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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 9/10
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Krell, Paul F.: Jagd und Jagdgeräthe in alter Zeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0068

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■t' 62 -4-

Zedem Markgenossen, d. h. jedem freien waffen-
fähigen Manne, stand auf seinem eigenen Grund und
Boden (dem Sondereigen) und auf dem seiner Lippe
gehörigen Gebiete, der sog. Allmende das Recht zu jagen
zu, welches Recht somit ursprünglich als ein Zubehör des
Grundeigenthums erscheint.

Der Germane betrieb aber die Zagd, welche bei den
genannten wilden Thieren mit großen Gefahren verbunden
war, und viel Muth und persönliche Kraft erforderte, auch
noch aus dem Grunde, weil er sie als eine unvergleichliche
Vorübung für den Krieg betrachtete. Den Krieg aber
sah er als den Zweck seines Lebens an.

Man versteht somit, mit welchen tiefen Wurzeln die
Leidenschaft für die Jagd und für das freie Umher-
streifen inr grünen Walde im Kerzen unseres Volkes sich
befestigte. Ulan blicke auch nur
in unsere Poesie hinein, sie ist
ganz erfüllt von Zagd und
Waldeslust.

Das Zagdrecht im
Mittelalter. Die politische
Umwandlung, welche nach
der Völkerwanderung durch die
Ansässigmachung stattfand,

ließ allmählig die freien Markgenossen bis auf
wenige Reste verschwinden, indem aus den Mark-
genossenschaften sich grundherrliche Genossen-
schaften bildeten. Der freie Markgenosse schwang sich
entweder in den hohen Adel oder den Ritterstand empor,
oder aber er gesellte sich zu den Vasallen und
Hintersassen, eines weltlichen perrn, eines Bischofs
oder Klosters, oder er wurde Bürger einer Stadt oder
endlich sank er hinunterzu denpörigen und Leib-
eigenen. Die untersten Volksschichten schmolzen dann
allmählig zur Bauernschaft zusammen.

Mit diesen politischen und sozialen Umwand-
lungen erlitt natürlich auch das Zagdrecht große
Veränderungen. Den Anstoß dazu gaben die, der
Jagdleidenschaft sehr ergebenen fränkischen Könige
durch Schaffung von Bau forsten, d. h. von solchen
Wäldern, in welchen ihnen fortan allein oder nur
den von ihnen extra damit belehnten vornehmen
perrn oder Klöstern das Zagdrecht zustehen sollte. Einfache
Bis zum XIII. Jahrhundert wurden diese Bauforsten Naranl!s
immer mehr ausgedehnt und auch solche Wälder dazu
genommen, welche weder in königlichem noch auch im Staats-
besitz sich befanden. Man erklärte den Forstbau schließlich
geradezu für ein Regal, ein poheitsrecht. Der König,
resp. Kaiser schützte nun jene Wälder, in welchen er sich
das Zagdrecht vorbehielt, mit dem Königsbau, während
er an andere Große und Klöster den Wildbau verlieh.

Mit Anerkennung der Landesherrlichkeit der
Fürsten durch Friedrich II. von Hohenstaufen ging jenes
Regal auch auf sie über. Das Jagdgebiet der Unter-
thanen wurde aber außer durch diese Bauforsten noch da-
durch geschmälert, daß in Folge des Wachsthums der Be-
völkerung große Ausrottungen stattfanden. Diese Aus-
rottungen gingen übrigens so langsam vor sich, daß sie erst
mit dem XV. Jahrhundert zum Stillstand kamen. Die
Schaffung der Bauforsten, welche nicht ohne Protest ge-

schah, entzog dem Volke jedoch nur einen Th eil der Jagd,
da der Wildbau sich meist nur auf die hohe Jagd, damit
war namentlich Rothwild und Schwarzwild gemeint,
und wohl auch auf das Federspiel, d. h. die Falken-
jagd, bezog.

Die niedere Jagd war gräßtentheils frei. Es konnte
aber gar nicht fehlen, daß auch sie allmählig in den Bau-
forsten, die man nun schlechtweg „Forste" nannte, an
beschränkende Bedingungen geknüpft wurde, da sie
das pochwild beunruhigte und Anlaß zum Wildern an
diesem selbst gab.

Gegen das Ende des Mittelalters kam man daher
auf den Ausweg, die niedere Jagd in widerruflicher Weise
an Leute, denen man vertraute, an Adelige, Aebte, Beamte
und Personen der höheren Bürgerklassen als Gnaden-
jagd zu verleihen. Aber auch
außerhalb des „Forstes"
wurde nach und nach die un-
bedingte Zagdfreiheit auf-
gehoben. Von dem Zagdrecht
der freien Markgenossen blieben
schließlich nur noch geringe Reste
in der sog. „freien pürsch"
bestehen. Diese letztere bestand
darin, daß in einem größeren Bezirk alle ansässigen
unbescholtenen Leute, Bürger und Bauern zur vollen
Ausübung der Jagd berechtigt waren. Zn der
freien pürsch war es, wie begreiflich, mit der Zagd
gar schlecht bestellt. <£s ist auch erklärlich, daß die
Frei-Pürsch eine allen „perrn" sehr unbequeme und
von ihnen stets angefeindete Einrichtung war. Der
großen Masse der Unterthanen blieb nach
dieser Austheilung nur noch, wie es offiziell heißt, der
„Lerchen- und der Vogelfang" (der Fang der
Gang-, Gelb- und peckenvögel.^) Ehe es aber zu allen
diesen Einschränkungen kam, was erst gegen Ende
des Mittelalters hin der Fall war, betrieb das Volk,
namentlich aber die Bauernschaft, die niedere Jagd
mit größtem Eifer.

Man glaubte, das Wildpret fei für die Ge-
sundheit besonders zuträglich, ja eigentlich nothwendig.
Erst gegen Ende des Mittelalters fand man es
Armbrust nicht mehr angemessen, daß der Bauernstand, welcher
München, des Waffenrechts verlustig gegangen war, noch
weiter jagte. Die Bauern hätten diese Einbuße wohl
verschmerzen können, wenn sich das Blatt nur nicht noch weiter
gewendet hätte. Aber mit der Beanspruchung des Zagdrechtes
als eines poheitsrechtes und der Ausdehnung und weiteren
Ausbildung der fürstlichen Jägerei stellten sich, eben gegen
das Ende des Mittelalters auch die Ansprüche auf Frohn-
dienst seitens der Anterthanen ein. Der Wald sollte jagd-
mäßig gehalten werden, man brauchte Zagdwege, pürsch-
gänge, Wildhage, Brücken und Stege u. s. w. Man er-
langte ferner die Aufziehung (sog. Aufstockung) und die
Unterhaltung des größten, gröberen Theils der Meute, den
Transport des Jagdzeugs und Wildprets, die Unter-
kunft des Zagdpersonals bei Zagden, die Stellung
berittener und fußgehender Boten, sowie einzelner Reit- *)

*) wir erinnern an das Gedicht von Uhland: „Lerchenkrieg".

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