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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 2
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Jaffé, Franz: Die Innen-Ausstattung des Reichstagshauses, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0024

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rath einerseits und für den Reichstagsvorstand andererseits.
Die hier angebrachten Portale (von Prof. Otto Lessing,
Berlin) beanspruchen ein ganz besonderes Interesse; über
einer eigenartig ornamentirten Thürumrahmung stehen hier
je zwei flankirende Putten, welche die vier Königreiche
Deutschlands darstellen; über der Mitte der Thür befindet
sich ein Schild mit den Emblemen des Reiches in einer Aus
führung, welche beinahe an die Grenze der Steintechnik streift,
namentlich beim Reichsadler. Die drei-
eckigen Füllungen dagegen, welche in
den Treppenwangen angebracht sind,
zeigen den Krieg und den Frieden sym-
bolisch zur Darstellung gebracht; ein
bselm ruht hier auf einem Schilde und
einer Schlachttuba, umgeben von Sym-
bolen des Krieges und verbunden durch
die Schlangengestalt der Zwietracht,
während Eiche und Lorbeer aus die
Kränze der Sieger im Streite hindeuten.

Ein sinnig vornehmer Ausdruck ist
ebenfalls dem Relief gegeben, welches
den Frieden zur Darstellung bringt:
eine Lyra erblickt man hier an ein
Kapitäl gelehnt, bacchantische Masken
deuten auf heitere Lebensfreude, und ein
im Hintergründe des Reliefs sichtbar
werdendes Bündel Aehren breitet seine
segensschweren bsalme über das Ganze.

Diese beiden Reliefs ebenso die in dem
selben Raume befindlichen Schlußstein-
köpfe der Fenster stammen von der
bjand des Professors W i d e m a n n,
der mit dem eben genannten zu den
nieist betheiligten Bildhauern am Reichs-
tagsbau gehört.

In einer ganz besonders künstlerisch
reichen Weise sind die beiden durch die
Treppe zu erreichenden Räume aus-
gebildet, welche als Borsäle für die
Regierung und dem Bundesrath
einerseits und für den Reichstags-
vorstand andererseits bestimmt sind.

Ihre Ausbildung ist fast die gleiche.

Es sind langgestreckte, saalartige und
mit einem Tonnengewölbe überdeckte
Räume von mäßiger bsöhe, welche durch
Oberlichter erhellt werden, die im dar-
über liegenden Geschoß Lichthöfe bilden.

Besonderen Reiz erhalten diese Räume
durch die Anwendung des Wandbekleid-
ungsniatcrials, eines istrischen Kalksteins
von der Insel Lesina; er stammt aus
denselben Steinbrüchen, aus denen z. B. eine große An-
zahl venetianischer palastsassaden, das Amphitheater zu
Pola und andere Bauwerke errichtet worden sind. In
seiner Oberflächenerscheinung nähert er sich dein Marmor,
was besonders in den mit einem Ornament von Frucht
gehängen geschmückten Thürumrahmungen hervortritt. Zu
besonders künstlerisch schönen Wirkungen gelangt das Gestein
jedoch in den Füllungen, welche die Stirnseite des Tonnen-

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gcwölbes bilden, und ferner in Pfeilerpaaren, welche den
Kämpfer-Architrav der Stirnseiten tragen. In den Pfeiler-
reliefs (von dein Altmeister Otto Lessing), welche Krieg
und Frieden als die hauptsächlichsten Symbole zur Dar-
stellung bringen, ist etwas außerordentlich Schönes geschaffen
worden. Die Reliefs selbst zeigen theilweise eine so flache
pöhenerhebung, daß dieselbeii an getriebenes Edelmetall
erinnern; stets sind jedoch durch breite Bänder die Paupt
Massen der Koiiiposition in klar von
einander abgegrenzte Theile gegliedert.

Eine besondere Eigenthümlichkeit des
Kalksteins ist der bräunlich warme Elfen-
beinton, welcher an die Farbe der in
denselben Räumen befindlichen Gestühls
an den Wänden in braun gebeiztem
Eichenholz, von pöfsenbacher in
München resp. Peter in Mannheinr
hergestellt, anklingt. Diese Gestühls,
welche dem ganzen Raum etwas un-
gemein Behagliches verleihen, sind mit
reich geschnitzten Lehnen und Bekrön
ungen ausgestattet; die Rücklehnen wer-
den durch die noch in der Ausführung
begriffenen Lederüberzüge, welche herald-
ische Adler auf einem Grunde von stili
sirten Kornblumen zeigen, einen bedeut-
samen Schmuck erhalten. (Bergleiche hie-
zu Tafel 8, welche später noch durch
Einzelheiten des Stuhlwerks ergänzt wer-
den wird; auch das in Abb. 22 dar-
gestellte Thürrelies gehört zu diesen Bor-
sälen). Die Deckenmalerei des Raumes
ist leider noch nicht vollendet; auch sie
verspricht eine höchst eigenartige zu wer
den. Die Grundfarbe, aus der sich das
in merochromer Kompositionsweise ge-
haltene Ornament, Rankenwerk uud
Wappenschilder darstellend, entwickeln
soll, wird in tiefem Blau gehalten wer-
den, das gesammte Ornament in Blau-
grün und gelbgrün. Auf diesen Unter-
grund, der unter der perrschast des Blau
gedacht ist und in dem alle Farben
unter diesem merochromisch zusammen
gestimmt erscheinen, sollen Wappenschilds
in vollen Eigenfarben aufgesetzt werden.

Das Ganze wird, wie eine Skizze Wal-
lots erkennen läßt, zu dein darunter be-
findlichen Raum in einem vortrefflich
wirkenden Gegensätze stehen.

Diese beiden vorher genannten Räume
leiten fast unmittelbar zu den beiden Eck-
räumen der Ostfront über, dem nördlichen Raum, welcher als
Handbibliothek für die Abgeordneten bestimmt ist, und dem
Bundesraths Sitzungssaal aus der südlichen Seite. Die
Innenausbildung der Bibliothek ist vollständig in polz erfolgt
mit Anlehnung an Danziger Motive ausgeführt von Wirth's
Söhnen in Stuttgart; eine kreisförmig geschwungene, schön orna-
mentirte lsolztreppe führt zu einer oberen Galerie des Raunies,
der einige iholzskulpturen von Prof. Widemann enthält.

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