Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Gmelin, L.: Ausstellungen des Jahres 1895
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0079

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zum Kapitel Glasmalerei sind die Arbeiten von
K. Engelbrecht- Hamburg zu verzeichnen, bei welchen
er seine in Thicago gemachten Beobachtungen zu verwerthen
sucht; wir haben hier einige meist recht glücklich zusammen-
gesetzte Glasbilder vor Augen, welche mittelst der aus Amerika
bezogenen gefalteten und geflammten Scheiben gefertigt sind.
Engelbrecht hat das amerikanische »Opalescentglass« in
Deutschland eingeführt und hat den Alleinverkauf für
mehrere amerikanische Hütten in Händen.

Bezeichnend für die Expori-Tendenz der Ausstellung
ist es, daß Schmiedeisenarbeiten, die doch sonst stets
eine große Rolle spielen, hier nur in geringer Zahl erschienen
sind; oder darf man daraus schließen, daß derartige Ar-
beiten in den beiden Hansestädten, welchen das Gros der
Aussteller angehört, weniger gefertigt oder begehrt werden?
Beachtenswerth sind immerhin die Arbeiten der drei Ham-
burger — G. Stöhr, Ed. Schmidt & Sohn, I. Za cho-
val — und der Lübecker Karl Thiel 6c Söhne. Bom
technischen Standpunkt interessiren die kalt gebogenen und
gedrehten Rund und Vierkantstäbe, welche die Schwedische
Gesellschaft »Forsbaeka Jernverks Aktie Bolag« zu Fors-
backa in untadelhafter Sauberkeit und Gleichmäßigkeit ge-
bracht hatte. (Vertreter £. Poffehl-Lübeck.) Was an sonst-
igen Metallarbeiten das Kunstgewerbe berührt, beschränkt
sich aus einige Messing- und Bronze-Lüster rc. sowie wenige
Schmucksachen und Silberarbeiten, von denen indessen nur
die ersteren — aus Lübeck und Wismar — durch ihre ge-
lungenen Nachahmungen alter Vorbilder Interesse erregen.

Durch die starke Betheiligung des weiblichen Elements
trägt das Gebiet der Textilien auf der Ausstellung ntehr
wie jedes andere den Tharakter des Handwerks. Unter
dem Heer der Frauenarbeiten stellen wir die nordischen Hand-
webereien, Knüpfteppiche und Stickereien, welche so gut
wie die Sprache die Stammesverwandtschaft zwischen Finn-
ländern und Skandinaviern verkünden, an die Spitze; die
finnischen Haus fleißvereine in Helsingfors, Lovisa,
Sortasola rc. haben urnfangreiche Sammelausstellungen von
Vorhängen, Tischdecken, Bodenteppichen, Kissen, Schonern,
Schürzen rc. gesandt, welche ein ziemlich deutliches Bild dieser
anmuthigen Techniken geben. Dazu kommen Linzelaus-
stellerinnen aus den nordischen Ländern in ziemlicher Zahl
und theilweise mit sehr bedeutsamen, kunstgewerblich sehr
interessanten Stücken, so z. B. aus der Webeschule von
Tavestehus in Finnland. Bezeichnend für diese Art Hand-
webereien sind die einfachen, geometrischen Motive der groß-
formigen, klaren Muster, die satten, nur wenig gebrochenen
Farben und das lange „Flottliegen" der Fäden, welche das
Klafter bilden. Die gesunde Farbensreude, die sich an allen
Stücken offenbart, wird durch ein weises Maaßhalten bei
der Musterung in den Schranken der Schönheit gehalten,
und sie erzeugt im Zusammenwirken mit der Schlichtheit
des Arbeitsinaterials eine gewisse bürgerliche Vornehmheit,
während die technische Behandlung, nämlich die lockere
Lagerung der Wollfäden, ein wohliges Behagen hervorruft.

Gegenüber diesen originellen, schon durch ihren natio-
nalen Tharakter ansprechenden Arbeiten aus den Nordländern
treten die übrigen Frauenarbeiten zurück; Neues bieten sie
vielleicht nur insoferne, als neben den Nadelarbeiten aller
2trt und den Porzellanmalereien nun auch zahlreiche Kerb-
schnitzereien, Lederschnitt- und Holzbrandarbeiten, ja sogar

Glas- und Emailbilder austreten. Mag die starke Betheil-
igung der Frauen an der Ausstellung vielleicht theilweise
aus eine besonders rührige Agitation zurückzuführen sein,
so kann inan sich doch auch andererseits nicht dein Gedanken
verschließen, daß ein großer Prozentsatz der Ausstellerinnen
aus niateriellen Gründen diese Verkaussgelegenheit willig
aufgesucht hat. Bedauern erregt dabei nur, daß die Dilettanten-
arbeit so stark überwiegt, und daß so wenig Spuren einer
Vertiefung des. kunstgewerblichen Schaffens wahrzunehmen
sind. Fast die Hälfte aller katalogisirten Numinern der
Frauenabtheilung fällt dabei auf die Malereien, vernruthlich

deßhalb, weil die „Malerei" in der Meinung vieler einen
höhern Rang einnimmt als die „Handarbeit", — wahrlich
nicht zum Vortheil der „häuslichen Kunst!" Soll der kunst-
gewerblichen Frauenarbeit eine gesegnete Zukunft erblühen,
so muß vor allen Dingen auf ein völliges Verlassen der
zur Oberflächlichkeit führenden Wege und auf Vertiefung
der Vorstudien zu solchen Arbeiten hingewirkt werden!

Die Industrie- und Gewerbeausstellung
zu Straßburg im Elsaß.

Es ist ein eigenthümlicher Zufall, daß die erste größere
Ausstellung in den Reichslanden in dasselbe Jahr fällt, in
welchem Alldeutschland die nationale Erhebung und die
 
Annotationen