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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 6
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Schmid, Wolfgang M.: Deutsches Kunstgewerbe um das Jahr 1000
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0055

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wo er seine oben beschriebenen nachhaltigen Reformationen
begann. Möglicherweise hat er direkt Muster von Fassungen
aus Trier mitgebracht, welche den Emmeramer Mönchen als
Vorbild dienten, das sie aber weit übertrafen, indem an den
Trierer Werken die zierlichen Fassungen blos vereinzelt, am
Loclex aureus in solcher Menge Vorkommen. Da der eine
Restaurator Adalpert 994 Abt des neugegründeten Klosters
Seeon wurde, so haben wir für die Anfertigung des Deckels
schmuckes den Zeitraum von 983—99^ anzunehmen.

Das plötzliche Aufblühen des Goldschmicdhandwerks in
Trier aber erklärt sich durch den Einfluß des byzantinische
Fracht liebenden lsoses Otto II. und der Theophanu, dem
Egbert als Erzieher Otto III. und sonst sehr nahe stand.
Vorbilder für die zierlichen Fassungen aber bot zwar nicht
die byzantinische Goldschmiedekunst, die derartiges nie aus
geführt hat, wohl aber die gleichzeitige byzantinische Elfen-
beinschnitzerei.')

Das hohe technische Können scheint in der Werkstätte
von St. Emmeram bald gesunken zu sein (vielleicht mit dem

Fortgang Adalperts nach Seeon);
denn keines der nach dein Todex
ausgeführten werke zeigtso elegante
und mannigfaltige Fassungen, wie
dieser. Dagegen wurde, jedenfalls
unter dem Einfluß von Trier und
von byzantinischen Vorbildern, dort
das Zellenemail ausgenommen und
darin sehr Tüchtiges geleistet, das
zeigt uns die Vorderseite des Käst-
ch e n s, in dem das reich nünirte
Evangeliar der Aebtissin
Nota°) von Niedermünster (1002
bis 1025, Staatsbibliothek Mün-
chen) liegt. Zm Mittelfeld befindet
sich die aus einer seinen Goldplatte
getriebene Darstellung des segnen
den Thristus. Zn einer Mandorla
sitzt derselbe auf einem Stuhl, die
Füße gestützt auf einen Schemel;
in der sinken hält er ein geschlos-
senes Buch, die Rechte erhebt sich
im Segensgestus. Das bärtige Gesicht ist umrahmt von schlicht
herabfallenden Locken. Ls ist deutlich erkennbar, daß dem
Goldschmied kein Vorbild bei der Ausführung dieser Thristus-
figur vorlag. Denn die Gewandung ist schlecht gefaltet, die
Proportionen des Körpers sind ganz falsch, von den 33 cm
der ganzen Länge fallen s8 cm auf den Oberleib. Oberschenkel
und Unteriarme fehlen ganz, das Ohr ist winzig klein, die
Hände viel zu lang. Der Anblick der Figur bietet also
keinen besonderen ästhetischen Genuß; aber als Jeugniß des
damaligen Standes der Kleinplastik ist sic hochwichtig. Auch
die hochentwickelte Treibtechnik müssen wir bewundern; die
Figur, der Sessel und die Mandorla sind aus einem Stück
getrieben, dessen Relief sich bis zu ^5 mm erhebt. Ob ein
holzkcrn darunter liegt, ist nicht ersichtlich, der Kopf des
Thristus ist aber mit einer Mischung von wachs und Ziegel- * *)

5j. Elfenbeinschnitzerei
vom Bamberger Missale.

Staatsbibliothekmünchen, Lim.57
(wirkliche Größe.) Zu S. H8.

') vergl. die arkadenartige Durchbrechung des piedestals auf
der Platte: Christus, Romanus und Cudoxia, Paris (ö a y e t l’art
bvzantin ^J5).

*) kabarte III. 26, (0$. Schmid 38 ff. Riehl jo.

mehl ausgefüllt. Zn den vier Ecken des Mittelfeldes sind
in Gold getrieben die vier Evangelistensymbole in Gestalt
von menschlichen Figuren, aber mit den Röpsen derjenigen

52—38. Lmailxlättchen vom Evangeliar aus Niedermünster.

Slaalsbibliolliek München, (wirkliche Größe.)

Thiere, die den betr. Evangelisten allegorisiren. Der äußere
Rahmen trägt blos mehr 54 von den schon besprochenen
charakteristischen Fassungen. Von den ehemals vorhandenen
(00 Perlen sieht man keine mehr. Das Filigran ist nicht
mehr von dem strengen, regelmäßigen Ornament, wie im
l0. Zahrhundert, sondern überwuchert den ganzen Fond des
Rahmens in unregelmäßigen Voluten; es zeigt zwar ein
sehr feines Korn, ist aber kein Perlfaden mehr, sondern
schon ein aufrecht stehendes Bändchen. Links am Rahmen
ist ein Zellenemailniedaillon mit dem segnenden Thristus,
ein Rund mit der Figur in einem Achtpaß mit Ornamenten.
Das Aledaillon ist eine zweifellos deutsche Arbeit, vermuth-
lich rheinischer Provenienz. Dasselbe gilt von dem Rund
Medaillon rechts am Rahmen, Maria in Grantenstellung
und die Znfchrift: Ave Maria Gracia Plena. Diese Arbeiten
wurden nicht in Regensburg gefertigt. Denn man hat schon
im ursprünglichen Rahmen den Platz für sie vorgesehen und
was über den Rahmen Hinausstand in ganz pietätloser weise
einfach umgebogen, was der wirkliche Verfertiger jedenfalls
nicht gethan hätte.

An der schrägen Laibung von: Rahmen zum Alittelfeld
befanden sich ehemals 58—60 viereckige Emailplättchen, von
denen blos mehr 25 vorhanden
sind; davon zeigen {\ Thierdar-
stellungen, IH geometrische und
Pflanzenornamente (Fig. 52—58).

Die plaquettes wurden bisher als
byzantinische Arbeiten bezeichnet;
das Ornament ist aber z. Th. gleich
mit dem am Thristusmedaillon
und auch andere Gründe beweisen
ihren deutschen Ursprung. Am
Kreuze der Aebtissin Theo-
phania in Essen sind sechs ähn-
liche Emailplättchen, wovon fünf
die nämlichen Thiere zeigen, wie die vom Giselakreuz,

am Notakästchen, so daß beide sicher In der „Reichen Kapelle" zu München
aus dergleichen Werkstätte stammen. cw-rkiiche Große.) gu S. 48.

Sicher in Regensburg und gleichzeitig mit dem Deckel ist
die Zellenemaildekoration des Buches, das Thristus in der
Linken hält, und seines Kreuznimbus (Fig. 52—58, mittlere
Reihe rechts). Zst auch das Ornament etwas einfacher als
 
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