lassen worden. Die Zeit, in der Unger seine Erstlings-
Studien auf der Akademie machte, stand noch vielfach unter
dem Einflüsse der Nachwehen der Earton-Aera, für welche
die Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers
weit wichtiger war als die Darstellung der Thatsächlichkeit,
die ja bekanntermaßen von der Theorie des öftern, sagen
wir in 999 von tausend Fällen abweicht. Unger hielt sich
diesen Einflüssen gegenüber instinktiv an Natur-Studien, die
er außer der Schule, hauptsächlich an lebenden Pflanzen
Allegorie auf die Philosophie.
Skizze von f L. Unger ('/« Vriginalgröße).
s,Drei weitere Abbildungen nach Unger's Mriginalien sind in beiliegender Nummer
der „Kunstgewerblichen Rundschau" abgedruckt.^
machte. trat er, ohne zuvor eine der sog. Natur-
Elassen der Akademie durchgemacht zu haben, in die Mal
schule von Prof. Otto 5eitz ein, in der er nun verschiedene
Jahre blieb, um von da aus dann gleich selbstständig seinen
Weg weiterzugehen. Neben den Studienköpfen, Eostüm-
Figuren und Akten, die er da malte, begann er alsbald
seiner Phantasie den freiesten Spielraum zu lassen. Diese
aber verwies ihn auf die Erscheinungen des Märchens,
der Sage. In Tausenden von Einfällen, die aufs Papier
gebracht wurden, gab sich kund, über was für eine sprudelnde
Erfindungsgabe Unger verfüge. Bei den großen akadem-
ischen Maskenfesten, die sich von jeher durch ihr köstliches,
oft ungemein geistreiches Arrangement auszeichneten und bei
denen nicht selten das verausgabte Können weit durch-
schlagender wirkt als es selbst bei manchen offiziellen Aus-
stellungen der Fall ist, stand er immer mit an der Spitze.
Es war ja der Freiheit der Erfindung kein Zwang an
gethan, die tollsten Einfälle konnten zum Durchbruche
kommen. Dem Sinne für dekorative Erscheinung ist sicher-
lich da oft weit mehr auf die Beine geholfen worden, als
durch die Preisaufgaben der Akademie, bei deren einer —
es handelte sich um Entwürfe zur Dekoration eines Speise-
saales — Unger übrigens Preisträger wurde p8?9). Im
gleichen Jahre reifte dann auch der plan zu einer Unter-
nehmung, die er zusammen mit Max Nonnenbruch aus-
führte. Letzterer schrieb die poetischen Beigaben, Unger lieferte
die Illustrationen. Das Werk erschien in der Verlagsanstalt
von Bruckmann in München unter dem Titel: „Aus den
vier Jahreszeiten". Da ist zu finden die bjexenfahrt um
Walpurgi; Waldmeister hat seine Verherrlichung erfahren;
Seeröschen unternimmt auf einem von Libellen gezogenen
Vehikel seine Lustfahrt; Zwerge, deren Silhouetten sich gegen
die Scheibe des Vollmondes zeichnen, sitzen auf dem weit
über den Wasserspiegel eines Moortümpels reichenden Weiden-
geäst und haben sich allerlei Geheimnisse anzuvertrauen; auf
einem Blatte, das zum „gerbst" gehört, ziehen Gnomen
aus der Spindel einer uralten Waldfrau einzelne Fäden und
streuen sie in die weiche Luft des Altweibersommers; beim
„Winter" hat der König Tod die Leiter am Schallloche des
Kirchthurms erstiegen und schlägt mit einem langen Rohren
knochen die letzte Stunde des alten Jahres u. s. w.
Unger bekundete mit diesen Arbeiten sein bedeutendes
Geschick, die Figuren des deutschen Märchens in jener Weise
zu behandeln, wie sie für Bilderbücher als äußerst geeignet
erscheint: Einfachheit der Darstellung, gepaart mit voller
Klarheit des Inhaltlichen. Er wäre berufen gewesen, Kinder
bilderbücher herzustellen wie nicht leicht ein anderer. Im
großen Ganzen wird gerade dieser Seite der künstlerischen
Aeußerung in Deutschland noch viel zu wenig Beachtung
geschenkt.
Nachdem Unger in Rom gewesen war und einer
Affaire, die seinem Uerzen stark zugesetzt hatte, siegreich
in dem Sinne perr geworden war daß er dem kleinen
Bogenschützen den Laufpaß gab,') machte er sich mit allem
Fleiße an den Ausbau seiner künstlerischen Veranlagung.
Mit Vr. Lohmeyer in Berlin beabsichtigte er die Heraus-
gabe eines umfangreichen Kinderbilderbuches: „Im Reiche
der Wurzelmännchen." Die Schwarzdrucke der Blätter liegen
alle vor. Warum die Herausgabe (das Buch sollte, so
viel in Erfahrung zu bringen war, bei Grote in Berlin
erscheinen) nie erfolgt ist, ist dem Schreiber dieser Zeilen
unbekannt.
Die Großmutter erzählt dem Enkel und der Enkelin
vom Schlaraffenlande und begeistert die Kinder dermaßen
dafür, daß diese das Steckenpferd besteigen und losreiten.
Unterwegs begegnet ihnen der Märchen-Prinz, der sie mit-
nimmt. Da purzelt der Wagen in einen Zauberbach, der
alles Menschliche verkleinert. Wie sie nun, glücklich den
Fluthen entronnen, weiter wandern, passiren ihnen alle
möglichen Geschichten, Abenteuer mit Schmetterlingen, die
für sie, da sie ja ganz klein geworden sind, wie fürchterliche
Geier aussehen, Abenteuer mit wegelagernden Fröschen u. s. w. 9
9 Unger hat sich erst viel später, ;8g2, verheirathet.
Studien auf der Akademie machte, stand noch vielfach unter
dem Einflüsse der Nachwehen der Earton-Aera, für welche
die Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers
weit wichtiger war als die Darstellung der Thatsächlichkeit,
die ja bekanntermaßen von der Theorie des öftern, sagen
wir in 999 von tausend Fällen abweicht. Unger hielt sich
diesen Einflüssen gegenüber instinktiv an Natur-Studien, die
er außer der Schule, hauptsächlich an lebenden Pflanzen
Allegorie auf die Philosophie.
Skizze von f L. Unger ('/« Vriginalgröße).
s,Drei weitere Abbildungen nach Unger's Mriginalien sind in beiliegender Nummer
der „Kunstgewerblichen Rundschau" abgedruckt.^
machte. trat er, ohne zuvor eine der sog. Natur-
Elassen der Akademie durchgemacht zu haben, in die Mal
schule von Prof. Otto 5eitz ein, in der er nun verschiedene
Jahre blieb, um von da aus dann gleich selbstständig seinen
Weg weiterzugehen. Neben den Studienköpfen, Eostüm-
Figuren und Akten, die er da malte, begann er alsbald
seiner Phantasie den freiesten Spielraum zu lassen. Diese
aber verwies ihn auf die Erscheinungen des Märchens,
der Sage. In Tausenden von Einfällen, die aufs Papier
gebracht wurden, gab sich kund, über was für eine sprudelnde
Erfindungsgabe Unger verfüge. Bei den großen akadem-
ischen Maskenfesten, die sich von jeher durch ihr köstliches,
oft ungemein geistreiches Arrangement auszeichneten und bei
denen nicht selten das verausgabte Können weit durch-
schlagender wirkt als es selbst bei manchen offiziellen Aus-
stellungen der Fall ist, stand er immer mit an der Spitze.
Es war ja der Freiheit der Erfindung kein Zwang an
gethan, die tollsten Einfälle konnten zum Durchbruche
kommen. Dem Sinne für dekorative Erscheinung ist sicher-
lich da oft weit mehr auf die Beine geholfen worden, als
durch die Preisaufgaben der Akademie, bei deren einer —
es handelte sich um Entwürfe zur Dekoration eines Speise-
saales — Unger übrigens Preisträger wurde p8?9). Im
gleichen Jahre reifte dann auch der plan zu einer Unter-
nehmung, die er zusammen mit Max Nonnenbruch aus-
führte. Letzterer schrieb die poetischen Beigaben, Unger lieferte
die Illustrationen. Das Werk erschien in der Verlagsanstalt
von Bruckmann in München unter dem Titel: „Aus den
vier Jahreszeiten". Da ist zu finden die bjexenfahrt um
Walpurgi; Waldmeister hat seine Verherrlichung erfahren;
Seeröschen unternimmt auf einem von Libellen gezogenen
Vehikel seine Lustfahrt; Zwerge, deren Silhouetten sich gegen
die Scheibe des Vollmondes zeichnen, sitzen auf dem weit
über den Wasserspiegel eines Moortümpels reichenden Weiden-
geäst und haben sich allerlei Geheimnisse anzuvertrauen; auf
einem Blatte, das zum „gerbst" gehört, ziehen Gnomen
aus der Spindel einer uralten Waldfrau einzelne Fäden und
streuen sie in die weiche Luft des Altweibersommers; beim
„Winter" hat der König Tod die Leiter am Schallloche des
Kirchthurms erstiegen und schlägt mit einem langen Rohren
knochen die letzte Stunde des alten Jahres u. s. w.
Unger bekundete mit diesen Arbeiten sein bedeutendes
Geschick, die Figuren des deutschen Märchens in jener Weise
zu behandeln, wie sie für Bilderbücher als äußerst geeignet
erscheint: Einfachheit der Darstellung, gepaart mit voller
Klarheit des Inhaltlichen. Er wäre berufen gewesen, Kinder
bilderbücher herzustellen wie nicht leicht ein anderer. Im
großen Ganzen wird gerade dieser Seite der künstlerischen
Aeußerung in Deutschland noch viel zu wenig Beachtung
geschenkt.
Nachdem Unger in Rom gewesen war und einer
Affaire, die seinem Uerzen stark zugesetzt hatte, siegreich
in dem Sinne perr geworden war daß er dem kleinen
Bogenschützen den Laufpaß gab,') machte er sich mit allem
Fleiße an den Ausbau seiner künstlerischen Veranlagung.
Mit Vr. Lohmeyer in Berlin beabsichtigte er die Heraus-
gabe eines umfangreichen Kinderbilderbuches: „Im Reiche
der Wurzelmännchen." Die Schwarzdrucke der Blätter liegen
alle vor. Warum die Herausgabe (das Buch sollte, so
viel in Erfahrung zu bringen war, bei Grote in Berlin
erscheinen) nie erfolgt ist, ist dem Schreiber dieser Zeilen
unbekannt.
Die Großmutter erzählt dem Enkel und der Enkelin
vom Schlaraffenlande und begeistert die Kinder dermaßen
dafür, daß diese das Steckenpferd besteigen und losreiten.
Unterwegs begegnet ihnen der Märchen-Prinz, der sie mit-
nimmt. Da purzelt der Wagen in einen Zauberbach, der
alles Menschliche verkleinert. Wie sie nun, glücklich den
Fluthen entronnen, weiter wandern, passiren ihnen alle
möglichen Geschichten, Abenteuer mit Schmetterlingen, die
für sie, da sie ja ganz klein geworden sind, wie fürchterliche
Geier aussehen, Abenteuer mit wegelagernden Fröschen u. s. w. 9
9 Unger hat sich erst viel später, ;8g2, verheirathet.