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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 1
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Riegl, Alois: Kunsthandwerk und kunstgewerbliche Massenproduktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0009

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fragen: ist diese Tendenz dem Hausfleiß noch fremd gewesen,
oder hat sich dieselbe schon auf dieser frühesten Stufe mensch-
licher Wirthschaftsentwicklung geltend gemacht? Ts fehlt
uns trotz unserer vorgeschrittenen Tultur nicht völlig an
lUitteln, um diese Frage zu beantworten. Von den Er-
scheinungen in unserer Zeit lassen sich mit jenen ursprüng-
lichsten wirthschaftsverhältnissen des Hausfleißes am ehesten
noch die bäuerlichen vergleichen. Man nennt den Bauer kon-
servativ um jeden Preis. In der Thal hatte es seiner Zeit
feine Schwierigkeit, ihn zum Gebrauche landwirthschaftlicher
Maschinen zu bekehren; aber so ganz grundsätzlich, wie inan
hie und da annehmen möchte, geht er den Erleichterungen seiner
Handarbeiten doch keineswegs aus dem Wege. Der Bäuerin
z. B. fällt es nicht ein, etwa die Verzierungen ihres Butter-
strützels einzeln mit einer Spachtel oder dergleichen einzu
graben, sondern sie rollt einfach ihre kerbgeschnitzte Form
darüber. Aehnliches lehrt die Betrachtung der auf primitiver
Tulturstufe zurückgebliebenen wilden Völker, lehren wir
aber zu den uranfänglichen Verhältnissen im Alterthum zurück,
so leidet es nicht den geringsten Zweifel, daß alle die funda-
mentalen Erleichterungen der menschlichen Handarbeit in den
Hauptzweigen technischer Rohstoffveredlung bereits innerhalb
der geschloffenen Eigenwirthschaften erfunden und in's Merk
gesetzt worden sind. Schon unter patriarchalischen Gesellschafts-
zuständen, für die uns geschichtliche Zeugnisse vorliegen, hat
man es zu langweilig befunden, jeden zweiten Rettfaden
einzeln aufzuheben, um den Schußfaden dazwischen zu bringen,
und hat mit dein Webstuhl eine Vorrichtung ersonnen, um
sich die Durchkreuzung von Schuß und Rette nach Möglich-
keit abzukürzen, vollends lehrreich sind in dieser Hinsicht
die einschlägigen Beobachtungen bei verschiedenen exotischen
Völkern. So wie die Individuen sind nämlich auch ganze
Völker von der Natur mit verschiedener Geschicklichkeit und
Begabung ausgestattet: dementsprechend sind sie auch mit
der Ausbildung des webstuhls zu sehr verschiedenen Stadien
der Entwicklung gelangt. Aber auf dem Wege dazu, im
Streben nach einer Erleichterung begriffen, treffen wir sie
fast alle: es ist eben ein innerer, echt menschlicher Trieb, der
sie dazu zwingt. And das Gleiche gilt gewiß auch von der
Erfindung der Töpferscheibe, wahrscheinlich selbst vom Metall-
guß. — Im weiteren verlaufe der weltgeschichtlichen
Entwicklung macht sich nun die menschliche Ungleichheit
geltend. Der Stärkere siegt über den Schwächeren, und
zwingt diesen zu Diensten, zu Sklavenarbeit. Diese Arbeit
verrichtet der Sklave innerhalb des Familienverbandes
seines Herrn genau so, als wäre er ein Blutsangehöriger
der Familie; dies hat auch seinen Ausdruck im römischen
Rechte gefunden, welches den Sklaven in der That zur
Familie seines Herrn gezählt hat.

Einzelne Familienoberhäupter wurden nun immer
reicher, d. h. sie erwarben immer mehr Sklaven. Me
wollten sie diese alle beschäftigen, namentlich in Städten, wo
die Anforderungen des Feldbaues hinwegfielen? Das ist der
Punkt, auf welchen: inan begann, die Sklaven zur Maffen-
produktion bestimmter Artikel heranzuziehen. Zahlreiche Daten
sind uns hierüber z. B. aus Athen überliefert, wir erfahren
von einer Fabrik von Schilden, in der \20 Sklaven beschäftigt
waren. Der berühmte Redner Demosthenes hatte zwei kleine
Fabriken geerbt; in der einen arbeiteten 52 Sklaven Schwerter
und Messer, in der anderen 20 Arbeiter Bettstellen, wer

waren aber die Abnehmer? Erstens einmal die luxus-
bedürftigen barbarischen Völker über der See, an welche die
Athener namentlich vern!ittels der zahlreichen Lolonien ihre
kunstgewerblichen Erzeugnisse absetzten. Aber auch der ein-
heiinischc Boden gewährte reichen Absatz, denn in dein Maaße,
als das Städtewesen an Ausdehnung gewann, schwand auch
die Möglichkeit für den einzelnen Bürger, sich alles Nöthige
innerhalb der geschloffenen Eigenwirthschaft zu beschaffen.

3. 5chmuckkästchen.

Entworfen und gezeichnet von Hans Aanfmann, ausgeführt von Max Rottmanner, München.
(Circa 2/s der wirklichen Größe.)

Der Punkt, auf den wir hiermit gelangt sind, ist noch
nach einer andern Seite wichtig genug, um nachdrücklich
betont zu werden. In der absoluten Eigenwirthschaft wurde
Alles für den eigenen Hausbedarf gefertigt; von dem Augen-
blicke aber, als man die Massenproduktion durch Sklaven
einführte, begann die Arbeit für fremden Bedarf. Es be-
gann aber zugleich damit die Toncurreuz, und damit ein
ganz entscheidender Ansporn zu möglichst rascher und billiger
Produktion, wenn nun schon innerhalb der absoluten Eigen-
 
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