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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 14.1913

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Nr. 1
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Hofmeister, Hermann: Die Pipinsburg bei Geestemünde
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https://doi.org/10.11588/diglit.32139#0018
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ein oberflächlicher Blick lehrt, nicht immer möglich sein. Dafür hat aus äutzeren Gründen die Abdeckung
der Humusschicht nicht radikal genug vorgenommen werden können. Aber einige Hausgrundrisfe treten
mit voller Deutlichkeit zutage. Ach weise hin auf die ersten 12 Pfosten gleich links vom Tor, die ein ein-
räumiges Haus mit Mittelpfosten als Dachstütze und einer Vorhalle darstellen. Am Norden lafsen sich
4 Psosten unschwer zu einem Hause vereinigen. Am Osten hebt sich das Gebäude mit der Brandgrube ab.
Das Haus rechts vom Torweg, das aber nicht ganz abgedeckt ist, lietz auch eine sichere Deutung zu. An
diesem Raum lagen Hufeisen, Sporen, Trensen und Kettenstücke. Autzerdem eine grotze Anzahl Pferde-
zähne und starke Knochen. Danach ist es wohl zweifellos, datz hier der Pferdestall war. Die Größe der
Gebäude schwankte zwischen 5 und 8 m. Alles waren Holzhütten, deren Wände zum Teil aus Fachwerk
verfertigt waren, das seinerseits mit Lehm und Ton beworfen war. Reste davon, sogenannter Stakenlehm,
fanden sich zahlreich. Unternimmt man es, alle Psostenlöcher in Hausgrundrisse auszuteilen, so kommen
unter Hinzurechnung der Wohngrube und des großen Kellers 11 bis 12 bauliche Anlagen heraus.

Äußerst charakteristisch ist das Gesamtbild der Siedlung. Alle Gebäude lehnen sich an den Wall
und bilden einen Kranz. Aus diese Weise ist ein möglichst großer, sreier Burgplatz geschasfen, auf dem
sich allein eine Grube unbekannten Zweckes besand. Ein solcher Grundriß macht aber den Eindruck größter
Einheitlichkeit. Es ist gar nicht anders möglich, als daß diese Burg nach einem bestimmten Plan angelegt
ist. Sie muß hervorgegangen sein aus dem Willen eines einzelnen Herrn. Folglich ist es kaum zu
bestreiten, daß die Pipinsburg eine Dynastenburg gewesen ist. Die Grötzenverhältnisse der Anlage und
der Charakter des Grundplanes beweisen es.

So verbleibt nur noch die wichtige Frage nach der Zeit ihrer Cxistenz. Da literarische Quellen keinen
Aufschlutz zu geben vermögen, müssen die Funde sprechen. Einzelheiten können hier nicht zur Crörterung
kommen, sie findet der interessierte Leser in den eingehenden Grabungsberichten, die in der erwähnten
Zeitschrift der Männer vom Morgenstern abgedruckt sind. Wir beschränken uns hier lediglich auf das
gewonnene Ergebnis, datz nämlich der zeitliche Ansatz, zu dem die Bestimmung der Funde gesührt hat,
die Zeit um 800 ist. Also eine Dynastenburg auf deutschem Boden mit typischem Grundriß aus der Zeit
um 800 — das ist kurz zusammenfaßt das Ergebnis der archäologischen Antersuchung der Pipinsburg.

Natürlich kann diese Feststellung nicht ohne Bedeutung sür die spütere deutsche Burgenkunde sein.
Wir erinnern uns, in welchem Zusammenhange wir auf die Pipinsburg versielen. Cs waren Gedanken,
die sich mit der Herkunst jener stolzen Bergschlösser, die wir plötzlich von 1O0O an in unserem Lande finden,
beschäftigten, und die ihren Weg zu den geheimnisvollen Ringwällen nahmen. Aetzt wissen wir, daß diese
steinernen Burgen Vorläuser im eigenen Lande haben, deren Anterschied vornehmlich durch das Bau-
material bedingt ist, und datz diese Vorläuser ins erste christliche Aahrtausend zurückreichen. Damit wird
zugleich die Streitsrage nach der Herkunft der mittelalterlichen Burg auf eine neue Basis gestellt. Was
wir aus anderen Äberlegungen heraus vermuteten, daß sie nämlich aus deutschem Boden herausgewachsen
ist, erhält durch die Pipinsburgforschung die stärkste Stütze. Endlich verlangt der Grundriß als Typ
Beachtung. Auch in dieser Beziehung erscheint die Pipinsburg mit ihrem sreien Platz und dem Häuser-
kranz, der sich an die Befestigungslinie anlehnt, als Vorlage mancher steinernen Ritterburg.

Selbstverstündlich wird man aus Grund dieses einen Exemplares noch keine sertige Cntwicklungs-
geschichte der deutschen Burg zu geben wagen. Aber soviel ist dem Leser klar geworden, datz die archäo-
logische Untersuchung der Pipinsburg eine weite Perspektive erschlossen und allem Anschein nach die
rechte Bahn gewiesen hat, auf der die Lösung der Frage nach der Entstehung der deutschen Burg zu
erwarten ist.
 
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