiger, Badischer, Mitteldeutscher (Frankfurter), Hannöverischer,
Dresdener Kunstgewerbeverein (letzterer durch Hrn. Hosrath Grass per-
sönlich vertreten), Münchener Kunstgewerbeschule. (Lin von der Nürn-
berger Kunstgewerbeschule ergangener Auftrag zu einem Kranz kam
durch einen Zufall zu spät an, um noch ansgeführt werden zu können;
die Vereine zu Hamburg und Berlin hatte» Beileidstelegramme gesandt.)

Und während Hunderte von Leidtragenden sich zum Grabe
drängten, erklangen die wunderbaren Aecorde aus Mendelssohns Elias:
„Hebe deine Augen auf!" — ein Abschluß des ernsten Traueraktes,
wie er nicht leicht feierlicher gedacht werden konnte.
 
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