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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 11/12
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Krell, Paul F.: Jagd und Jagdgeräthe in alter Zeit, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0081

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Plätzen, die in die Augen fallen, auf den Firsten und in
den Giebeln der Däuser, über der Pausthür oder im Innern
der Wohnungen angebracht. Da man früher schöne Exem-
plare von pirschen älter werden ließ als heutzutage, fo
gibt es unter diesen alten Geweihen ganz gewaltige Stücke,
wie unsere Zeit sie nicht mehr erzeugt. Die Pirschköpfe,
welche diese Geweihe tragen, findet man öfters mit einer
Rübe im Maule. (Bei denjenigen, welche den pof von
Schloß Tratzberg in Tirol zieren, ist dies z. B. der Fall.)
Diese originelle Darstellung soll daher rühren, daß die
Bauern früher einen solchen Pirschkopf an ihr paus ge-
nagelt hätten zur Abwendung des Wildschadens.

Die Jagd und das Aunstgewerbe unserer
Zeit. Wir möchten diese Abhandlung nicht beschließen,
ohne davon Notiz zu nehmen, welchen Ge-
winn das heutige Aunstgewerbe aus der
Jagd zu ziehen vermag. Für die Orna-
mentik bietet dieselbe zwar immer noch
eine Fundgrube, aber die ganz selbständig,
ohne Vorbilder erfundenen, der Natur neu
abgelauschten Darstellungen werden seltener
und seltener, geradeso wie die Naturan-
schauung, die in alter Zeit so leicht zu
haben war, das Vertrautsein mit den
Iagdthieren und der Jagd bei den Aünstlern
seltener wird. Aber auch für jene, welchen
es vergönnt ist, die Jagd zu betreiben,
hat sich der Thierkreis beträchtlich ver-
kleinert. Wie viele Arten sind nicht aus-
gestorben, oder kaum inehr ausnahmsweise
vorkommend! Aus künstlerischen Rücksichten
greifen unsere Maler bei dekorativen Dar-
stellungen im Aostüm der Jäger gerne
aus vergangene Zeit zurück, und das wird
so lange bleiben, bis auch wir wieder bei
einer malerisch verwendbaren Tracht an-
gekommen sein werden. Aber auch wenn
dieser Fall einträte, würde dennoch die Jagd
der alten Zeit mit ihrem reizvollen Geräth
nicht aus dem Formenschatz unserer Aünstler
verschwinden. Der Bogen, die Armbrust,
der Schweinsspieß, die Pulverhörner, sie
werden in der Aunst ebenso fortleben, wie
der griechische Pelm und die griechische
Leyer. Mit dieser mageren Gabe wird aber
das heutige Aunstgewerbe von der Jagd
keineswegs abgespeist. Die moderne Jagd hat ja selbst noch
immer noch eine gute Anzahl von Geräthschaften noth-
wendig. Erfordert ihr bescheidener Haushalt auch in: Ver-
gleich zu dem kolossalen Verbrauch früherer Zeit nur sehr
kleine Quantitäten und nehmen sich auch unsere Gewehre
gegenüber den alten, mit Ornamentik oft ganz übersäten
ähnlich aus, wie unsere einfache Aleidung gegenüber den
reichen, faltigen, mit Puffen und Stickereien versehenen Ge-
wändern der früheren Zeit, so könnte doch unser Aunst-
gewerbe einen ganz erklecklichen und weit bedeutenderen
Gewinn daraus ziehen als bisher.

Die Büchsen und Hirschfänger, Waidmesser, Patron-
taschen, Jagdtaschen und Iagdbecher und auch zum Theil
die Aleidung, All das könnte bei voller Festhaltung des

Nützlichkeitsstandpunktes, doch wieder mehr in den Bereich
der Schönheit gezogen, anmuthiger und rassiger gebildet
werden. Vielfach erhalten diese Gegenstände auch heute
noch im Wesentlichen jene Form, welche ihnen die erste
Hälfte unseres Jahrhunderts verliehen hat. Jene Periode
stand eben im Aunstgewerbe, wie wir Alle wissen, aus einem
sehr niedrigen Standpunkt. (Wir brauchen uns kaum
davon irre machen zu lassen, daß die Jager, wie uns ein
Maler versicherte, der zu gleicher Zeit ein ächter Waidmann
ist und seine Waldkollegen kennt, auf die Aunst nicht viel
halten, ja sogar ihrem verschönernden Einfluß ein gewisses
Mißtrauen entgegensetzen, da sie befürchten, daß dadurch
der natürlichen Urwüchsigkeit Abbruch geschehe.) Außer
den genannten Gegenständen bringt die Jagd durch das,
was die Iagdthiere von ihrem Leibe selbst
abgeben, durch ihre Geweihe und pörner,
ihr Fell, ihre Zähne und Läufe und ihre
Federn, dein Aunstgewerbe eine nicht zu
unterschätzende Zufuhr.

Wir sind gottlob in unserer Woh-
nung s a u s st a t t u n g wieder dahingelangt,
daß solche frische Naturlaute, wie ein auf
dem Boden ausgebreitetes Rehfell, ein
Geweih über der Thüre, ein ausgestopfter
Falke und dergleichen, gerade so wie Wald-
und Wiesensträuße, wieder in dasselbe
Hereinpassen. Da wird denn das Aunst-
gewerbe angegangen, passende Aartouchen,
Postamente, Unterlagen und Besätze dafür
zu beschaffen. Weniger Werth möchten
wir auf jene Aünsteleien legen, wobei
durch Zusammenzwängung von halbge-
schabtem und verschnittenem Gehörn allerlei
pfahlbaumäßiges Geräth, Tintenzeuge,
Uhrbehälter, Leuchter, ja sogar Stühle
zu Wege gebracht werden. In den meisten
Fällen gibt das etwas Unerquickliches und
sehr Unbrauchbares. (Pirschhornknöpfe
nehmen wir aus.) Bei ungezwungener
Einfügung solcher Geweihe oder Zähne
bei Gerüchen oder Dekorationsstücken kann
dagegen sehr Reizvolles entstehen. So
gibt es jetzt wieder wunderschöne Lüster
in Gestalt von Lüsterweibchen, welche nach
rückwärts in einen Fischschweif und in
lichterbesetzte Geweihe ausgehen. Es ist
dies schon ein altes Motiv, aber unser Aunstgewerbe
hat neue gelungene Variationen geschaffen. Als treffliche
Schöpfungen erwähne ich sodann metallgesaßte Gemsen-
hörner, die als Griffe von Tintentrocknern dienen. Aus
denffelben Gehörn und aus Rehkrucken hat man zierliche
Leuchter hergestellt. Aber das f^orn dient dabei nur als
Schaft oder Griff, alles Uebrige leistet die Metallfassung.
Besonders gut stimmt das matte Schwarz des Gemshorns
mit Silber oder Versilberung zusammen. Vergessen wir
sodann auch nicht die Steinbockhörner, aus welchen
die Aörper von Prachtpokalen gebildet werden. Auch sonst
treibt die Jagd den Goldarbeitern manchen Aunden
zu. Die gefaßten Kümmeret und Pirschzähne, die
sog. pirschgraneln, sind als Uhranhänger in gewissen

Luxus-ksirschfänger,

Griff von Perlmutter (erste Hälfte des ^8. Iahrh.).
National-Museum, München.
 
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