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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 2
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Jaffé, Franz: Die Innen-Ausstattung des Reichstagshauses, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0023

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weniger die großen Gedanken
der Renaissance, welche ihm
zumAusdruckseiner Formen-
ideale gedient haben; jedoch
neigte er, seiner ernsten und
vornehmen Natur entsprech-
end, mehr der Frührenais
sance und ihrer Formen
gebung zu, welche gewisser-
n,affen als eine in mittel-
alterlichem Sinne aufgefaßte
Antike zu betrachten ist.

Das Streben nach Wahr
Hastigkeit im Ausdruck und
nach echter Monumentalität
kommt beim Reichstags-
gebäude in vornehmster
Weise zur Geltung. Die
Einführung von nur echten
Baustoffen und die Ver-
meidung von minderwerth
igen, nntfalscheinSchein um-
gebenen Surrogaten diente
dein Architekten als Richt-
schnur, von der abzuweichen
ihn: unmöglich schien, und
nur in einzelnen besonderen
Fällen wurde der Meister
durch höhere Anordnung
daran gehindert, seine Ideen
in diesem Sinne zu ver-
wirklichen.

Das reiche künstlerische
Rönnen Wallst 's, der in
seiner Persönlichkeit süddeut-
sche Frohnatur mit nord-
<9. Au- dem Reichstag-Haus. ischem Ernste vereinigt, und
(3) vom Getäfel im Bundesraths- welches mit der gewaltigen
sitzungssaal. Aufgabe, welcher der Meister

sO Jahre seines Lebens
widmete, schrittweise wuchs, hat dem gesaiiiiiiten Innern den
Stempel seines Geistes aufgedrückt und die Räume des Reichs
tagsgcbäudes künstlerisch geadelt. Die Steintechnik in figür
lichem und ornamentalem Sinne, ebenso die plastische Aus
gestaltung des in reichem Maße zur Verwendung gelangten
Holzmaterials feiert hier wahre Triumphe. Wenn es je ge-
lungen ist, die ästhetischen und künstlerisch-dekorativen Eigen
schäften der Werkstoffe zur Darstellung zu bringen, die Seele
der Materialien zu erwecken und sie den klangvollen Akkorden
der hier zur Wirkung gelangten großartigen Raumsymphonien
ebenbürtig einzufügen: — hier ist es geschehen!

Außer seiner glänzenden Durchbildung im Aeußeren
des Gebäudes ist auch im Innern der Steinbau dort heran-
gezogen, wo es auf Schaffung großer Repräsentationsräume,
Vestibüle und Eingangshallen ankommt. In diesem Sinne
sind die große, an die Zeiten des Bernini und Michelangelo
erinnernde Wandelhalle und die schönen Haupt-Eingänge
ausgebildet; wo jedoch Räume geschaffen werden sollten,
welche, zum dauernden Verweilen und zu ernster Arbeit be-
stimmt, einer gewissen anmuthenden Behaglichkeit nicht ent

behren durften, ist das Holz in reicher weise zur Verwendung
gelangt. Etwas mehr in den Hintergrund treten die bei
dem Bau verwendeten Metallschmuckstücke, welche trotzdem,
theilweise in reicher Vergoldung und stets in künstlerisch in
teressanten und eigenartigen Formen, eine Zierde des Ganzen
bilden.

Einem berechtigten Prinzip hinsichtlich der Steigerung
der formalen Raumeffekte ist wallot gefolgt, indem vom
Aeußeren nach dem Innern des Gebäudes zu die Wirkungen
naincntlich in farbiger Beziehung in einer stetigen Steigerung
begriffen sind, wird der Beschauer durch die großartig
feierlich wirkenden, monumentalen Eingangshallen in das
Innere geleitet, so findet er in dem Sitzungssaal, in seiner-
reich detaillirten Formengebung und seiner warmen Holz-
stimmung den Höhepunkt des Ganzen. Dem gleichen Prinzip
ist der Meister in der Farbengebung gefolgt, als er die
Eingangsräume weniger farbig gestaltete als die Lentral
räunre des Ganzen; er lehnt sich hiermit an Garnier und
deffcir Werk, die Große Oper in Paris, in unmittelbarster
weise an.

Nach diesen Ausführungen und Darlegungen der allge
meinen Aoinpositionsprinzipien erscheint eine eingehendere
Betrachtung der einzelnen Räume doppelt interessant. Die
Eingangshalle für den Hof und den Bundes-
rath sowie für den Reichstags-Vorstand ist von einer
außerordentlichen Vornehmheit dadurch, daß dieselbe bei
großen Abmessungen ganz in weißein schlesischen jwarthauer)
Sandstein gehalten ist; eine breite, zweiarmige Treppe aus
blau-grauem Granit führt zu der höhe des Erdgeschosses
und zu den Vorsälen für die Regierung und den Bundes-

20. Aus dem Reichstagshaus. (4) Kamin im Bundesraths-Sitzungssaal.

Nach dem Modell von Bildhauer Aug. Vogel.
 
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