Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Hagen, L.: Zur Entwicklungsgeschichte der Klöppelspitze
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0109

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

to\ +

/

\

deutschen Kupferstichen heraus; bei Lukas von Leyden und
Dürer kommt es sehr deutlich zur Geltung; man hat da
z. B. Schnurverzierungen, die nur aus zwei kreuzweis über
Knöpfchen gespannten Schnüren bestehen. Es macht sich
hier in unzähligen Einzelheiten das Bestreben geltend, die
Bewegung der Schnur, oder des einzelnen scharf gedrehten
Fadens in seinen Verschlingungen ornamental zu verwerthen,
ohne seine Bedeutung im festen Gewebe untergehen zu
lassen. Auf diesem Prinzip beruht die Eigenart der Klöppel-
spitze, im Zusammenhang mit ihm wird der Geist ihrer
Technik richtig erfaßt, nur aus diesem Gesichtspunkt kann
der stilistische Werth ihrer Muster beurtheilt werden, wenn
man von Künstlichkeit und Kuriositäten der Mühseligkeit
absieht. Frau Frauberger hat denn auch in ihrem Werke
auf die Verwandtschaft der Klöppelspitzen mit den Posa-
mentierarbeiten hingewiesen. Die kursorische und unmotivirte
Art ihrer Darstellung ist in diesem Punkte nicht ohne
Widerspruch geblieben. Elisabeth pomann weist sie im
Februarheft des „Kunstgewerbe" energisch zurück und scheint
in dieser Ableitung eine Beleidigung der Klöppelspitze zu
sehen. Nebenbei wird die Entstehungszeit der Klöppelspitze
von Frl. pomann in die zweite pälfle des (6. Jahrhunderts
verlegt und in demselben Pest des „Kunstgewerbe" versichert
perr von Ubisch im Gegensatz zu Brinckmann's „Führer
durch das hamburgische Museum", Spitzen irgendwelcher
Art, seien überhaupt nicht vor (5^0/ Klöppelspitzen schwer-
lich vor dem Ausgang des (6. Jahrhunderts gefertigt worden.
Nun liegt ja materiell an einem bestimmten Datum für die
Entstehung der Spitzen sehr wenig; die Art der Beweis-
führung muß aber in diesem Falle einer sehr genauen Kritik
unterzogen werden, weil nur so sichere Grundlagen für eine
zuverlässige Nachprüfung gefunden werden können.

Das einschlägige Material bilden die Modelbücher und
die Gemälde. Von historischen Notizen verdienen haupt-
sächlich folgende drei Berücksichtigung:

\) Eine Urkunde der Kathedrale von Ferrara aus dem
Jahre welche den Preis für das plätten und Aus-

bessern von Spitzen an Priestergewändern festsetzt. — Der
Werth dieser Notiz liegt darin, daß er gestattet, spitzenähnliche
Darstellungen auf Bildern des Giacomello da Fiori, Bar-
tolommeo, Trivelli, Fiero da Eosimo u. s. w., namentlich
an den Säumen von Alben vorkommend, wirklich für Spitzen
halten zu dürfen. Bei Trivelli findet sich z. B. eine sehr breite
Spitze von gut entwickeltem Ornament an einen: Betttuch.
Trivelli ist bekanntlich sehr minutiös im Detail, also zuverlässig.

2) In einer Erbtheilung der Schwestern Angela und
kfippolyta Sforza in Mailand am (2. September (Hsio
werden aufgezählt: Cimasse, (Borten), Velli (Schleier), Ri-
camo a Reticella (Stickerei auf Netzgrund), ?omi, Rericelle
in pezze, Lavora a Groppi, Lavora adossa — also ver-
schiedene Nadel- und Knüpfspitzen und endlich una binda
lavorata a poncto dei dodici fusi (fuxi), eine mit zwölf
Klöppeln gearbeitete Spitze, hiergegen macht Frl. pomann
geltend lavorata a poncto bedeute immer nur Nadelarbeit;
denr widerspricht aber die Bezeichnung punro fiammingho,
die im Italienischen sehr früh für bestimmte Klöppelschläge
vorkommt; die Verwandtschaft von fuxi oder fusi mit dem
französischen fuseau liegt doch zu sehr auf der band, als
daß man behaupten könnte, „fusi hieße niemals Klöppel,"
wie Frl. ponrann es thut. Sic ist übrigens die Erklärung

sowohl für „fusi" als für die ganze Art der in Rede stehen-
den Spitze schuldig geblieben. Gerade das Wort fusi, in
seinem Zusammenhänge mit „fundere" schmelzen, deutet auf
die Entstehung der Klöppeln hin, die anscheinend zuerst in
Bleistückchen bestanden, mit denen nian die Enden der Zwirn-
oder Goldfäden vor dem Verwirren schützte.') Später kommt
dann das Wort „fuselli" und dann die Bezeichnungen „piom-
bini" und „bindelli" vor. Merli und merletti heißen die

töy. Genueser Spitze im Charakter der Darstellung de pretis.

Spitzen erst, als sie die spitzzackige Form annehmen, die
ihnen in Deutschland anfänglich den Namen „Zinnchen"
(Zinne) einträgt. Die früheste Form der Goldspitze scheint
darauf hinzudeuten, daß die Zinnchen erst später aufkamen.

5) In der Bibliothek des k. k. österr. Museums für
Kunst und Industrie befindet sich ein Modelbuch, dessen
Vorwort Ilg in seiner „Terminologie der Spitzen" zitirt
und dessen Wortlaut richtig wiedergegeben ist. Es heißt
da, die Dentelschnurarbeit sei vor fünfundzwanzig Jahren
— das Buch ist (550 gedruckt — von Venedig aus in Zürich
eingeführt worden. Da die dortigen Frauen eingesehen hätten,
daß die neue Kunst lohnenden Erwerb verheiße, hätten sie
sie eifrig erlernt und bald eigene Muster erfunden, pcrvor-
gehoben wird, daß die Arbeit viel schneller von statten gehe,
als das Benähen der bjenidbündchen, daß auch der weiße
flächsene Faden die Wäsche mit Lauge vertrage und
das mühseligere Waschen der farbigen Näharbeit mit Seife
erspare. Die gesammte Technik wird Dentelschnurwirkerei
genannt; man unterscheidet zwischen „spitzlin", „stämlin"
und „kuöpflin", letztere jedenfalls die „Zäckchen", die bjerr
von Ubisch als einzig aus den Bildern jener Zeit vor-

Alöxpelsxitze im Charakter des Carpaccio.

kommend angesehen haben will. Der Verfasser bemerkt
ausdrücklich, daß man diese Denteln zuerst nur an bsemden
verwendete; daraus erklärt sich das seltenere Vorkommen
auf Bildern. Palma Vecchio gibt in flotter Darstellung

*) Auf den Farö-Jnseln war noch zu Anfang dieses Jahrhunderts
eine Art Teppichwirkerei in Hebung, bei welcher die Aettenfäden mit
Blei beschwert wurden.
 
Annotationen