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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 9/10
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Muther, Richard: Die Anfänge der Genre- und Landschaftsmalerei, [2]: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein am 11. Januar 1887 von Dr. Richard Muther
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0066

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ZU schaffen, welche, vom künstlerischen Standpunkte betrachtet,
den Stempel klassischer Vollendung an sich tragen und daneben
einen hohen Werth sür den Aulturhistoriker haben. Gleich
Dürer geht auch Be Ham bei der Behandlung sittenbildlicher
Vorwürfe nur selten über die Gruppe von drei, meistens sogar
nur zwei Personen hinaus, jedoch auch größere Aompositionen
fehlen nicht; wie B. der schöne kjochzeitsmarsch und das
besonders lebensvolle große Blatt der Airchwsih von Mögel-
dorf. Von diesen Darstellungen aus dem Bauernleben bis
zur Genremalerei eines Brueghel, Brouwer, Mstade
und Teniers war nur noch ein Schritt, und Beham ist
gleich Dürer als ein direkter Vorläufer dieser großen
holländischen Bauernmaler zu betrachten.

Weniger Nachfolge als auf dem Gebiete des Genres
hat Dürer auf dem Gebiete der Landschaftsmalerei gefunden.
Zwar zeichnen sich fast alle Aünstler durch sorgfältige Aus-
führung der Hintergründe aus, zwar hat Lucas Gran ach
oft selbständige Jagdbilder entworfen, aber wirklich weiterge-
führt hat das von Dürer Begonnene nur ein deutscher
Waler jener Zeit, der Regensburger Al brecht Altdorfer,
den man in gewissen: Sinne — weil er der Landschaft zu-
erst in wirklichen Tafelbildern eine hervorragende Stelle zu-
wies — als den Vater der deutschen Landschaftsmalerei
bezeichnen kann. Lediglich als Landschaften treten uns
freilich ebenfalls nur so radirte Blätter des Meisters ent-
gegen, während auf den Bildern die Landschaften gewöhn-
lich noch mit einer kleinen Figurenszene im Vordergründe
ausstafsirt werden. Aber man sieht doch sofort, daß auch
in den Bildern die Landschaft dasjenige war, was den
Meister besonders fesselte. Die Hintergründe sind zwar oft
willkürlich zusammengestellt, aber die liebevoll beobachteten
Details, das üppige Baumlaub und die grünen von der
hindurchblickenden Sonne vergoldeten Tannenzweige geben
doch allen seinen Werken einen eigenthümlichen Reiz. Effekt-
voll und abenteuerlich wirkt die in röthlicher Morgenglut
schimmernde Landschaft auf dem großen in München be-
wahrten Bilde der Alexanderschlacht; schlicht und stimmungs-
voll auf einem zweiten ebenda befindlichen Bilde, welches
den heil. Georg darstellt, wie er in einen: Buchenwalde
den Drachen erlegt. A. Altdorfer muß steißig im land-
schaftlichen Zeichnen gewesen fein und das Treiben der Natur

mit Liebe belauscht haben. Die schönen Umgebungen Regens-
burgs konnten ihn: eine Fülle von Anregungen bieten, und
auch die Alpen muß fein Fuß betreten haben. Aber er-
gibt nicht wie Dürer diese Landschaftsstudien schlicht wieder,
sondern setzt an Stelle der natürlichen Landschaft das roman-
tische Stimmungsbild. Gerade diese phantastisch-romantische
Richtung des Meisters war es, die den folgenden Aünstlern
an: meisten imponirte. Durch Altdorfer wurden in der
zweiten Hälfte des f6. Jahrhunderts die Nürnberger Aug.
Hirschvogel und Hans Sebald Lautensack zu ihren
geistreichen landschaftlichen Radirungen angeregt.

Diese Aünstler der späteren Zeit waren es dann auch, die,
indem sie sich vielfach mit kunstgewerblichen Dingen befaßten,
an dem gewaltigen Aufschwungs mitwirkten, den das Aunst-
gewerbe des f6. Jahrhunderts nahm. Aunstgewerbe und
Malerei unterstützten sich gegenseitig: auf der einen Seite
wurden auf den genrehaft aufgefaßten Bildern biblischer
Szenen die Wohnräume sorgfältig mit ihren Vertäfelungen
und mit allere: Geräthe ausstafsirt, wodurch diese alten
Genrebilder einen großen Schatz kunstgewerblicher Vor-
bilder bergen: auf der andern Seite aber wurden kunst-
gewerbliche Gebilde — Möbel, Waffen, Gläser ic. — viel-
fach mit genrehaften und landschaftlichen Darstellungen ge-
ziert, wie sich auch die Dekorationsmalerei sehr bald der
Landschaft und des Genres bemächtigte, um Medaillons
und Schilder an den Wänden danüt zu füllen.

Es zeigt sich also, daß es unrichtig ist, die Niederländer
immer als die eigentlichen Erfinder der Genre- und Land-
schaftsmalerei hinzustellen. Man findet im Gegentheil, daß
in Deutschland die Entwicklung eine ebenso stetige war,
wenn man sich nur die Mühe nimmt, die Handzeichnungen,
Holzschnitte und Aupferstiche unserer deutschen Aünstler zu
durchblättern. Freilich konnte die Saat in Deutschland selbst
nicht zur Reife kommen, da die großen Meister des f6. Jahr-
hunderts im \7. keine Nachfolge mehr fanden. Durch den
30jährigen Arieg wurde unsere nationale Aultur auf lange
Zeit hinaus vernichtet, und da waren es dis Holländer,
die da ernteten, wo wir gesät hatten. Als deutsches Leben
und deutsche Aunst geknickt zu Boden lagen, waren es
Rembrandt und seine Genossen, die das vollendeten, was
Dürer und die deutschen Aleinmeister begonnen hatten.
 
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