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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 10
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Dedreux, Oskar: Die Beleuchtungskörper im neuen deutschen Reichstags-Gebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0088

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(02. Treppen-Landelaber.

Lür ba» Reichstagshaus entworfen,
'/in der wirklichen Größe.

etwas weichlich wirkende italienische Skulptur und Vrnamentik;
er bewundert speziell den großartigen Faltenwurf und die
weise Vertheilung des Schmucks an den Gewändern, erblickt
aber den hauptvorzug obengenannter Stylgattungen darin,
daß beide eine Individualität und einen Fortschritt zulassen,
während die klassischen Künste, gerade wegen ihren unüber-
trefflichen, formvollendeten Vorbildern auch die strebsamsten
Künstler immer wieder in.die ausgetretenen Geleise zurück-
zwingen.

Nach diesen Grundsätzen modellirt, haben wohl die ge-
nannten Figuren etwas Architektonisches und Strenges er-
halten, doch war dieß schon geboten einerseits wegen der
ganzen feierlichen Gestaltung des Reifs, andererseits wegen
ihrer bedeutenden höhe über dem Hallenfußboden; sie wirken
aber trotzdem im besten Sinne des Wortes modern, obgleich
der ausgewendete archäologische Apparat sie zu Typen ihrer
Zeit stempelt, durch die Genialität Vogels, der aus jeder
die ganz bestimmte individuelle Persönlichkeit herausgearbeitet
hat. In reich ausgebildeten Tabernakeln sitzend, bilden
diese Erzstatuen den vorzüglichsten Schmuck des Lüsters.
Die Gehäuse selbst mit ihren gothisirenden Tandelabersäul-
chen und ihren wechselnden Bekrönungen ragen etwa die
Hälfte ihrer Tiefe über die Ringsiäche vor und geben dem
Lüster das nöthige Relief. Zwischen ihnen am Reis be-
festigt, der selbst durch phantastische ornamentale Figuren,
dekorative in gothischen Charakteren gehaltene Inschriften
und einen reichen Zinnenkranz geschmückt ist, befinden sich

die in (Emailfarben behandelten, von scepterartigen Tande-
labersäulchen umschlossenen Wappen derjenigen Fürsten-
geschlechter, die Deutschland Kaiser gegeben haben. Gothisch
ausgebildetes Astwerk mit Eichen- und Weinlaub rankt sich
von einem Tabernakel zum andern und ist zugleich der
Träger der \20 dreißigkerzigen Glühlampen, während die
\2 in laternenartig ausgebildeten Gehäusen befindlichen
Bogenlampen an der untern ornamentalen Endigung der
Wappen angebracht sind.

Eine architektonische Eonstruktion, durch ein System von
Aiaucrn und Thürmen die alte hohenzollernburg allegori-
sirend, trägt die deutsche Kaiserkrone und bildet zugleich die
obere Bekrönung und die Aufhängung des Leuchters. Von
hier aus gehen reich mit Knöpfen versehene Stangen, neben-
bei Träger der elektrischen Kabel, nach der Rückseite des
Ringes, in welcher sie mittels massiver Bronzeringe in
mächtigen Löwenköpfen eingehängt sind. Diese letztere, so-
wie einige Wappen und Schristbänder geben eben dieser
Rückseite einen angemessenen Schnruck.

Es ist interessant, den Durchmesser dieses Lüsters mit
jenen der größten Reiflüster des alten Deutschen Reichs zu
vergleichen. Der Lüster in Aachen hat etwa m, der in
Hildesheim circa 6 m, der Reichstagslüster den respektablen
Diameter von 8 m und wurde bei ihm das Verhältniß der
Lüsterbreite zur Tiefe des Raums ähnlich gehalten, wie in
Aachen, wo es etwa x/3 der Kuppeltiefe beträgt, nur insofern
modifizirt, als die viel größere Intensität des elektrischen,
besonders des Bogenlichtes, eine weitere Entfernung der
einzelnen Beleuchtungskörper und dadurch einen größeren
Durchmesser des Lüsters bedingte.

Ringkronen wurden noch in den verschiedensten Größen
in den verschiedensten Räumlichkeiten des Reichstags unter-
gebracht, wenn auch viele „mehr der Noth gehorchend, als
dem eignen Trieb" —aus Sparsamkeitsgründen. Diese Lüster-
form gestattet nämlich mit den
geringsten Kosten eine große
Ausladung und eine beträcht-
liche Flammenzahl.

Wir können die einfacher
gestalteten als unwesentlich über-
gehen, obgleich manche von be-
deutender Größe dabei waren,
hervorragend in Bezug aus
Schmuck und Größe sind die
Ringkronen in den Vorsälen des
Bundesraths und Reichstags-
vorstandes; die Abbildung auf
Tafel 39 enthebt uns einer wei-
teren Beschreibung. Im ersteren
Saal sind an den Gewölbeleib-
ungen die Gestalten der großen
Kaiser als Freskogemälde pro-
jektirt und darum erhielten diese
Lüster die Reliesbüsten der Wahl-
fürsten ; im Vorsaal des Reichs-
tagsvorstands, an dessen Wän-
den die allegorischen Gestalten

der Tugenden dargestellt werden (03. Lorridor-Laterne.

sollen, wurden an den Reiskro Sü* das Reichstagshaus entworfen,
neu je 8 Portrats berühmter der wir«, srötze.
 
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