Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 14.1913

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Winter, Heinrich: Profanbauten in Regensburg
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.32139#0064
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

Diese sind eine merkwürdige Eigentümlichkeit Negensburgs» Zwar sehlt es nicht ganz an ähnlichen
Bauten. InNürnberg ist das Schlüsselfeldersche Haus auch als reiner Turm gebaut — vermutlich nach
Regensburger Vorbildern — und nach einem alten Stich von Lukas Schniher (Umzug mit der langen Wurst
1658) mutz noch ein ganz ähnliches vorhanden gewesen sein. An Würzburg käme der Graf Eckardt-Turm
(jetzt Rathaus, ehemals Sitz der Burggrafen) in Betracht. Und in Metz, das jedoch nicht als deutsche Stadt
anzusehen ist, steht in der Trinitarierstraße das Haus St.Livier, das mit den Regensburger Turmhäusern
manche Ähnlichkeit hat, obwohl keinerlei Beziehungen anzunehmen sind*).

Das grötzte und bekannteste solcher Häuser in Regensburg ist der „Goliath", ein mächtiger Block
an enger Gasse, mit breitem Turm und Zinnenkrönung, verputzt und ohne Gliederung der Front, wie alle

diese Bauten in Regensburg. Eine Nestauration der neun-
ziger Aahre hat nicht nur die alten Fenstergruppen der Turm-
front beseitigt, sondern auch durch das Einbrechen der beiden
obersten Fenster in die Hauptfront und das Zumauern der
Zinnenschlitze den ganzen Charakter gründlich verändert. Das
alte Dach entwässerte durch eine in der Mittelachse der Front
etwas oberhalb des dreiteiligen Nechteckfensters aus der Wand
tretende Gosse. Wenn hier, wie nach den Rmständen anzu-
nehmen, ein Satteldach vorhanden war — ein plattes Dach wie
das jetzige wäre so tief unter den Zinnen widersinnig —, so läge
hier der nicht häufige Fall eines maskierten Daches vor^*).
Der Architekt hat, um das beim Turm angewandte Zinnen-
motiv beibehalten zu können, die Front als freiragende Mauer
nach oben hin weitergeführt, so daß das Dach verdeckt war. Man
denke sich die beiden obersten Fenster, die zur Einfügung eines
weüeren Stockwerks nötig waren, hinweg und demgemäß die
Zinnen tiefer ausgeschnitten, so kommt alsbald Stil in die
Fassade. Die beiden Ziertürmchen wie auch der Erker an
der hinteren Front nach dem Watmarkt sind offenbar spätere
Zutat. Die in der Mitte der Front vorhandenen Fenster sind
Vertreter der feststehenden Fensterform des Negensburger
Geschlechterhauses. An Erinnerung an die romanische Kunst
sind sie als Gruppenfenster mit zwei oder drei Teilungs-
säulchen konstruiert aber in rein gotischen Einzelformen— Spitzbogen mit Nasen und gekehlter Leibung —
ausgeführt, mit einer geraden oder leicht gebrochenen Bedachungsleiste versehen und von Schlitzfenstern
gleicher Zierform slankiert. An dieser Anorönung waren sie vordem auch am Turme vorhanden, so sieht
man sie am „goldenen Turm", „blauen Hecht", am Roritzerhause (I) 106) u. a. Nach Angaben bei Auf-
leger***) ist an der östlichen, d. h. dem Hauptbau zugekehrten Wand des Turmes in Fußbodenhöhe des
zweiten Stock's ein rundbogiges Doppelfenster aufgefunden worden. Das läßt auf einen Hof bzw.
Lichtschacht schließen.

Durch seineHöhe ist der„Goldene Turm" ausgezeichnet, bis zum Ausbau der Domtürme im Aahre
1869, also das ganze Mittelalter hindurch der höchste Turm der Stadt. Die Architektur ist von großer
Feinheit und Zurückhaltung, nur die Straßenfront und die Nückseite haben Fenster, mit Ausnahme des
auf einem Zahnschnitt leise vorgekragten Obergeschosses. Die kleinen Mansardgiebel am Dache, die auch
an dem Turme der „Alten Waag" am Haidplatz wiederkehren, erinnern an das Ostentor. Das oberste
Geschoß des eigentlichen Hauses birgt eine zweijochige gewölbte Hauskapelle, nach außen durch Zierfenster
gekennzeichnet, die ebenso wie die am Turme das beschriebene Regensburger Muster abwandeln. Die über-

*) Neueste Abbildung bei O. Stiehl: Der Wohnbau des Mittelalters. (Bd. 4, Hest2 des Handbuchs der Architektur).

**) Ein weiteres Beispiel für ein maskiertes Dach bietet das Haus I) 1OS, s. u.

"**) Ausleger u. Hager: Mittelalterliche Bauten in Regensburg.

Abb. 48. Regensburg. Das Haus zum Goliath.
 
Annotationen